"Kosmos Runge"
Die Hamburger Kunsthalle beschäftigt sich anlässlich des 200. Todestages in einer umfassenden Retrospektive mit dem Maler Philipp Otto Runge. Die Ausstellung unter dem Titel "Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik" umfasst 35 Gemälde, mehr als 200 Zeichnungen sowie 50 Scherenschnitte und Schattenrisse.
Historisch ferne Bildwelten von nahezu überirdischer Schönheit: Genau in der Mitte der symmetrischen Komposition erhebt sich Aurora, die Göttin der Morgenröte - umgeben von Pflanzenornamenten und von "Genien", allegorischen Kinderfiguren, die Blumen streuen. Am unteren Rand liegt ein Neugeborenes, Symbol für den immer wieder beginnenden Lebenszyklus.
In zwei Fassungen liegt dieses farblich fein abgestufte Gemälde "Der Morgen” vor - Philipp Otto Runge wollte auch noch die anderen Motive seines grafischen Zyklus' "Die Zeiten" in Öl ausführen: den "Tag", den "Abend" und "die Nacht" - und für diese Großformate sogar ein eigenes Haus errichten lassen. Aber dazu kam es nicht mehr.
Ein Visionär mit kühnen Projekten, der von seinem Bruder Daniel finanziell unterstützt wurde. Schon am Eingang der Schau blickt uns der Romantiker entgegen. Kurator Andreas Stolzenburg:
"Man sieht den Selbstbildnissen meines Erachtens an, wie er stets auf der Suche war. Es gibt kein endgültiges selbstbewusstes Bildnis - vielleicht noch am ehesten das frühe von 1802, wo er sich mit Zeichenfeder dargestellt hat, mit programmatischer Bedeutung: 'So, jetzt geht's los!' Alle anderen Selbstporträts sind eher grübelnd und nicht von dieser 'barocken' Fröhlichkeit eines von sich selbst überzeugten Künstlers."
Er starb mit 33. Rund zehn Jahre hatte Runge noch vor sich, als er zeichnerisch ausgebildet und mit dem Malen vertraut war. In Hamburg hatte er zunächst Privatunterricht erhalten, von 1799 an studierte er an der königlichen Kunstakademie von Kopenhagen und wechselte dann nach Dresden. Caspar David Friedrich lernte er kennen, Ludwig Tieck und kam mit der Mystik Jakob Böhmes in Berührung.
Mit Runges noch ganz konventionellen Anfängen sind in der Kunsthalle mehrere Räume belegt: Unermüdlich kopierte er von Vorlagen und trieb Studien direkt in Ausstellungssälen. In Gipsnachbildungen begegnete ihm die Antike - aber er wurde zum künstlerischen Erneuerer: "Wir sind keine Griechen mehr, können das Ganze schon nicht mehr so fühlen, wenn wir ihre Kunstwerke sehen, viel weniger selbst solche hervorbringen...", so formulierte er seine Kritik.
Seelentiefe, Gefühlsstärke, Fantasie und göttliche Offenbarung - das waren Runges Ideale, als Gegenentwurf zu einem starren Klassizismus.
Stolzenburg: "Er möchte, dass Kunst nicht nur angeschaut, sondern gefühlt wird. Was ihn im tiefsten Inneren bewegt, beabsichtigt er in seine Bilder und Motive hineinzulegen und auf die Betrachter zu übertragen: diese Seelentiefe letztendlich."
Es entstanden religiös aufgeladene Bilder - auch wo keine biblischen Figuren wie Josef und Maria oder Petrus dargestellt wurden. Mitkurator Markus Bertsch:
"Eines seiner erklärten Ziele war, das an sich Undarstellbare, Göttliche, malerisch bewältigen zu können, ihm eine fassliche Form zu geben. Deshalb der lasierende Aufbau mit den übereinander gelegten Schichten, um eine bestimmte Lichtwirkung hervorzurufen, ein bestimmtes Bilderlebnis zu vermitteln und ein Gefühl, wie sich das Göttliche vielleicht visualisieren lässt. Obwohl man das nie erreichen kann - und er wusste von Beginn an, dass er das nie so umsetzen kann, aber es war ein Versuch, dem als Künstler gerecht zu werden."
Höhepunkte des Bilderspektrums sind auch in Hamburg die Porträts: ob es sich um die vom Leben gezeichneten Eltern handelt, um Ehefrau Pauline oder um Kinder, die in ihrer pausbäckigen Unschuld wie kleine Statuen wirken.
Studien und Entwurfszeichnungen belegen, wie sehr er an seinen Motiven gearbeitet hat, gerade auch an den Gemälden.
Andreas Stolzenburg: "Teilweise gibt es oft nur die Zeichnungen, weil es zur Umsetzung, zu anderen Formen - Stichen und Gemälden - gar nicht gekommen ist. Man muss bei ihm immer auf beides achten: die Gemälde und die Zeichnungen."
Ein Großteil der Zeichnungen und der berühmten Ölbilder gehört zum Hausschatz der Hamburger Kunsthalle, dazu kommen markante Leihgaben. Eine bessere Basis, um den "Kosmos Runge” zu vermitteln, ist kaum mehr möglich. Wobei das Wort Kosmos auf die Vielseitigkeit des Künstlers anspielt, der auch das Farbenspektrum analysierte, Buch- und Zeitschriftenillustrationen schuf, Motive für Theatervorhänge und für Segelschiffe, Spielkarten - und sogar Wohnzimmer-Gemälde, die mit ihrem geschwungenen unteren Rand genau die Sofa-Oberkante ergänzen.
In Hamburg spricht man von einem Hang zum "Gesamtkunstwerk". Nicht zu vergessen die Scherenschnitte mit oft idyllischen Motiven, die man ebenfalls ausführlich zeigt und die den Forschern, weil kaum datierbar, noch so viele Probleme bereiten.
Vor gar nicht langer Zeit hatte man sich in der Kunsthalle mit den Bildstrategien und Wirkungsabsichten von Caspar David Friedrich befasst. Doch die Motive von Friedrich sind Teil unserer kollektiven Bilderwelt geworden, sie funktionieren als Projektionsflächen für allgemeine Sehnsüchte und sind sofort identifizierbar, was von den Arbeiten Runges nicht im selben Maße behauptet werden kann.
Bertsch: "Die Bilderwelten von Friedrich erschließen sich einfach, Runges Werk dagegen erscheint erst einmal sperrig. Man muss sich darauf einlassen, auch auf die Vielzahl seiner Zeichnungen. Dann wird man aber auch die ungeheure Bandbreite seines Schaffens entdecken können."
Im zuweilen etwas freudlos wirkenden Sockelgeschoss der Hamburger Kunsthalle (Galerie der Gegenwart) präsentiert man die Fülle des Materials. Aber die sonst eher fahle Atmosphäre legt sich diesmal nicht über die Bilder. Eher ist es umgekehrt: Sie hellen die verzweigte Raumfolge gehörig auf. Was unbedingt für diese Kunst spricht.
In zwei Fassungen liegt dieses farblich fein abgestufte Gemälde "Der Morgen” vor - Philipp Otto Runge wollte auch noch die anderen Motive seines grafischen Zyklus' "Die Zeiten" in Öl ausführen: den "Tag", den "Abend" und "die Nacht" - und für diese Großformate sogar ein eigenes Haus errichten lassen. Aber dazu kam es nicht mehr.
Ein Visionär mit kühnen Projekten, der von seinem Bruder Daniel finanziell unterstützt wurde. Schon am Eingang der Schau blickt uns der Romantiker entgegen. Kurator Andreas Stolzenburg:
"Man sieht den Selbstbildnissen meines Erachtens an, wie er stets auf der Suche war. Es gibt kein endgültiges selbstbewusstes Bildnis - vielleicht noch am ehesten das frühe von 1802, wo er sich mit Zeichenfeder dargestellt hat, mit programmatischer Bedeutung: 'So, jetzt geht's los!' Alle anderen Selbstporträts sind eher grübelnd und nicht von dieser 'barocken' Fröhlichkeit eines von sich selbst überzeugten Künstlers."
Er starb mit 33. Rund zehn Jahre hatte Runge noch vor sich, als er zeichnerisch ausgebildet und mit dem Malen vertraut war. In Hamburg hatte er zunächst Privatunterricht erhalten, von 1799 an studierte er an der königlichen Kunstakademie von Kopenhagen und wechselte dann nach Dresden. Caspar David Friedrich lernte er kennen, Ludwig Tieck und kam mit der Mystik Jakob Böhmes in Berührung.
Mit Runges noch ganz konventionellen Anfängen sind in der Kunsthalle mehrere Räume belegt: Unermüdlich kopierte er von Vorlagen und trieb Studien direkt in Ausstellungssälen. In Gipsnachbildungen begegnete ihm die Antike - aber er wurde zum künstlerischen Erneuerer: "Wir sind keine Griechen mehr, können das Ganze schon nicht mehr so fühlen, wenn wir ihre Kunstwerke sehen, viel weniger selbst solche hervorbringen...", so formulierte er seine Kritik.
Seelentiefe, Gefühlsstärke, Fantasie und göttliche Offenbarung - das waren Runges Ideale, als Gegenentwurf zu einem starren Klassizismus.
Stolzenburg: "Er möchte, dass Kunst nicht nur angeschaut, sondern gefühlt wird. Was ihn im tiefsten Inneren bewegt, beabsichtigt er in seine Bilder und Motive hineinzulegen und auf die Betrachter zu übertragen: diese Seelentiefe letztendlich."
Es entstanden religiös aufgeladene Bilder - auch wo keine biblischen Figuren wie Josef und Maria oder Petrus dargestellt wurden. Mitkurator Markus Bertsch:
"Eines seiner erklärten Ziele war, das an sich Undarstellbare, Göttliche, malerisch bewältigen zu können, ihm eine fassliche Form zu geben. Deshalb der lasierende Aufbau mit den übereinander gelegten Schichten, um eine bestimmte Lichtwirkung hervorzurufen, ein bestimmtes Bilderlebnis zu vermitteln und ein Gefühl, wie sich das Göttliche vielleicht visualisieren lässt. Obwohl man das nie erreichen kann - und er wusste von Beginn an, dass er das nie so umsetzen kann, aber es war ein Versuch, dem als Künstler gerecht zu werden."
Höhepunkte des Bilderspektrums sind auch in Hamburg die Porträts: ob es sich um die vom Leben gezeichneten Eltern handelt, um Ehefrau Pauline oder um Kinder, die in ihrer pausbäckigen Unschuld wie kleine Statuen wirken.
Studien und Entwurfszeichnungen belegen, wie sehr er an seinen Motiven gearbeitet hat, gerade auch an den Gemälden.
Andreas Stolzenburg: "Teilweise gibt es oft nur die Zeichnungen, weil es zur Umsetzung, zu anderen Formen - Stichen und Gemälden - gar nicht gekommen ist. Man muss bei ihm immer auf beides achten: die Gemälde und die Zeichnungen."
Ein Großteil der Zeichnungen und der berühmten Ölbilder gehört zum Hausschatz der Hamburger Kunsthalle, dazu kommen markante Leihgaben. Eine bessere Basis, um den "Kosmos Runge” zu vermitteln, ist kaum mehr möglich. Wobei das Wort Kosmos auf die Vielseitigkeit des Künstlers anspielt, der auch das Farbenspektrum analysierte, Buch- und Zeitschriftenillustrationen schuf, Motive für Theatervorhänge und für Segelschiffe, Spielkarten - und sogar Wohnzimmer-Gemälde, die mit ihrem geschwungenen unteren Rand genau die Sofa-Oberkante ergänzen.
In Hamburg spricht man von einem Hang zum "Gesamtkunstwerk". Nicht zu vergessen die Scherenschnitte mit oft idyllischen Motiven, die man ebenfalls ausführlich zeigt und die den Forschern, weil kaum datierbar, noch so viele Probleme bereiten.
Vor gar nicht langer Zeit hatte man sich in der Kunsthalle mit den Bildstrategien und Wirkungsabsichten von Caspar David Friedrich befasst. Doch die Motive von Friedrich sind Teil unserer kollektiven Bilderwelt geworden, sie funktionieren als Projektionsflächen für allgemeine Sehnsüchte und sind sofort identifizierbar, was von den Arbeiten Runges nicht im selben Maße behauptet werden kann.
Bertsch: "Die Bilderwelten von Friedrich erschließen sich einfach, Runges Werk dagegen erscheint erst einmal sperrig. Man muss sich darauf einlassen, auch auf die Vielzahl seiner Zeichnungen. Dann wird man aber auch die ungeheure Bandbreite seines Schaffens entdecken können."
Im zuweilen etwas freudlos wirkenden Sockelgeschoss der Hamburger Kunsthalle (Galerie der Gegenwart) präsentiert man die Fülle des Materials. Aber die sonst eher fahle Atmosphäre legt sich diesmal nicht über die Bilder. Eher ist es umgekehrt: Sie hellen die verzweigte Raumfolge gehörig auf. Was unbedingt für diese Kunst spricht.