Konferenz zur Überwachung an der Uni Rostock

Das Erbe Edward Snowdens

Ein handy ist mit einem Schloss gesichert und kann nicht genutzt werden.
Auch wenn ein Handy mit einem Schloss gesichert werden kann, ist es vor Überwachung nicht geschützt. © imago/Thomas Eisenhuth
Von Silke Hasselmann · 27.05.2015
Um Überwachung und Privatheit in der Nach-Snowden-Ära geht es auf einer Konferenz an der Universität Rostock. Fächerübergreifend wird hier über Datensicherheit und Vertrauensfragen diskutiert.
Christin Schumacher hat voriges Jahr ihre Masterarbeit zum Thema "Überwachung" geschrieben. Genau gesagt befasste sich die Rostocker Soziologin mit der elterlichen Überwachung von Kindern durch Handy-Ortung. Es sei einerseits verständlich, wenn eine besorgte Mutter wissen wolle, wo ihr Kind steckt. Überwachung innerhalb der Familie sei auch nichts grundsätzlich Neues, sagt Christin Schumacher. Doch bei den heutigen technischen Möglichkeiten und dem massenhaften Gebrauch stelle sich die Frage:
"Kann das ein Grund sein, warum NSA und Überwachungsskandale uns überhaupt nicht mehr schocken, weil das derart normal inzwischen für uns ist und in der kleinsten zwischenmenschlichen Komponente bereits mit drin steckt?"
Eine Frage von vielen, die mit dem großen Thema "Überwachung und Privatheit - Sicherheit oder Freiheit" zu tun hat. Eine andere: Welche Strategien müsste man entwickeln, um die Gesellschaft dauerhaft für die Chancen und Probleme von Big Data zu interessieren? Antworten wären auch mal ganz schön, fand Christin Schumacher und organisierte die zweitägige Konferenz in Rostock, die ausdrücklich interdisziplinär angelegt war, denn:
"Das ist oft das Problem: Jeder forscht in seiner Schublade. Der Soziologe analysiert ein bisschen herum. Die Rechtswissenschaftler haben ganz genaue Fragestellungen, ebenso wie die Informatiker technisch auf Sicherheit bedacht sind. Aber die Vernetzung zwischen den einzelnen beteiligten Akteuren ist viel zu gering. Das wollten wir hier erreichen und ich glaube, das haben wir sehr gut geschafft."
Da wurde über die "Überwachung als religiös-imperiale Macht der Zukunft: Herrschaft und Widerstand" philosophiert. Da wurde genauer untersucht, welche Privatheit eigentlich gemeint ist, die vom digitalen Druck belastet wird. Interessant auch der Vortrag vom Rostocker Informatiker Dr. Thomas Mundt, der zu bedenken gibt, dass man derzeit im Internet einige Möglichkeiten hat, seine Privatsphäre zu schützen, immer weniger aber im öffentlichen Raum. Immer mehr Sensoren in der vernetzten Welt zu Hause, im künftigen Internet der Dinge, in öffentlichen Gebäuden, wo bald alle Bewegungen und Tätigkeiten erfasst werden können.
"Dorthin zu wirken, dass Verantwortliche, die Gebäudetechnik beauftragen, den Aspekt Datensicherheit in die Ausschreibung hineinschreiben, wäre mir ein Grundanliegen."
Von einer "Vertrauenskrise nach dem NSA-Skandal" sprach derweil auch Timo Sackmann. Der erforscht im User Experience Center Deutsche Telekom in Bonn die Erfahrung der Nutzer mit ihren Geräten und wirbt eifrig dafür, Privatheit zu einem Qualitätsmerkmal europäischer Produkte werden zu lassen. Dass sich die großen us-amerikanischen Software- und Internetanbieter wegen ihrer Zusammenarbeit mit der Datenkrake NSA diskreditiert haben, sei eine Chance. Die Europäer müssten und könnten glaubhaft machen, dass der Nutzer ihrer Produkte und Dienstleistungen wirklich allein bestimmt, wer welche seiner privaten Daten erhält.
Ehrendoktorwürde für Snowden noch nicht vom Tisch
Da meldet sich Simon Wiedemann im Auditorium; diese Konferenz über "Überwachung und Privatheit in der Ära nach Snowden" soll ja ein Dialog sein. Der Student der technischen Informatik spricht von "Lüge 2.0", die viele Unternehmen gegenwärtig mit ihren Sicherheitsversprechen verbreiten würden. Später in der Pause erklärt er sich genauer:
"Die einzige Möglichkeit, das Vertrauen zu schaffen, besteht für mich aus dem notwendigen Schritt offenzulegen, was der Hintergrund des Systems ist, zum Beispiel: Wie realisiere ich eine Verschlüsselung? Dazu muss man verstehen, dass jemandem zu erklären, wie die Verschlüsselung funktioniert, nicht gleichbedeutend ist mit: 'Ich verrate dir, wie du es entschlüsseln kannst.' Der andere wichtige Fakt: Wir brauchen eine breite Masse an kompetenten Menschen, die sich damit auseinandersetzen. Nur weil eine Software quelloffen ist, heißt das noch lange nicht, dass Gutes passiert."
Simon Wiedemann hat schon andere Konferenzen zum Thema Internet- und Datensicherheit besucht, etwa vom Chaos Computer Club. Die zwei Tage an der Uni Rostock hatten für ihn dennoch etwas Besonderes:
"Schön finde ich zu sehen, dass ich es diesmal geschafft habe, Freunde aus meinem sozialen Umfeld, die auf Lehramt oder Chemie studieren, mit hierher begeistern zu können. Das sehe ich als das Neue an dieser Konferenz, dass sie sich darum bemüht, offen für ein breites Publikum zu sein. Und wichtig ist für mich zu sehen, dass es noch andere Menschen gibt, die daran interessiert sind, sich der Thematik zu stellen. Denn Aufgeben hilft auch nicht weiter, auch wenn ich glaube, dass die ganzen Probleme, die damit einhergehen, keine gemütliche Lösungen haben werden, wonach so oft gesucht wird."
Übrigens: Dass die Universität Rostock diese Konferenz ausgerichtet hat, zeigt, dass sie sich durchaus dauerhaft mit Edward Snowden und dessen Erbe befasst. Voriges Jahr hatte die Universitätsleitung den Antrag der Philosophischen Fakultät abgelehnt, dem Whistleblower die Ehrendoktorwürde verleihen zu dürfen; Snowden habe nicht die vorgeschriebenen hohen Standards für eine wissenschaftliche Arbeit erfüllt. Die Fakultät will dagegen klagen. Die Meinungen gehen bei Studenten wie Dozenten nach wie vor auseinander. So meint der Informatiker Dr.-Ing. Thomas Mundt:
"Ich finde, dass ihm Ehrungen zuteil werden sollten, aber dass die Ehrendoktorwürde die falsche Ehrung wäre an der Stelle. Eher der Friedensnobelpreis, aber nicht die Ehrendoktorwürde."
Dagegen glaubt Martin Achterberg, dass der Dr. h.c. für den noch immer im russischen Exil lebenden Edward Snowden helfen könnte, dass dessen Anliegen nicht in Vergessenheit gerät:
"Ich studiere ja selbst auch Philosophie und Soziologie und denke, dass er schon den Ehrendoktortitel erhalten sollte, um damit vielleicht auch auf dieses Asylverfahren hinzuarbeiten, dass er den Antrag stellt und dass dann eventuell auch berücksichtigt wird."
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