Konstruktiver Journalismus

Die Leser inspirieren − statt sie zu ängstigen

Die Tastatur einer alten Schreibmaschine.
Die Tastatur einer alten Schreibmaschine. © imago / McPHOTO
Von Philip Banse · 07.03.2016
"Perspective Daily" heißt ein Zeitungsprojekt aus Münster, das mit guten Nachrichten gegen den Strom schwimmen will. Dahinter steckt das Konzept eines "konstruktiven" Journalismus, der Probleme nicht nur beschreibt, sondern auch auch Lösungsvorschläge präsentiert.
(Crowdfunding-Spot von "Perspective daily") "Hallo, wir sind Maren, Han und Bernhard von Perspective Daily..."
"Perspective Daily" ist das Projekt von drei jungen Wissenschaftlern und Autoren aus Münster. Aktuell läuft ihre Crowdfunding-Kampagne. Wenn gut eine halbe Million Euro in die Kasse kommen, soll es losgehen mit dem ersten deutschen Magazin, dass sich dem konstruktiven Journalismus verschreibt.
"Was mir die Nachrichten bieten, sind reißerische Überschriften, Skandale und einzelne Ereignisse. Aber das hilft mir nicht, zu verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Und vor allem sagt es mir nicht, wie man es besser machen kann. Für mich ist konstruktiver Journalismus ein kritischer, unabhängiger Journalismus, der sein Erkenntnisinteresse auf Lösungen, auf die Recherche von Lösungen richtet."
... sagt der Journalist und Autor Michael Gleich, der gerade eine Beilage für das Fachmagazin "Journalist" über konstruktiven Journalismus erstellt.

Mehr als Drama und Verbrechen

Die traditionelle Medien-Maschinerie sei ganz auf Skandale und Probleme ausgerichtet, kritisiert Ulrik Haagerup, Direktor der Nachrichten im dänischen Fernsehen und Autor des Buchs "Constructive News - Warum "bad news" die Medien zerstören".
"Wir denken, die einzigen guten Geschichten sind Geschichten die von Konflikten, Drama, Verbrechern und Opfern handeln. Das ist der Grund, warum zum Beispiel Donald Trump so erfolgreich ist, denn er bedient genau diese Mechanismen, liefert Konflikte, Drama, Verbrecher und Opfer."
Die Idee des konstruktiven Journalismus, eines Journalismus also, der nicht nur Probleme beschreibt, sondern auch Lösungsvorschläge präsentiert, diese Idee ist schon ein paar Jahre alt. Internationale Medien wie der britische "Guardian" veröffentlichen zunächst einzelne Artikel und Projekte, dann richteten Zeitungen wie die Washington Post und die New York Times ganze Rubriken für konstruktiven Journalismus ein. Die Huffington Post nannte die Rubrik "Good News", der damalige Chef Jimmy Maymann sagte vor einem Jahr:
"Wir sehen einen großen Markt, unser konstruktiver Journalismus ist sehr erfolgreich, weil Leute sich einmischen. Wenn ISIS Menschen köpft, berichten wir das natürlich. Aber wenn wir berichten, dass ein kleines Business in Afrika erfolgreich ist trotz schwieriger Umstände, fühlen sich die Leute gut, wollen wissen, wie das geklappt hat, wollen Ideen übernehmen, sie sind inspiriert."
Diese positive, konstruktive Energie würde bei Lesern und Zuschauern nicht ausgelöst, wenn Medien wie bisher den Schwerpunkt allein auf Unglücke, Skandale und Miseren legten, so der konstruktive Journalist Michael Gleich:
"Das, was ausgelöst wird in den Zuschauern ist natürlich Entmutigung, ist Angst, ist Kraftlosigkeit einer ganzen Gesellschaft."

Die Fragen lauten: Was jetzt? Und wie?

Konstruktiver Journalismus sei ein Journalismus für Morgen, komplettiere das Weltbild, das Journalisten zeichnen, sagt Buch-Autor Haagerup. Natürlich könne er im dänischen Fernsehen über Terroranschläge nicht von der ersten Minute an konstruktiv berichten, aber nach einigen Tagen gesellten sich zu den klassischen Fragen von was, wo und wer die Frage nach dem "was jetzt?" "Und wie?"
"Construktive journalists add to that: What now? And how?"
Mittlerweile findet sich dieser Ansatz in vielen Berichten traditioneller Medien – auch in Deutschland. Wie kann die Gesellschaft produktiv mit Zuwanderung umgehen? Wie kann Geflüchteten geholfen werden? Welche Chancen bietet der Kampf gegen den Klimawandel?
"Erste Zahlen deuteten darauf hin, dass positive Berichterstattung ein Marktvorteil sein kann", schreibt der Medien-Professor Tobias Hochscherf in einem Beitrag für das Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk. Doch einen grundlegenden Wandel des Rollenbildes sieht er nicht, denn: "Selten sind Journalisten die besseren Politiker oder Manager." Das müssten sie auch nicht sein, entgegnet Ulrik Haagerup. Dennoch sei konstruktiver Journalismus kein Marketing, um neue Formate zu verkaufen:
"Es geht darum, zum Kern zurückzukommen. Es geht darum eine Diskussion zu entfachen unter Journalisten und Menschen, die sich um die öffentliche Debatte sorgen, die kreist um die Frage: Wie können wir besser werden?"
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