Bundespressekonferenz

Der Stammtisch der Hauptstadtpresse

Bundespressekonferenz in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundespressekonferenz in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel © dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Von Johannes Nichelmann · 07.03.2016
Journalisten laden ein, die Sprecher der Bundesregierung erscheinen. Dieses weltweit einmalige Konstrukt heißt Bundespressekonferenz. Unterhaltsam wird es bei der mitunter etwas drögen Veranstaltung, wenn bewusst besonders nervige Fragen gestellt werden - und zwar jede Woche mehrmals.
"Beginnen wir gleich mit der Fragerunde."
Dreimal die Woche treffen Medien und Politik ganz offiziell aufeinander. Immer montags, mittwochs und freitags um 11:30 Uhr im Saal der Bundespressekonferenz. Welche Rolle spielt die Institution im Verhältnis von Bundesregierung und Journalisten? Ich treffe meinen Kollegen Falk Steiner vom Hauptstadtstudio des Deutschlandradios.
Falk Steiner: "Die BPK so ganz abstrakt gesprochen ist der Ort, an dem man relativ gut vertiefende Nachfragen zu eben Interviews etc. pp. stellen kann. Wo man auch Erläuterungen bekommt und gleichzeitig auch mitkriegt, wie sich manchmal auch gewunden wird bei bestimmten Themen. Das ist für mich sehr aufschlussreich."
Ein Ort, um im Tagesgeschäft auszuloten, was welche Politikerin, was welcher Politiker mit der Aussage vom Wochenende vielleicht wirklich gemeint hat. Für den Journalisten Tilo Jung reicht das nicht aus. Er und sein Kollege Alexander Theiler kritisieren den Hauptstadtjournalismus, haben mit "Jung und Naiv" ein Gegenangebot gestartet. Auf ihrer Website und in den sozialen Medien veröffentlichen sie die Bundespressekonferenzen unter Titeln wie "Konzeptlose Konzepte", "Totaler Eiertanz" oder "Jetzt wird zurückgefragt".
Tilo Jung: "Ich glaub nicht, wenn ich jeden Tag auf die Webseiten oder in die Zeitung gucke, dass es hier wirklich um die grundlegenden Fragen geht. Also die sehe ich nicht."
Alexander Theiler: "Wir versuchen, die Themen halt nicht durch die Politiker setzen zu lassen."

Dem PR-Sprech nicht auf den Leim gehen

Es geht zu selten um die Inhalte.
Tilo Jung: "Eine Frage noch zur US-Reise. Verurteilt die Bundesregierung die Atomraketentests der Amerikaner?"
Sawsan Chebli: "Die Atomraketentests der Amerikaner?"
Tilo Jung: "Ja."
Sawsan Chebli: "No Comment."
Tilo Jung: "Warum?"
Bei den Fragen von Tilo Jung entstehen häufiger solche Pausen. Tilo Jung nervt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dennoch hat er es mit seinem Format geschafft, die Bundespressekonferenz einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Er und sein Team leben von der Aufmerksamkeit der User, dementsprechend zugespitzt sind seine Fragen und die vielen Clips, die er ins Netz stellt. Tilo Jung lässt oft den Eindruck entstehen, nur er würde die wirklich wichtigen Fragen stellen, nur er gehe dem PR-Sprech der Bundesregierung nicht auf den Leim.
Dieter Wonka: "...diese Witzveranstaltung hier abbrechen. Das ist doch, das ist doch Kokolores hoch drei."

"Journalismus darf nicht berechenbar werden"

Dieter Wonka ist Hauptstadtkorrespondent für das "RedaktionsNetzwerk Deutschland", Teil der Madsack Mediengruppe. Dieter Wonka hat BPK-Geschichte geschrieben. In einer Zeit, in der Regierungskrisen noch vom Doktor-Titel eines Verteidigungsministers ausgelöst wurden. Karl Theodor zu Guttenberg ließ ausrichten, dass er zeitgleich zur BPK vor ausgewählten Medienvertretern in seinem Ministerium eine Erklärung abhalten würde. Da platzte Dieter Wonka der Kragen. Am Ende haben beinah alle Journalisten den Saal verlassen.
Dieter Wonka: "Der Journalismus muss sich, darf nicht berechenbar werden. Man muss versuchen die Leute zu überführen, die Antworten nur so geben wollen, wie sie es sich vorgenommen haben. Unsere Aufgabe ist es herauszufinden, was wollten sie eigentlich nicht sagen."
"Ich kann auf die Frage nichts sagen. Ich auch nicht."
Eine Szene aus dem vergangenen Sommer.
Dieter Wonka: "Heißt das, die Bundesregierung weiß nicht, ob deutsche Sicherheitsdienste den Endverbleib gelieferter deutscher Waffen an die Kurden auf dem akuten Beobachtungsradar hat? Ich dachte, Sie wollten widersprechen, Herr Streiter!"
Georg Streiter: "Nein, ich sagte nur, ich weiß darüber nichts."
Dieter Wonka: "Sie sind doch Sprecher der Bundesregierung."
Georg Streiter: "Ja, aber ich weiß es nicht."
Dieter Wonka: "Die Bundesregierung weiß es also nicht."
Georg Streiter: "Ich glaube, auch wenn wir es wüssten, würden wir es Ihnen nicht sagen."
Dieter Wonka: "Aha."
Momente, die es selten in die Abendnachrichten schaffen. Eines der größten Probleme der Bundespressekonferenz aber ist ihr Name. Es klingt so, als sei dies eine Veranstaltung der Bundesregierung. Es sind aber die Hauptstadtjournalisten selbst, die einladen.

Die BPK ist ein einmaliges Konstrukt

Anders als der Sprecher von beispielsweise US-Präsident Obama, können Steffen Seibert und seine Kollegen nicht einfach gehen, wenn ihnen die Fragen unpassend erscheinen. Sie sind zu Gast. Weltweit ein einmaliges Konstrukt. Steffen Seibert:
Steffen Seibert: "Ich glaube manche bemitleiden mich ein bisschen, dass ich da dreimal die Woche eine Stunde, anderthalb Stunden Rede und Antwort stehen muss. Ich erkläre ihnen das dann immer, dass das auch für mich als Regierungssprecher und auch für meine Kollegen in den Ministerien, ja, eine unheimlich gute Übung ist."
Der Saal der Bundespressekonferenz ist oft nicht einmal ansatzweise gefüllt. Was nicht am Desinteresse der Hauptstadtjournalisten liegt sondern daran dass die meisten das Geschehen von ihren Bildschirmen im Büro aus verfolgen und ihre Fragen den Kollegen mitgeben. Die Bundespressekonferenz ist ein Instrument für die Journalistinnen und Journalisten, um an Informationen zu kommen. In diesem Jahr erreicht die BPK das Rentenalter. Vielleicht der richtige Zeitpunkt, sich Konzepte zu überlegen, um als kritisches Instrument in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.
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