Überkonsum
Müssen es an Weihnachten immer Geschenke sein – oder lässt sich der Geist des Schenkens auch auf andere Weise ausdrücken? © imago / Arnulf Hettrich
Wie kommen wir da wieder raus?

Nach den Feiertagen bleiben oft nicht nur schöne Erinnerungen zurück, sondern auch Stapel von Geschenken - und die Frage, warum immer mehr kaufen sich so leer anfühlt. Doch wie ausbrechen aus einem Wirtschaftssystem, in dem Konsum als Motor gilt?
Auf Tiktok trendete zu Jahresbeginn #nobuyyear – das „-Nichts-kaufen-Jahr“. Der Trend zeigt auch, dass weniger Konsum für viele etwas Schwieriges, Belastendes zu sein scheint.
Konsum erfüllt, zumindest vermeintlich, viele Bedürfnisse: nach Zugehörigkeit, Identität, Genuss und wir empfinden Lust dabei, sagt Viola Muster, Sozialwissenschaftlerin für Nachhaltigkeit an der Technischen Hochschule Erfurt.
Viele Leute shoppen gerne, empfinden einen Schaufensterbummel, ob online oder im Laden, als ablenkend und erholsam, sagt die Konsumforscherin Sabrina Helm an der Universität von Arizona, USA.
Doch Menschen, die weniger konsumieren, sagen: Es tue ihnen gut. Tatsächlich gibt es zahlreiche Hinweise, dass ein Übermaß an Konsum und die Aneignung von Konsumgütern auf individueller Ebene mit Risiken einhergingen oder sogar psychisch belastend sein können.
Inhalt
Warum schadet uns persönlich Überkonsum?
An Weihnachten mit Geschenken über die Strenge zu schlagen und sich schöne Dinge zu gönnen, findet Viola Muster „absolut in Ordnung“. Viel problematischer sei der Überkonsum „als kollektiver Normalzustand im Rest des Jahres“, sagt die Forscherin der Fachhochschule Erfurt.
Zu viel Konsum kann Menschen nicht nur überfordern, sondern geht auch mit handfesten Risiken einher: Überschuldung durch unwirtschaftliche Haushaltsführung etwa, ernährungsbezogene Krankheiten oder Suchtverhalten.
Überfluss kostet nicht zuletzt Zeit - fürs Kaufen, Auspacken und Verstauen – die dann für andere Dinge fehle. Was Menschen glücklich mache, sei aber etwas anderes, sagt Muster. Dinge zu genießen, sie wirklich wahrzunehmen und sich Zeit für den Austausch mit anderen zu nehmen.
Wo liegen die gesellschaftlichen Risiken des Zuviels?
Deutschland verbrauche ungefähr dreimal so viele ökologische Ressourcen wie dem Land, gemessen an der Bevölkerung, zur Verfügung stehen würde, wenn es weltweit fair verteilt würde, sagt Muster. Vor allem im globalen Süden, aber auch in Deutschland, seien der Rückgang der Artenvielfalt und der Biodiversität oder die Überdüngung der Böden als soziale und ökologische Auswirkungen von Überkonsum schon heute sichtbar.
Seit rund 20 Jahren wird zudem der Erdüberlastungstag berechnet, der anzeigen soll, ab welchem Tag im Jahr die natürlichen Ressourcen der Erde verbraucht sind. Deutschland hat diesen Zeitpunkt 2025 bereits Anfang Mai erreicht.
Ist das Anprangern von Überkonsum weltfremd?
Schaut man auf die sozialen Medien, scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Die Konsumforscherin Sabrina Helm sieht in freiwilligem Konsumverzicht eine Art von Gesellschaftskritik. Das könne zufriedenstellend sein, erläutert Helm, die sich an der Universität of Arizona mit Überkonsum und Nachhaltigkeit beschäftigt.
Denn: „Wenn mir Umwelt, Natur und Klimaschutz wichtig sind, passt Konsumverzicht zu meiner Identität“. Über die sozialen Medien ließen sich die eigenen Werte kommunizieren. Die Selbstdarstellung als Gegner der dominanten Konsumkultur stärke die eigene Unabhängigkeit und Selbstbestimmung – „für viele ist das emotional wichtig“.
Bewusst konsumieren heiße zunächst einmal sparen, sagt Helm. Entscheidend sei, ob der Konsum nur in die Zukunft verschoben werde oder nicht.
Ein weiterer Aspekt des Konsumverzichts ist das sogenannte Moral Licencing, bei dem Menschen ausschließlich grüne Produkte kaufen, die Überreste optimal recycleten oder nur Second Hand Klamotten kauften - und sich dann als „verbliebene Sünde“ den Trecking Urlaub im Himalaya gönnten. Ob die Rechnung aus Klimaperspektive am Ende aufgeht, hängt davon ab, wie stark sich der Energieverbrauch insgesamt reduzieren lässt.
Meistens ginge es bei Konsumverzicht bislang darum, weniger zu kaufen oder weniger zu reisen, sagt die Konsumforscherin. Digitaler Konsum hingegen, etwa durch Streaming oder die energieintensive Nutzung von KI-Tools, werde bislang noch nicht reflektiert.
Wie befreit man sich aus der Mühle?
Nicht am Wissen hapere es, sondern am Handeln, sagt Viola Muster. Doch woran liegt das? Wir lebten in einer Konsumgesellschaft und der Einzelne allein könnten es nicht schaffen, sagt Muster. Es brauche ein Zusammenspiel aus dem Handeln Einzelner und veränderten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen.
Die Sozialwissenschaftlerin spricht sich für Suffizienz aus, d.h. für kritische Selbstreflektion und Genügsamkeit. Dabei geht es auch um das Kennenlernen eigener Lebenswünsche, erläutert Muster.
Als Beispiel schildert sie die Reaktion älterer Menschen, die freiwillig an einem Forschungsprojekt teilgenommen hatten. Sie bewohnten volle Häuser, während die Kinder längt ausgezogen waren und die Ehepartner teils schon verstorben waren.
„Was soll ich mit dem ganzen Zeug?“ fragten sie sich. „Ich brauche das nicht, das belastet mich.“ Das bewusste Aussortieren von Dingen könne dazu beitragen, zukünftig bedarfsgerechter und effizienter zu konsumieren, bilanziert die Sozialwissenschaftlerin für Nachhaltigkeit.
An Weihnachten gehören Geschenke dazu, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Warum nicht einmal wichteln und ein Budget festlegen? Jeder beschenkt nur eine Person - das spart Geld und Druck. Oder Geld sammeln und gemeinsam spenden, zum Beispiel für ein soziales Projekt, das allen gefällt.
Eine andere Idee wäre es, Patenschaften zu verschenken. Da bekommt man meistens ein paar Monate später noch eine Kleinigkeit zurück. Oder man schreibt seinen Lieben einen Brief oder schickt eine lange Weihnachts-WhatsApp – und sagt, was man während des Jahres sonst eher selten ausspricht.
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