Konsumverhalten

Warum manche Shoppen lieben – und andere es hassen

Shoppen in Hamburg
Shoppen - für manche ein Lust, für andere eine Qual. © picture alliance / dpa / Foto: Daniel Bockwoldt
Von Maximilian Klein · 18.12.2017
Kaufen, kaufen, kaufen - in den Tagen vor Weihnachten brummt der Einzelhandel. Manche genießen das Shoppen, andere hingegen lehnen unnötigen Verbrauch ab. Wir waren mit einer Konsum-Genießerin und mit einem Konsum-Muffel unterwegs.

Der Konsum-Muffel

Auf der Friedrichstraße an einem grauen Dezembertag in Berlin-Mitte. Die Festtagsbeleuchtung ist bescheiden. Ein Gebäude aber glitzert. Mall of Berlin steht in goldenen Lettern über dem Eingang. Die letzte große Marketingkampagne des Konsumtempels war das Servieren des weltgrößten Döners. Hinter der Drehtür wartet ungeduldig Alexander. Ende Dreißig. Gebürtiger Franke.
"Beeindruckend. Für einen Haupteingang ist das echt erbärmlich. Es sieht tatsächlich aus, als wäre das hier so ein Nebeneingang. Mit einer Rolltreppe. Ich war noch nie hier."
Alexander ist studierter Bekleidungstechniker. Lacht gerne viel und laut. Redet gerne viel und laut. Was er nicht mag: shoppen.

Wenn es auseinanderfällt, wird es ersetzt

"Ich bin ein miserabler Konsument. Muss ich ganz ehrlich sagen. Es ist jetzt nicht so, dass ich nichts besitze oder so. Das ist nicht der Fall. Aber ich nutze immer alles bis zum Äußersten. Wenn es auseinanderfällt, dann wird es ersetzt. Aber ich könnte mich nicht erinnern, wann ich etwas ersetzt hätte, das noch funktionsfähig war."
Alexander wohnt aus Überzeugung in einer kleinen Wohnung mit Ofenheizung. Sein Laptop läuft noch mit dem zehn Jahre alten Windows Vista. Er besitzt kein Auto und schon gar kein moderndes Smartphone. Er kramt seines aus der Hosentasche. Ein altes iPhone.
"Es ist auf jeden Fall kaputt auf der Rückseite. Es ist ein Vierer. Ok. Es ist nicht das Erste."
Er gehört zu einer wachsenden Gruppe Menschen, die den ungebremsten Konsum ablehnen. Aber nicht, weil sie nicht kaufen könnten. Alexander hat einen festen Job. Und Spaß am Leben. Nur eben nicht beim Einkaufen. Seine Konsumverweigerung ist Kritik.
"Er geht aus meiner Sicht ein bisschen in die falsche Richtung. Weil, es geht nicht mehr darum, dass man Sachen ersetzt, die man neu braucht. Sondern es geht darum, dass man Sachen ersetzt, weil man etwas Neues möchte. Oder weil einem die Hersteller sagen, Mensch, kauf dir doch mal etwas Neues."

"Ich verfresse mein Geld"

Sind Miete, Gas, Strom, Telefon bezahlt, beginnt der Luxus. Alexander muss lange überlegen, wofür er sein Geld ausgibt.
"Essen. Also ich verfresse mein Geld, muss man ehrlicherweise sagen."
Die Mall of Berlin ist vollgestopft mit Läden. Essen und Kleidung. Bis unter das Dach. Jeder Laden ist perfekt ausgeleuchtet. Bis die Augen schmerzen. Überall dudelt andere Musik. Alexander wirkt wie ein Fremdkörper in dem Kaufhaus. Vor einem großen Schaufenster bleibt er stehen.
"Darf man es sagen?"
"Das ist Herr Lagerfeld."
"Ja. Kannst ja mal vorlesen, was da steht."
"Metal Signature Shopper. Das ist eine Tasche. Die Tasche ist ein bisschen größer als Din A4. Ist eine Umhängetasche. Mit einem langen und einem kurzen Riemen. Und vorne drauf ist ein großer Schriftzug Karl. Silber. Auf schwarzem Leder. 395 Euro. Oh, ich bin bei der falschen Tasche, sehe ich gerade. Die kostet 425 Euro. Weil, das ist die Shoulder Bag. Würde ich sagen, ist schon ziemlich üppig für eine reine, schwarze Tasche. Ich glaube von den 425 Euro sind mindestens 200 Euro alleine Karl."
"Also Du wirst da jetzt nicht schwach?"
"Nicht im Ansatz."
Durch ein Kaufhaus mit einem Konsumverweigerer zu ziehen, ist wie Schlachteplatte bestellen mit einem Veganer. Keiner kommt auf seine Kosten. Aber jeder wird mal schwach. Auch Konsummuffel Alexander. Er stoppt. Und fast zärtlich nimmt er eine Boxershorts von der Stange und überprüft fachmännisch die Verarbeitung der wichtigen Stellen.

Die Neugier siegt

"Also, hier wären wir bei einem Produkt, das heißt longlife Cotton. Was ich schon mal beeindruckend finde, weil, was longlife Cotton sein soll, ist mir noch nicht ganz klar. Aber sie ist definitiv schön gearbeitet. Das muss man lassen."
"Warum?"
"Du siehst tatsächlich unten bei allen Sachen, dass alle Nähte sehr schön an der Kante sind. Sie sind alle sehr gleichmäßig. Da sind keine Stiche dazwischen."
Alexander ringt mit sich. Aber am Ende gewinnt die Neugier. Und das Unterwäschefachgeschäft.
"Das interessiert mich tatsächlich. Ob dieses longlife Cotton tatsächlich longlife ist. Und deshalb werde ich mir eine longlife Cotton in schwarz, Größe Fünf jetzt zulegen. Wir sprechen uns dann wieder in einigen Jahren."
Frau geht durch ein Luxus-Shoppingcenter in München
Michaela ist immer auf der Suche: nach dem neusten Trend, nach dem nächsten günstigen Angebot.© dpa/picture alliance/Sebastian Gollnow

Die Konsum-Genießerin

314 Euro für Auto und Verkehr. Pro Haushalt und Monat. 252 Euro für Unterhaltung und Freizeit. 135 Euro für Hotels und Restaurants, 105 Euro für Kleidung. Tendenz steigend. Den Deutschen geht es gut. Sie ziehen los und tragen ihr Geld gerne in die Geschäfte und Onlineshops.
"Sehr gerne sogar. Ich vergleiche Preise. Und natürlich gehe ich auch gerne in die Mall of Berlin oder generell den Kudamm entlang. Oder auch in der Friedrichstraße. Aber ich genieße das Flair."
Michaela. Ende Dreißig. Arbeitet im Marketing. Ihren vollen Namen möchte sie nicht im Radio hören. Offen zu sagen: "Ich shoppe gern!", schickt sich nicht in unserer Gesellschaft. Trotz der heiß verehrten Carrie Bradshaw und ihrer konsumsüchtigen New Yorker Clique aus Sex and the City.
"Mhh, also das fing also schon ziemlich zeitig an. Schon mit 14 Jahren bin ich mit meinen Mädels, da haben wir unser Taschengeld zusammengespart, immer auf den Kudamm gefahren. Und haben dann alle Läden unsicher gemacht. Man wollte stylisch aussehen. Man hat sich in den Zeitschriften umgeguckt. Den neuesten Trend mitmachen."

Immer auf der Jagd nach neuen Trends

Die ewige Suche nach neuen Trends. Bei Michaela ein nachhaltiges Bedürfnis. Wie eine kleine Sucht treibt es Shopper wie sie in die Läden. Sie gehen auf Jagd. Tragen ihre Beute nach Hause. Michaela wohnt in einem Mietshaus, Altbau, unaufgeregter Stadtbezirk, irgendwo in Berlin. Und sie redet über sich und ihr Hobby: Geld ausgeben. Dann verschwindet sie kurz in einem Zimmer. Ohne, dass der Reporter ihren wohl sehr großen Kleiderschrank zu Gesicht bekommt.
"Ich hole mal die, das ist eine Handtasche. Ja. Also es ist etwas größer als ein Portemonnaie. Im Leopardenlook. Es hat eine Goldkette und einen schwarzen Henkel. Also sieht sehr heiß aus. Also sehr hot. Es ist auf alle Fälle ein Hingucker. Und mehr zum Ausgehen."
"Welche Marke?"
"Das würde ich jetzt nicht unbedingt sagen wollen. Es ist schon eine gute Marke."
"Dann sage ich es."
"Also, wie du möchtest, naja, ist ja nicht mein vollständiger Name drauf. Also Dolce & Gabbana, ja."
Auf dem Boden liegt noch ihre "Alltagshandtasche", wie sie sagt. Burberry. Beide haben einen Wert von mehreren Hundert Euro. Aber Geldverschwendung? Gar die Übersicht verlieren beim Shoppen? Michaela hat ein System, um das zu verhindern. Gelernt in einem Land, das das Wort Shopping gar nicht kannte. Die DDR.
"Ich habe mein Haushaltsbuch. Da schreibe ich alles rein, was ich ausgebe. Und ich sage mal so, ich lege mir auch Sachen weg, also für Reisen, da haben wir ein Budget zum Reisen. Dann auch so, was ich für Ausgaben habe. Also ich weiß schon, was ich für Ausgaben im Jahr habe."

Reparieren - warum?

Shareconomy. Eines der großen Schlagworte der letzten Jahre. Alles wird vermietet oder geteilt. Musik, Autos, Werkzeuge. Besitzen ist out. Selber herstellen. Und reparieren. Liegt voll im Trend. Jedenfalls auf YouTube.
"Nee, also ganz ehrlich, wenn ein Loch in der Socke ist, schmeiße ich die Socke weg. Es sei denn, es ist von meiner Tochter ein Lieblingsspielzeug oder Ähnliches. Dann wird es mit zu Oma oder Opa genommen. Und der Opa repariert das. Aber ich selber bin jetzt nicht so der Bastelfreak."
Shoppen. Geld ausgeben. Man hat ja nie irgendetwas zum Anziehen. Oder das Richtige im Kühlschrank. Oder die passende Reise. Der Fluss der Sehnsucht und Wünsche ist unerschöpflich. Auch bei Michaela.
"Na, einen Audi würde ich gerne mal haben wollen."
Mehr zum Thema