Korrektur im Grundgesetz geplant

Der Begriff "Rasse" soll weg

06:09 Minuten
Ein dunkelhäutiger Mann hält während einer Demonstration ein Schild mit der Aufschrift "Meine Würde zählt" hoch.
Es gab viele Proteste gegen die Verwendung des Begriffs "Rasse" im Grundgesetz, denn menschliche "Rassen" existieren nicht. © imago images / Ralph Peters
Thorsten Faas im Gespräch mit Anke Schaefer · 21.10.2020
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Im Grundgesetz soll nicht mehr "Rasse" stehen: Justizministerin Lambrecht und Innenminister Seehofer arbeiten an einem Gesetzentwurf, um den Begriff zu ersetzen. Der Politologe Thorsten Fass begrüßt das und ist gespannt auf die neue Formulierung.
Die Bundesregierung will den Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz streichen. Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vereinbart. Das Vorhaben, das auf eine Initiative der Grünen zurückgeht, war in der Bundesregierung zunächst auf Widerstand gestoßen. Nun soll das Wort "Rasse" aus dem Grundgesetz gestrichen werden, der Schutz vor Rassismus aber bleiben. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) soll mit Seehofer einen Gesetzentwurf erarbeiten.
Artikel 3 des Grundgesetzes sieht vor, dass niemand wegen "seiner Rasse" benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Der Begriff "Rasse" gilt in der Wissenschaft heute aber als unangemessen. Trotz unterschiedlicher äußerer Merkmale lässt menschliches Erbgut sich nicht in Rassen aufteilen. Dass der Begriff 1949 in die Verfassung kam, war auch der Abgrenzung von nationalsozialistischem Rassenwahn geschuldet. Auch der Koalitionsstreit um die Rassismus-Studie bei der Polizei wurde gerade erst beigelegt.
Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der FU Berlin
Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der FU Berlin© picture alliance / dpa / privat / Thorsten Faas
Unser Studiogast, der Politologe Thorsten Faas verwies darauf, dass es gleichzeitig auch die Forderung nach einer Rassismus-Studie gebe, die mehr Klarheit darüber bringen soll, wie die Einstellungen bei Polizistinnen und Polizisten sind. Das sei eine "spannende Parallelität". Einerseits gebe es objektive Fakten, die zeigten, dass es nach dem Stand der Forschung gar keine "Rassen" gebe. "Das lässt sich aus biologisch-genetischer Sicht so nicht halten." Deshalb wolle man das auch nicht im Grundgesetz in die Zukunft fortschreiben. Aber das subjektive Phänomen, dass andere aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft diskriminiert würden, das sei natürlich präsent und allgegenwärtig.

Parallele Debatten

Die Debatte erinnere einen daran, dass ein solches Dokument, wie das Grundgesetz, "kontextspezifisch" entstanden sei, sagt Faas. Auch in den USA werde darüber diskutiert, wie puristisch eine Verfassung ausgelegt werden sollte oder ob sie aktualisiert werden müsse. "Insofern könnte man auch so argumentieren, im Grunde ist die Stoßrichtung dieses Grundgesetzartikels völlig klar und wir sehen darüber hinweg, dass dort etwas steht, was so in dieser Begrifflichkeit und in dieser Deutlichkeit eben wissenschaftlich nicht mehr haltbar ist."
"Es ist gewissermaßen eine symbolische Sache, von der wir hier reden", sagt der Politologe. Doch es gehe in eine Richtung derzeit, den "Fehler" korrigieren zu wollen. Bedenken von Juristen, dass die Formulierung nicht einfach zu ersetzen sei, teilt Fass. "Das ist nicht leicht, das zu spezifizieren." Man dürfe gespannt sein, welche Formulierung an diese Stelle trete.
(gem)

Thorsten Faas, geboren 1975 in Idar-Oberstein, ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Wahlforscher. Er ist Universitätsprofessor im Bereich "Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland" am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Faas ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft und des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Wahlforschung.

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