Planlos trotz Plan

Von Christoph Giesa · 27.02.2013
Streit an der Elbe, Streit am Neckar, Streit an der Spree - drei aktuelle Großprojekte sind zum Desaster mutiert. Oftmals geht es um Zuständigkeiten und Misswirtschaft. Für Christoph Giesa ein Beleg dafür, dass öffentlichen Bauherren die Experten für erfolgreiches Projektmanagement fehlen.
Deutschland hat ein Problem: Wir scheinen verlernt zu haben, Großprojekte erfolgreich umzusetzen. Solange es dabei um Kosten ging, die beim 1,5-fachen der ursprünglich kalkulierten Summe lagen, konnte man damit noch einigermaßen leben.

Inzwischen aber steigern sie sich um ein Vielfaches, auch weil sich Projektstarts und Umsetzungen teils um Jahre verzögern. Wenn man nur die drei prominentesten Beispiele anschaut – Stuttgart 21, die Elbphilharmonie und natürlich auch den Großflughafen Berlin-Brandenburg, kann einem angst und bange werden.

All die großen Pläne, all die kreativen Lösungen, für die sich Politiker haben feiern lassen, zeigen auf dem Weg zur Umsetzung deutliche Schwächen. Planer und öffentliche Bauherrn hecheln wechselnden Wünschen und Forderungen hinterher, sind mit der Komplexität ihrer Vorhaben überfordert. Und sie wird zunehmen, denkt man nur an die Energiewende.

Politiker, die solche Projekte zu ihren eigenen gemacht haben - oft, um sich ein Denkmal zu setzen – wischen Probleme anfangs gerne beiseite. Manfred Rommel etwa, ehedem Bürgermeister von Stuttgart, hatte schon Mitte der 90er-Jahre eine Warnung in den Wind geschlagen, dass es rund um den Hauptbahnhof fast sicher zu einer Eskalation kommen würde. Das Ergebnis ist bekannt.
Auf der anderen Seite des Tischs sitzen Profis der Baufirmen und reiben sich ob des Mangels an Qualifikation, Erfahrung und Koordination die Hände. Hört man sich bei erfahrenen Projektmanagern um, so geben die recht unumwunden zu, dass die wichtigste Abteilung eines Baukonzerns inzwischen die Rechtsabteilung ist, die Ausschreibungen nach Schwächen durchsucht.

Denn Fehler des Auftraggebers erlauben, die Rechnungen nach der Vergabe in astronomische Höhen zu schrauben. Nicht mehr die Baukunst an sich steht bei den Firmen also im Mittelpunkt, sondern Zahlendreherei und juristische Fingerspiele. Dass darunter auch die Qualität leidet, ist kaum überraschend. Und deshalb leidet auf Dauer der Ruf des gesamten Standortes Deutschland.
Wie das Spiel perfektioniert aussieht, lässt sich derzeit in Hamburg besichtigen, wo Kosten und Bauzeit der Elbphilharmonie explodieren – allein schon aufgrund von Rechtsstreits. In Dubai, Shanghai oder Kuala Lumpur setzen autoritäre Regime derweil Großprojekte am Fließband um. Das wirft ganz nebenbei die Frage auf, ob die Demokratie denn tatsächlich ein so robustes Erfolgsmodell ist. Damit die Antwort positiv ausfällt, müssen Politik und Verwaltung wieder besser werden. Und das heißt vor allem professioneller.

Wer mit Profis verhandelt, die nichts anderes machen, als Großprojekte umzusetzen, sollte selbst Experten haben, um auf Augenhöhe unterwegs sein zu können. Die Zahl der Verwaltungsmitarbeiter, die während ihres Berufslebens mehr als ein solches Projekt betreuen, hält sich in engen Grenzen; eine Stadt bekommt eben nicht häufig einen neuen Großflughafen oder Hauptbahnhof.

Eigentlich müssten Teams aufgebaut werden, die überall in der Republik zur Stelle sind, wenn Großprojekte geplant werden. Warum sollen diejenigen, die den Jade-Weser-Port erfolgreich bis zur Eröffnung gebracht haben, nun nicht auch den Ausbau des Stromnetzes managen? Allein, es scheitert an eifersüchtig gehüteten Zuständigkeiten.

Die Politik wird sich immer aus der Verantwortung zu ziehen wissen, weil Planungszyklen zu lang und Legislaturperioden zu kurz sind. Dann sollte sie wenigstens nicht pragmatischen Lösungen im Wege stehen, die verlangen, länderübergreifend zusammenzuarbeiten. Und auch für die Projektkontrolle sollte sie frühzeitig auf vorhandenen Sachverstand setzen.

Vielfach wäre schon das Schweigen der Politik ein Gewinn. Und wenn vielbeschäftige, aber fachunkundige Politiker die Aufsichtsratsplätze nicht regelmäßig aus Eitelkeit unter sich ausmachen würden, wäre das sicher auch ein Schritt zur Lösung des Problems.


Christoph Giesa arbeitet als Publizist und Unternehmensberater in Hamburg, war Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz, Initiator der Bürgerbewegung zur Unterstützung von Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat und Mitbegründer der linksliberalen FDP-Vereinigung "Dahrendorfkreis". Er schrieb das Buch "Bürger. Macht. Politik” (Campus-Verlag 2011). Das Zeitgeschehen kommentiert er in seinem "blog.christophgiesa.de" und als Kolumnist von "The European".
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