Konjunkturexperte: EU muss über Umschuldung nachdenken

Michael Bräuninger im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Der Euroraum ist nach Meinung des Hamburger Konjunkturexperten Michael Bräuninger nicht in seiner Stabilität gefährdet. Ein Ausscheiden einzelner Länder aus der Währungsunion hätte aber fast zwangsläufig deren Insolvenz zur Folge.
Gabi Wuttke: Mehr Geld für den EU-Rettungsschirm, und zwar schon im Februar. Das forderte gestern der EU-Kommissionspräsident. Und das, kurz nachdem der Euro-Wackelkandidat Portugal neue Staatsanleihen recht gut verkaufen konnte. Was die spanische Regierung sich für den heutigen Tag erhofft. Um 7:51 Uhr begrüße ich im Deutschlandradio Kultur Professor Michael Bräuninger vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut. Ich grüße Sie, guten Morgen!

Michael Bräuninger: Ja, guten Morgen!

Wuttke: Kann die spanische Regierung wie gestern wohl Portugal heute auch auf China und Japan setzen?

Bräuninger: Ja, man muss das abwarten. Also zum einen ist nicht ganz klar, wie viel denn tatsächlich gestern China, Japan mit eingesetzt haben. Gestern ging es auch um eine vergleichsweise kleine Summe. Man muss abwarten, wie heute die Märkte reagieren, inwieweit sie davon überzeugt sind, dass auch Spanien in der Zukunft im Euroraum sein wird oder auch Spanien seine Schulden zurückzahlen kann. Ich bin relativ optimistisch, dass das klappen wird. Ich denke, China und Japan haben ja auch ein Signal gegeben, dass auch diese Länder die Eurostaaten unterstützen beziehungsweise langfristiges Vertrauen haben. Insofern glaube ich, das überzeugt auch die Märkte.

Wuttke: Das heißt, wie wichtig sind China und Japan für den Euroraum?

Bräuninger: Ich denke, das Ganze hat ein Signal gegeben. Also zum einen geht es tatsächlich um erhebliche Investitionsvolumen, insbesondere von China, aber auch Japan ist durchaus bedeutend, zum anderen ist es ein Signal, dass diese beiden großen und wichtigen Länder auch in den Euroraum Vertrauen haben, und insofern glaube ich, ist das wichtig für die Märkte.

Wuttke: Was ist denn für Sie mit Blick auf eine Stabilisierung der Eurozone derzeit wichtiger – dass Portugal sich erst mal erfolgreich dem Rettungsschirm widersetzt hat oder dass Spanien mit Portugal wiederum nicht vergleichbar ist, weil ein viel größeres Euroland?

Bräuninger: Ja, man muss zwischen den beiden unterscheiden. Gestern, wie gesagt, ging es um eine kleine Summe von einem kleinen Land, Spanien ist sehr viel größer, sehr viel bedeutender, hat letztlich auch noch größere Strukturprobleme, hat diese Immobilienkrise zu verkraften, hat eine noch sehr viel höhere Arbeitslosigkeit. Insofern ist Spanien noch mal ein etwas größerer und härterer Fall. Insofern ist das heute der eigentliche Test.

Wuttke: Das heißt, was wird sich Ihrer Meinung nach heute genau beweisen?

Bräuninger: Ja, zunächst mal wird sich beweisen, wie zu der Zeit das Vertrauen der Märkte in die Eurozone ist, in den Bestand der Eurozone, und wenn heute die Zinsen für spanische Anleihen sehr stark nach oben gehen würden, müsste man sicherlich im Euroraum noch mal wieder über verstärkte Maßnahmen nachdenken oder müsste überlegen, wie man das Ganze stabilisieren kann.

Wuttke: Gestern für Portugal ging es ja mit den Zinsen ziemlich glimpflich ab.

Bräuninger: Ja, das Ganze ist auf einem relativ niedrigen Niveau geblieben, ich denke, das ist aber durchaus das angemessene Niveau. Wir hatten ja zwischendurch auch sicherlich Übertreibungen an den Märkten, wir hatten eine Überbewertung der Risiken, denke ich, insofern ist das Ganze eher als eine Normalisierung anzusehen.

Wuttke: Wie groß ist eigentlich das Haltbarkeitsdatum für Sie, was die Meinung der Finanzmärkte anbelangt? Man hat manchmal ja den Eindruck, von einem Tag auf den anderen ändert sich die Meinung da grundlegend.

Bräuninger: Ja, das ist tatsächlich so, dass das hier sehr stark meinungsgetrieben ist, dass das hier sehr starke Stimmungsschwankungen geben kann. Niemand will der Letzte sein – das heißt, wenn die Märkte das Gefühl haben, dass alle anderen das Risiko höher bewerten, wird man sofort das Risiko auch selbst höher bewerten und als Erster da den Ausstieg suchen. Insofern kann es hier innerhalb von sehr, sehr kurzer Zeit sehr radikale Änderungen geben. Das Ganze hängt also sehr stark an den Erwartungen, und nicht nur an der Erwartung auf die eigene Stabilität, sondern auf die Erwartung, was andere Leute über die Stabilität erwarten.

Wuttke: Wenn wir mal bei der Signalwirkung bleiben, was ist das denn für ein Zeichen gewesen, wenn der EU-Kommissionspräsident gestern Portugal und Spanien lobt und gleichzeitig mehr Geld für den EU-Rettungsschirm haben will?

Bräuninger: Ja, in gewisser Weise ist das erstaunlich, ich glaube auch nicht, dass er das ernst überhaupt gedacht hat, dass jetzt alle Länder sofort zustimmen. Ich vermute, es sollte ein Signal sein, wenn es denn schlimm kommt und wenn jetzt die Märkte nicht das Vertrauen haben, wird Europa noch weitere Maßnahmen ergreifen.

Wuttke: Aber kann man sich ungeschickter anstellen?

Bräuninger: Ich halte das auch nicht für sehr geschickt – inwieweit das die Märkte überzeugt, werden wir heute sehen.

Wuttke: Wie steht denn der Euroraum derzeit für Sie da?

Bräuninger: Der Euroraum als Ganzes ist sicherlich nicht stärker betroffen als die USA zum Beispiel. Der Euroraum als Ganzes ist auch nicht übermäßig verschuldet, es sind einzelne Länder, die in besonderen Problemen sind. Da haben wir die Schuldenprobleme, aber wir haben vor allen Dingen auch die Strukturprobleme der Länder, das betrifft insbesondere Spanien mit der sehr, sehr hohen Arbeitslosigkeit. Und hier setzt die Spekulation ein, dass letztlich diese Länder auch aus dem Euroraum ausscheiden könnten, um abzuwerten. Und in dem Moment, wo diese Länder aus dem Euroraum aber ausscheiden würden, wäre die Staatsinsolvenz fast zwangsläufig, denn die neuen Währungen würden stark abwerten gegenüber dem Euro, die Schulden sind in Euro, die Länder könnten dann die Schuldendienste sicherlich nicht bedienen. Insofern ist das Ganze auch eine Spekulation darauf, dass der Euroraum auseinanderbricht.

Wuttke: Das heißt, eine groß angelegte Umschuldung wäre für Sie der Weg nicht?

Bräuninger: Längerfristig muss man darüber nachdenken, dass man das Ganze stabilisiert. Dabei ist ein ganz wesentlicher Aspekt, dass wir noch immer eine Finanzkrise haben, dass die Banken noch immer nicht aus den Problemen raus sind. Wenn wir jetzt eine sehr große Umschuldungsaktion vornehmen würden, könnte das sicherlich erst mal noch die Banken betreffen. Das heißt also, wenn es zum Beispiel zu Abschreibungen käme, dann könnte das sicherlich noch mal die Finanzkrise verstärken und damit auch eine Gefahr einer Rezession bedeuten.

Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Professor Michael Bräuninger vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!

Bräuninger: Ja, Ihnen auch, danke!
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