Konferenz

Besser spät als nie

Außenansicht des Helga and Paul Amir Building, einem großen Anbau an das bisherige Tel Aviver Kunstmuseum (undatiertes Handout). Mit einer Ausstellung des deutschen Malers und Bildhauers Anselm Kiefer eröffnet das Tel Aviver Kunstmuseum nach jahrelangen aufwändigen Bauarbeiten ein eindrucksvolles neues Gebäude. Das Helga and Paul Amir Building, ein großer Anbau an das bisherige Museum, wird am 2. November 2011 seine Türen für die Besucher öffnen. Der Entwurf des amerikanischen Architekten Preston Scott Cohen orientiert sich an der Bauhaustradition der «Weißen Stadt» Tel Aviv. Foto: Amit Geron
Der 2011 eröffnete Anbau des Kunstmuseums in Tel Aviv © dpa / Amit Geron
Von Lissy Kaufmann · 27.06.2014
Ausgerechnet Israel hat die Washingtoner Erklärung zur Auffindung von Raubkunst 1998 nicht unterzeichnet. Doch wie eine Konferenz in Tel Aviv zeigt, hat das Thema Restitution zuletzt auch dort an Bedeutung gewonnen.
Auf einer Konferenz im Norden Tel Avivs haben sich internationale Kunst- und Restitutionsexperten versammelt. Es ist die erste Konferenz dieser Art und dieser Größe im Land, die sich mit Raubkunst in Israel selbst befasst. Auch der ehemalige US-Botschafter Stuart Eizenstat ist hier, ein Experte für die Restitution von Nazi-Raubkunst.
"What I am calling for is Israel moving [...] Ich rufe Israel dazu auf, beim Thema Restitution von den hinteren Reihen an die Spitze zu treten. Denn es ist schwer genug, unsere eigenen Museen zu ermutigen. Vor der Washingtoner Konferenz war auch ihre Provenienzforschung noch mangelhaft. Es ist sehr schwer, Deutschland und Österreich und die anderen Staaten dazu zu bewegen, weiterzumachen, wenn Israel nicht die Führung übernimmt. [...] started to do if Israel is not in a leadership."
Staatliche Organisation HaShava ist auch für Raubkunst zuständig
Eizenstat hat 1998 die Washingtoner Konferenz maßgeblich mitgeprägt. Dort wurde international der Wille bekundet wurde, Raubkunst ausfindig zu machen, und zu veröffentlichen und sich mit den Erben auf eine gerechte Rückgabe zu einigen.
Israel hat diese Washingtoner Prinzipien nicht unterzeichnet. Bisher. Denn es tut sich seit ein paar Monaten einiges im Land. Das Zusammenkommen internationaler Experten an diesem Tag ist ein Beweis dafür, genauso wie die Organisation HaShava, die diese Konferenz organisiert.
Bisher hat sich die staatliche Organisation um die Rückerstattung von Kapital, Aktien und Immobilien gekümmert. Nun widmet sich HaShava in Zusammenarbeit mit den israelischen Museen auch der Rückgabe von Kunstgegenständen und Judaika.
"First of all, it is better late than never. [...] Besser spät als nie. Im Januar haben wir Vertreter alle Museen und Ministerien an einen Tisch geholt und haben besprochen, was bisher gemacht wurde und was noch gemacht werden muss. Es gibt bisher kein ausreichendes öffentliches Bewusstsein. Wir brauchen neue Gesetze und finanzielle Unterstützung von der Regierung. Außerdem fehlt es an einer professionellen Ausbildung im Bereich der Provenienzforschung und an einer zentralisierten Datenbank, in die alle Museen Informationen hochladen können, auch von Stücken, von denen vermutet wird, dass es sich um Raubkunst handelt. [...] to see them and claim them or give information regarding this pieces."
... sagt Elinor Kroitoru, die Leiterin der Rechercheabteilung bei Hashava. Sie weiß, dass nicht zuletzt der Fall Gurlitt den Stein ins Rollen gebracht hat. Schließlich sind zwei israelische Expertinnen in die Gurlitt Taskforce berufen worden.
Israel könne nicht Forderungen an Deutschland stellen, ohne die eigenen Sammlungen zu untersuchen. Dass sich auch in Israel Raubkunst befindet, ist nicht unwahrscheinlich. Von den Nazis gestohlene Gemälde und Gegenstände könnten nachträglich in den vergangenen Jahren unwissentlich gekauft worden sein. Außerdem kam nach Kriegsende Raubkunst, deren Besitzer nicht gefunden werden konnte, nach Israel, wie Stuart Eizenstat erklärt:
Türschild mit der Aufschrift Cornelius Gurlitt.
Die Entdeckung der Gurlitt-Sammlung gab auch der Restitutionsdebatte in Israel neue Impulse © dpa / Barbara Gindl
"It happened in the 1950s and a Jewish successor organization, called JRSO [...] Das geschah in den 50er Jahren. Die Jüdische Restitutionsnachfolger-Organisation JRSO wurde in New York gegründet. Sie verteilte rund 2.000 geraubte Kunstgegenstände, deren Besitzer nicht gefunden werden konnten, an Museen: 40 Prozent gingen an die USA, 40 Prozent nach Israel und 20 Prozent in andere Länder. Das Israel Museum hat bereits gute Provenienzforschung von dieser JRSO-Sammlung betrieben. Aber alle Museen, auch das Israel Museum, müssen noch weiter gehen. Es gibt ja bestimmte Werke, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie geraubt wurden: europäische Kunst, Impressionisten und Post-Impressionisten, vor allem die Stücke, die zwischen 33 und 45 in Europa waren. So kann man das Forschungsfeld einschränken. [...] So you can narrow the field."
Im Israel Museum gab es bereits zwei Ausstellungen zum Thema Raubkunst
Das Israel Museum hat das Thema Raubkunst bereits in zwei Ausstellungen aufgegriffen, um so mögliche Erben aufmerksam zu machen. 2007 wurde ein Onlinekatalog mit Kunstwerken veröffentlicht, die an das damalige Bezalel National Museum gingen. Außerdem wurden bereits einige Werke restituiert, darunter „Garten am Wannsee" von Max Liebermann. Das Museum konnte das Werk aber kurze Zeit später problemlos zurückkaufen, eine gängige Praxis.
Allerdings ist es zweifelhaft, ob die Erben von Judaika und Gemälden, die von den Nazis geraubt wurden, überhaupt noch ausfindig gemacht werden können. Dennoch ist die Provenienzforschung notwendig, erklärt Agnes Peresztegi, die europäische Direktorin der Commission for Art Recovery:
"Instead of having a small plate on the wall with author and title of artwork [...]
Anstatt nur ein kleines Schild an der Wand zu haben, mit dem Namen des Künstlers und dem Titel und vielleicht dem Zeitpunkt der Entstehung, sollte neben den Werken auch eine Beschreibung der Provenienzforschung stehen. Das zeigt das historische Interesse an Kunst und Kultur von Juden und deren Beitrag zur Kunst in Europa. Wir sprechen oft über die Wissenschaften und die Dinge, über die wir stolz sind. Wir sollten auch stolz darauf sein, dass Juden Gönner der Kunst waren und sich stets dafür interessierten. Und Museen sind der beste Ort, um heute daran zu erinnern.
[...] and the museums are the best places to commemorate that today."
In den Tagen nach der Konferenz organisiert Hashava einen Workshop mit internationalen Experten, um die Provenienzforscher in Israel für ihre Aufgaben vorzubereiten. Doch allzu viel Zeit darf sich Hashava mit ihrer Arbeit nicht lassen. Denn bereits Ende 2017 muss die staatliche Organisation aus rechtlichen Gründen aufgelöst werden.
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