Kostenbremse für die Elbphilharmonie

Von Axel Schröder · 01.03.2013
Ursprünglich sollte der Bau der Hamburger Elbphilharmonie 77 Millionen Euro kosten - doch der veranschlagte Preis hat sich schnell vervielfacht. Nun hat die Stadt mit dem Unternehmen Hochtief eine Vereinbarung ausgehandelt, die die Kosten des Projekts auf 575 Millionen Euro deckeln soll.
"Nachtrag Nr. 5 zum Leistungsvertrag für das Projekt Elbphilharmonie." Das ist der sperrige Titel der sogenannten "Neuordnungsvereinbarung", die Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und Barbara Kisseler, die Kultursenatorin der Stadt, heute vorstellten. Drei Monate lang haben die Stadt Hamburg und der Baukonzern Hochtief den 195 Millionen Euro schweren "Nachtrag 5" verhandelt, damit es in Zukunft keinen "Nachtrag 6" gibt, sprich: damit die Kosten des Projekts endgültig gedeckelt werden. Ein sichtlich entspannter und zufriedener Bürgermeister Olaf Scholz gab dazu heute nur ein knappes Statement ab:

"Wir haben umfassende Garantien bekommen, was die Qualität, was die Zeiträume betrifft, was den Preis betrifft. Für uns ist sichergestellt, dass Risiken, wie sie in der Vergangenheit in dem Bauvorhaben immer wieder neu entstanden sind, nicht mehr auftreten können."

Ganz ähnlich klangen seine Amtsvorgänger, wenn sie die Öffentlichkeit wieder einmal von gestiegenen Kosten unterrichten mussten. Die erste Idee zum Projekt Elbphilharmonie stammt aus dem Oktober 2001. Der anvisierte Schnäppchenpreis von 77 Millionen Euro verdoppelte sich schnell, es gab einen dritten und vierten Nachtrag und nun – wirklich und ernsthaft - soll Schluss sein bei 575 Millionen Euro.

Können die Hamburgerinnen und Hamburger also aufatmen? Auf den ersten Blick sieht es ganz so aus und auf den zweiten Blick ist bei den Verhandlungen zwischen Hamburg und Hochtief ein ziemlich einzigartiger Vertrag zustande gekommen, der die bisherige Rollenverteilung gründlich ändert und den schlimmsten Geburtsfehler, die Organisation des Megaprojekts, behebt: Bisher war die Stadt über ihre Realisierungsgesellschaft Auftraggeber des Projekts, die Architekturbüros Herzog / de Meuron und Höhler + Partner waren als Planer tätig, Hochtief als ausführende Unternehmen.

Bei Verzögerungen drohen Hochtief Geldstrafen
Die neue Konstruktion sieht vor: Die Star-Architekten arbeiten nun unter dem Dach von Hochtief. Und beide Parteien müssen sich vertragen. Kommt es zu unüberwindbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen Hochtief und den Architekten, zum Rauswurf der Planer, darf Hamburg den Vertrag kündigen. Die Stadt verlässt sich also auf die Qualitätsstandards von Herzog / de Meuron und Höhler + Partner. Und lässt alle sechs noch anstehenden Bauabschnitte überwachen:

Scholz: "Immer wieder ist für die Stadt Qualitätssicherung, Preissicherung und Garantiesicherung darin festgehalten und gleichzeitig haben wir ausreichend Möglichkeiten, zu kontrollieren, dass alles auch so geschieht."

Diese Kontrolle übernehmen unabhängige Sachverständige, die Hochtief bezahlen muss. Wenn sie Mängel feststellen, greift wieder das Kündigungsrecht der Stadt. Auch, wenn bauliche Fehler die Akustik des Konzertsaals beeinträchtigen. Besonders schwergetan haben sich die Juristen des sonst so hartleibigen Konzerns bei Hamburgs Forderung nach Strafzahlungen. Nun steht im Vertrag: Das Haus muss am 31. Oktober 2016 fertig sein. Bei Verzögerungen muss Hochtief zahlen, pro Tag bis zu 200.000 Euro. Bis zum Schluss hält die Hansestadt 100 Millionen Euro zurück. Diese Summe wird erst nach der letzten Abnahme der Elbphilharmonie überwiesen. Aber nur dann, wenn die Architekten Herzog und de Meuron die Einhaltung ihrer Standards, des "HdM-Labels", bestätigen.

Über die Gründe für die massiven Konzessionen des Bauunternehmens schwieg Scholz sich aus. Ein Grund dürfte aber der drohende Prestigeverlust bei einem Scheitern der Verhandlungen gewesen sein. Die Elbphilharmonie könnte dann nicht zum weltweit bekannten Hochtief-Leuchtturm-Projekt avancieren, sondern wäre Sinnbild für die Unfähigkeit des Konzerns, die Kosten eines Großprojekts im Rahmen zu halten. Hamburgs Erster Bürgermeister hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass die Stadt auch ohne Hochtief weitermachen könnte.

Ein Indiz dafür, wie viel Kröten der Baukonzern durch den Neuvertrag wird schlucken müssen, ist die knappe Erklärung von Hochtief zum Erreichten. Darin heißt es: "Der neue Vertrag löst die strukturellen Probleme des Projekts. Wir übernehmen mehr Verantwortung und können uns jetzt auf unsere Arbeit konzentrieren." Und genau das kann die Elbphilharmonie gut gebrauchen.


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