Korruptionsbekämpfung in Brandenburg

Untreue, Bestechung, Betrug

Symbolbild für Korruption
Symbolbild: Geldgeschenke für Gefälligkeiten © picture alliance / dpa / Foto: Jens Kalaene
Von Vanja Budde · 16.04.2015
Der Ex-Technikchef des Flughafen BER wurde wegen Bestechung verurteilt, in Neuruppin gab es organisierten Drogenhandel dank guter Verbindungen ins Rathaus. Korruption ist im Land Brandenburg vor allem ein Problem der Verwaltung.
Jeder Mausklick 500 Euro: Ein Zöllner ließ virtuell Lastwagen verschwinden. Sie hatten Ware aus China geladen und fuhren angeblich nur durch Brandenburg durch, zollfrei. Tatsächlich aber wurde die Ware hier im Bundesland abgeladen – und der Mann vom Zoll kassierte. Er wurde allerdings verpfiffen und landete für mehrere Jahre im Gefängnis.
Auf solche Insidertipps sind er und sein Team angewiesen, um Korruptionsfällen auf die Spur zu kommen, erzählt Oberstaatsanwalt Frank Winter. Er leitet in Neuruppin die Schwerpunktabteilung Korruptionsbekämpfung, die als eine der bundesweit ersten eingerichtet wurde. Sein größter Fall bisher: Die XY-Bande, die in und um Neuruppin mit Hilfe guter Verbindungen ins Rathaus und zur Polizei organisierten Drogenhandel und illegales Glücksspiel betrieb und Fontanes Geburtsstadt den unschönen Beinamen "Korrupin" einbrachte.
"Überall da, wo es spezielle Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung gibt, dort steigen die Zahlen. Das ist eben das Thema Kontrolldelikt. Wenn man hinguckt, findet man auch etwas. Das sind ja nicht nur wir allein. Uns gibt es seit 2001, aber seit 2005 gibt es die GEG Korruption, also die Gemeinsame Ermittlungsgruppe Korruption, mit dem Landeskriminalamt, dort eben auch spezialisierte Polizeibeamte, die ausschließlich Korruptionsdelikte bearbeiten, die ihr Handwerk natürlich verstehen. Dadurch ist man natürlich auch in der Lage, das eine oder andere aufzudecken, was sonst möglicherweise im Dunkelfeld hängen bliebe."
Und auch abgewehrte Korruption tauche in der Statistik auf, erklärt Winter. Untreue und Bestechung aufzudecken ist kompliziert, weil es kein konkretes Opfer gibt, das zur Polizei geht. Ohne Whistleblower wären die Staatsanwälte auch dem Referatsleiter im Potsdamer Finanzministerium nicht auf die Spur gekommen, der sich seit vergangenem Montag wegen Vorteilsnahme in 22 Fällen vor Gericht verantworten muss. Er soll Einladungen zu Reisen und Essen in schicken Restaurants angenommen haben.
Ein typischer Fall. Denn 80 Prozent der Bestechungsfälle in Brandenburg fliegen in der Verwaltung auf. Gisela Rüß von Transparency International:
"Auf bundesrepublikanische Verhältnisse übertragen sind das kleine Summen, aber es ist von der Zahl der Verfahren doch nicht unbeträchtlich."
Mit kleinen Geschenken "anfüttern"
Meist werden Verwaltungsbeamte behutsam mit kleinen Geschenken "angefüttert", erzählt Oberstaatsanwalt Winter. Erst später werden dann Gegenleistungen verlangt.
"Information ist in unserer heutigen Welt eine Ware. Wer gut informiert ist, kann das zu Geld machen. Es geht manchmal einfach darum, eine Information als Erster zu erlangen, aus der Verwaltung heraus: Was ist geplant? Wo steht ein Bebauungsplan an? Wo soll die neue Straße laufen? Gibt es einen Autobahnanschluss oder gibt’s den nicht und so weiter und so fort. Da sind unzählig viele Möglichkeiten denkbar."
Nun sind Brandenburgs Beamte nicht korrupter als andere, es gibt mehr Verfahren, weil genauer hingeschaut wird. Und der Anteil der Wirtschafts-Korruption ist deswegen so niedrig, weil es im dünn besiedelten, strukturschwachen Brandenburg an Industrie mangelt. Es gibt auch keine großen Bauvorhaben, bei denen sich der Rahm abschöpfen ließe, vom Pannenflughafen BER abgesehen. Der sei aber bislang nicht als Sumpf der Korruption aufgefallen, meint Winter. Vom Fall des ehemaligen Technikchefs Jochen Großmann abgesehen, der wegen Bestechlichkeit und Betrugs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und 200.000 Euro Geldstrafe verurteilt wurde.
Dennoch hat Transparency International jüngst den vor zehn Jahren geschlossenen Pakt mit der Flughafengesellschaft aufgekündigt. Die Zusammenarbeit könne unter den gegebenen Umständen nicht mehr funktionieren, begründet Gisela Rüß den Schritt der Korruptions-Bekämpfer.
"Das Chaos hat ein Ausmaß angenommen, das jeden, der dort einsteigt, eigentlich nur erschauern lassen kann. Und da sind mittlerweile so viele Ecken und Nischen, die man eigentlich nicht mehr übersehen kann."
Nicht Schmiergeldzahlungen, sondern Missmanagement
Das wahre Dilemma des BER seien aber nicht Schmiergeldzahlungen, sondern Missmanagement, betont Rüß. Sie war vor ihrem Posten bei der NGO für die Korruptionsbekämpfung in Brandenburg zuständig. Seit der Wende hat sich viel getan: Es gibt Anti-Korruptionsbeauftragte in fast jedem Rathaus und Fortbildungen für die Beamten. Generell sei das gesellschaftliche Klima auch weniger duldsam, sagt Rüß.
"Da sind in den ersten Jahren doch andere Dinge möglich gewesen, die heute nicht mehr möglich wären. Was Annahme von Geschenken angeht. Häufig ist es ja so, dass die Leute sich in dem Ort kennen. Wenn ein Auftrag zu vergeben ist, dann wäscht schon mal eine Hand die andere und dann kommt schon der Spruch: Haben wir doch immer so gemacht und warum sollen wir den Auftrag nach außen vergeben? Und es hat ja keinem geschadet, was ja auch nicht immer der Fall sein muss, denn in der Regel bezahlt ja jemand das Schmiergeld. Nämlich die Steuerzahler, die dann einen teuren Preis bezahlen müssen."
Korruption hat also nicht ein, sondern viele Opfer: Uns alle. Untreue, Bestechung und Betrug seien nicht nur auf Giftmülldeponien oder bei Gefahrentransporten brandgefährlich, meint Rüß: Korruption zersetze auf Dauer die Demokratie. Eine These, die auch Oberstaatsanwalt Winter teilt:
"Bei der Verwaltungskorruption ist es, glaube ich, fast noch klarer, das untergräbt einfach das Vertrauen des Bürgers in das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung. Es geht nicht mehr um Objektivität und Neutralität, sondern möglicherweise spielt da dann das eigene Portemonnaie die Grundlage für Verwaltungsentscheidungen. Das geht nicht. Und kann führen bis hin zu völliger Politikverdrossenheit, Wahlmüdigkeit. Und Korruptionsbekämpfung ist deswegen auch, das muss man immer wieder betonen, nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden allein, sondern es ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe."
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