Konflikt in Syrien

Eine Allianz gegen Assad

Mitglieder der deutsch-syrischen Solidaritätsorganisation "Adopt a Revolution"und andere Demonstranten protestieren am 05.04.2017 vor der russischen Botschaft in Berlin gegen den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien. Der Protest richtet sich auch gegen die Unterstützung der Assad-Regierung durch Russland. Foto: Maurizio Gambarini/dpa | Verwendung weltweit
Protest vor der russischen Botschaft in Berlin gegen Assads Kriegsführung © dpa
Von Carsten Kühntopp · 15.04.2017
Assads Krieg destabilisiert auch Europa. Nach dem Giftgasangriff in Khan Sheikun wird er auch für Putin zur Belastung. Trumps außenpolitische Kehrtwende war somit richtig. Zur Absetzung des syrischen Machthabers muss sie jetzt strategisch vertieft werden, sagt unser Kommentator Carsten Kühntopp. Doch ohne Russland geht das nicht.
Dies ist die wohl wichtigste Nachricht der Woche: Im Weltsicherheitsrat hat Russland eine unabhängige Untersuchung des Giftgasangriffs auf das syrische Khan Sheikhun verhindert. Es war bereits das achte Veto, das Russland zum Schutz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad einlegte. Damit ist klar: Die russische Version dessen, was sich am 4. April in dem Ort im Nordwesten Syriens abspielte, war frei erfunden. Der Kreml selbst hatte kein Vertrauen darin, dass unabhängige Experten diese Version bestätigen würden. Russland blockierte eine Untersuchung deshalb, weil es in Khan Sheikhun etwas zu verbergen hat.

Assad wird zur Belastung für Putin

Mit seinem Veto hat sich Russland international weiter isoliert. Die Unterstützung für Assad wird für den Kreml immer mehr zu einer Belastung. Während seines Besuchs in Moskau ist der amerikanische Außenminister Rex Tillerson den Russen keinen Schritt entgegengekommen. Stattdessen machte er ihnen deutlich, dass der Preis für ihr Festhalten an Assad immer weiter steigt. Vor dem Giftgasangriff hieß es aus Washington sinngemäß, man müsse sich damit abfinden, dass Assad Präsident Syriens sei und wohl auch bleibe. Jetzt, nach dem Angriff, nannte US-Präsident Donald Trump Assad ein "Tier", und Tillerson unterstrich in Moskau, dass die Tage des Assad-Clans gezählt seien.
Aus Sicht des syrischen Machthabers hingegen hat sich der Giftgasangriff gelohnt. Denn er hat die russischen Hoffnungen auf bessere Beziehungen mit den USA zunichte gemacht und zwang Kreml-Chef Wladimir Putin zu einem Schulterschluss mit Damaskus. Der syrische Tyrann tanzt also seinem Verbündeten weiter auf der Nase rum und führt ihn vor, der Schwanz wedelt mit dem Hund.

Die Wende der amerikanischen Außenpolitik

Die Wende der amerikanischen Regierung in Sachen Syrien war atemberaubend und hat politische Partner und Gegner gleichermaßen verwirrt. Die andere Seite über die eigenen Absichten und Ziele im Unklaren zu lassen, ist zunächst nicht falsch. Weil sich der Kreml momentan nicht sicher sein kann, wie die amerikanische Syrien-Politik aussieht, dürfte er zunächst vorsichtiger agieren; das ist gut so. Auch das Kalkül von Assad, dass er den Krieg auf dem Schlachtfeld entscheiden wird, ist nun durcheinander geraten.
Auf Dauer ist das Trumpsche Durcheinander, die Unberechenbarkeit des neuen Manns im Weißen Haus, aber keine Politik. Die Administration ist gut beraten, endlich eine umfassende und in sich schlüssige Strategie zu erarbeiten. Denn sonst wäre der Luftangriff der Amerikaner auf einen syrischen Militärstützpunkt in der vergangenen Woche nicht mehr als eine Demonstration militärischer Macht gewesen. Er hätte Freund und Feind einmal gut durchgerüttelt, mehr nicht.
Die Richtung, in der es in Washington in Sachen Syrien zu gehen scheint, ist jedoch die richtige. Die Herrschaft der Assads über Syrien seit 1970 war und ist beispiellos brutal und atemberaubend korrupt. Für Assad-junior und seinen Machtzirkel aus blutbefleckten Handlangern und Kleptokraten ist die Zeit abgelaufen. Es ist völlig undenkbar, dass es im neuen Syrien noch einen Platz für diese Leute gibt.

Assads Krieg hat auch Folgen für Europa

Hoffentlich begreift Trump jetzt auch: Den IS in Syrien erfolgreich zu bekämpfen, klappt nur, wenn man gleichzeitig den Abgang Assads betreibt. Denn Assad ist die Ursache, der IS das Symptom. Der syrische Machthaber hat den Konflikt in seinem Land bewusst und gezielt konfessionalisiert. Jetzt steht die mehrheitlich sunnitische Opposition gegen die alewitisch, also vereinfacht gesagt: schiitisch, geführte Regierung. Diese Kluft zwischen den Konfessionen strahlt längst weit über Syrien in die gesamte Region aus. Dem sunnitischen IS den Garaus zu machen, gelingt nur dann, wenn man Syriens mehrheitlich sunnitische Bevölkerung vor Assads Angriffen schützt, vor den schiitischen Milizen und Söldnern, die für den Präsidenten kämpfen.
Baschar al-Assad benutzt den gesamten Sicherheitsapparat des syrischen Staates für einen Krieg gegen sein eigenes Volk. Er löste damit eine gewaltig große Flüchtlingsbewegung aus, die EU-Staaten destabilisierte, indem sie dort Fremdenfeindlichkeit beförderte und Rechtspopulisten Oberwasser gab. Es ist also auch im ureigenen Interesse der Europäer, Assad zu beseitigen. Allerdings wird es nicht einfach werden, Putin von seinem Schützling loszueisen. Das gelingt wahrscheinlich nur dann, wenn der Westen Russland an anderer Stelle entgegenkommt. Die USA haben bereits dementiert, dass die Ukraine jetzt zur Verhandlungsmasse werden könnte.
Wie auch immer: Ohne einen echten Interessenausgleich, ohne einen fairen Deal, wird es nicht gehen.
Mehr zum Thema