Kunstfund

"Wir haben jetzt auch einen Anwalt beauftragt"

Moderation: Frank Meyer · 08.05.2014
Es sei offen, ob das Kunstmuseum Bern das Erbe der Gurlitt Sammlung antreten wird, meint Museumsdirektor Matthias Frehners. Der Stiftungsrat werde das noch prüfen - zumal ein Teil der Werke unter Raubkunstverdacht stehen.
Frank Meyer: Wird das Kunstmuseum Bern dieses schwierige Erbe überhaupt annehmen, die etwa 1.500 Werke umfassende Sammlung von Cornelius Gurlitt? Am Dienstag ist der Kunstsammler gestorben, es war eine Überraschung auch für das Berner Museum selbst, dass Gurlitt seine Sammlung dorthin vererbt hat. Matthias Frehner ist jetzt für uns am Telefon, der Direktor des Kunstmuseums Bern. Seien Sie willkommen, Herr Frehner!
Matthias Frehner: Guten Tag, Herr Meyer!
Meyer: Wie ist das - wollen Sie das Erbe annehmen?
Frehner: Diese Frage kann ich nicht entscheiden. Die muss unser Stiftungsrat entscheiden. Es wird an mir sein, die Entscheidungsgrundlagen zu beschaffen.
Meyer: Zu den Entscheidungsgrundlagen gehört ja zum einen die Frage, passt diese Sammlung überhaupt zu Ihrer Sammlung? Da lese ich in Artikeln, dass diese hochkarätige Gurlitt-Sammlung mit Werken von Matisse, Picasso, Monet, Chagall hervorragend zur Berner Sammlung passen würde - sehen Sie das genauso?
Frehner: Auf jeden Fall. Wir verfügen über Bestände dieser wichtigen Schlüsselkünstler, die Sie genannt haben, und zwar wirkliche Top-Werke. Wenn wir da Verstärkung kriegen könnten, wäre das natürlich super.
Welche Werke stehen unter Raubkunstverdacht?
Meyer: Die andere Frage ist aber, sind denn diese Top-Werke dann überhaupt noch in der Sammlung enthalten, wenn die Sammlung zu Ihnen kommt und wenn Restitutionsansprüche berücksichtigt werden dabei. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert heute eine Berner Journalistin ohne Namen, die sagt, es sei nicht zu erwarten, dass man im Kunstmuseum Freude an dieser Sammlung haben wird, denn die guten Werke muss man zurückgeben, der Rest verstopft das Depot. Sehen Sie auch diese Gefahr?
Frehner: Niemand weiß genau, welche Werke sich in der Sammlung befinden. Niemand weiß, wie viele Restitutionsforderungen gestellt worden sind. Das ist reine Spekulation, was diese anonyme Person da von sich gegeben hat. Wir wollen es genau wissen.
Meyer: Was werden Sie jetzt unternehmen, um es genau zu erfahren?
Frehner: Wir werden die Listen erhalten der Werke, die sich in der Sammlung befinden. Dann können wir sofort abschätzen, was wichtig ist, was nicht so wichtig ist. Und wir werden uns vor allem ins Bild setzen, welche Werke unter Raubkunstverdacht stehen. Dieses Problem hat bereits Herr Gurlitt eben erkannt, und er hat eine Task Force einsetzen lassen von wirklich Personen, die anerkannt sind. Das ist natürlich die ganz wichtige Frage, die muss geklärt sein, bevor wir die Sammlung nach Bern nehmen.
Meyer: Und das heißt, Sie wollen abwarten, bis diese Task Force ihre Arbeit abgeschlossen hat - das kann sich ja sehr lange hinziehen.
Frehner: Wir müssen die Situation überblicken können. Es wird Fälle geben, nehme ich an, die sind eindeutig. Die kann man sehr rasch erledigen. Es gibt Fälle, wo Unklarheiten herrschen über so lange Zeiten hinweg. Wir müssen halt wissen, wie viele solche Fälle vorhanden sind. Und wir müssen wissen, wie viele Werke wirklich sauber respektive unproblematisch sind, die wir in unsere Sammlung aufnehmen können. Wie man dann allenfalls eben mit diesen ungeklärten Fragen umgehen wird, das müssen wir entscheiden.
"Wir halten uns an die Washingtoner Vereinbarungen"
Meyer: Cornelius Gurlitt hat ja eine Vereinbarung getroffen mit dem Freistaat Bayern und der deutschen Bundesregierung darüber, dass im ersten Schritt die ersten Besitzverhältnisse für seine Bilder durch diese Task Force geklärt werden und dass Raubkunst aus seiner Sammlung an die rechtmäßigen Erben zurückgegeben wird. Sehen Sie sich dann als potenzielle Erben an diese Vereinbarung gebunden?
Frehner: Ich denke, auf jeden Fall, natürlich. Eben die strategischen Entscheidungen wird der Stiftungsrat vollziehen, aber es ist für mich als Museumsmann so klar. Wir halten uns an die Washingtoner Vereinbarungen, und diese Fälle müssen wirklich absolut korrekt und ethisch unanfechtbar gelöst werden können, und zwar rasch.
Meyer: Wie gehen Sie denn sonst an Ihrem Museum mit der Raubkunstproblematik um? Betreiben Sie in Ihrem Hause Provenienzforschung für Ihre Bestände?
Frehner: Ja, seit dem Jahr 1996, als die Schweiz eben in den Fokus geraten ist und es geheißen hat, dass hierzulande Milliardenbeträge noch in Raubkunst vorhanden sei, haben wir Museumsleute in der Schweiz unsere Sammlungen wirklich überprüft, wir haben Provenienzrecherchen gemacht, wir haben die wirklich problematischen Fälle geortet. Es sind ganz, ganz wenige, die Restitutionen nach sich gezogen haben. Man hat auch deklariert, wo Provenienzlücken vorhanden sind. Die gibt es überall, weil früher hat man Bilder verkauft, ohne zu fragen, wem haben die vorher gehört. Man hat dem Verkäufer, wenn es eben ein renommierter Kunsthändler ist, geglaubt und nicht nach Vorbesitzern gefragt. Also, offene Provenienzlücken werden deklariert.
"Wir müssen auch das Kunstgut prüfen"
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit Matthias Frehner, Direktor des Kunstmuseums Bern über die Erbschaft der Sammlung Cornelius Gurlitt. Jetzt haben wir darüber gesprochen, a) passt die Gurlitt-Sammlung zu Ihrem Haus - Sie sagen entschieden ja. Wir haben über die Restitutionsproblematik gesprochen. Gibt es weitere grundlegende Fragen, die Sie erst klären müssen, bevor Sie sagen können beziehungsweise Ihr Stiftungsrat, ja, wir treten dieses Erbe an?
Frehner: Es wird sicher so sein, dass man eben - wir sind als Alleinerben eingesetzt - dass man mit den übrigen Nicht-Kunstwerken der Sammlung eben die offenen Restitutionsfragen lösen muss. Das ist klar. Und wir müssen auch das Kunstgut prüfen. Es gibt ja - ich weiß so viel wie die Medien bis jetzt - sind die Werke in einem guten Zustand, oder sind das - haben die gelitten, kann man die gar nicht mehr zeigen? Das sind auch natürlich Entscheidungskriterien, die jetzt sehr wichtig sind und die wir in Betracht ziehen werden.
Meyer: Darüber wurde auch schon geschrieben in verschiedenen Artikeln, dass einige dieser Werke oder relativ viele in einem sehr schlechten Erhaltungszustand sein können. Das könnte für Sie auch ein Grund sein, dieses Erbe auszuschlagen, wenn die Restaurierungskosten zu hoch werden sollten.
Frehner: Wenn ein Werk einen gewissen negativen Zustand hat, dann kann man das durch Restaurierung nicht mehr beheben. Dann ist es auch eben schwer in eine Sammlung zu integrieren wie die unsrige. Also, das müssen wir rasch geklärt haben, aber ich denke, aufgrund der Informationen, die ich jetzt habe, dass es doch die Mehrheit der Werke sind, die in einem guten Zustand sind.
"Niemand von unserem Haus hat mit Herrn Gurlitt Kontakt gehabt"
Meyer: Vorhin habe ich schon gesagt, Sie waren genauso überrascht wie der Rest der Kunstwelt über diese Nachricht, dass diese Erbschaft an Ihr Haus gehen soll. Haben Sie denn inzwischen Hinweise dafür bekommen, die Sie besser verstehen lassen, warum Cornelius Gurlitt ausgerechnet Ihr Museum als Erbe eingesetzt hat?
Frehner: Ich muss diese Frage ja ziemlich oft beantworten in den letzten 20 Stunden. Nein, ich weiß es nicht. Niemand von unserem Haus hat mit Herrn Gurlitt Kontakt gehabt, hat ihn persönlich gekannt.
Meyer: Es wurde jetzt die Berner Galerie Kornfeld genannt als eine Galerie, die Kontakt mit Herrn Gurlitt hat, und auf der anderen Seite eine Gönnerin Ihres Museums. Könnte das das Verbindungsglied sein zwischen Ihnen und Herrn Gurlitt?
Frehner: Also das eine, die Kontakte zur Galerie, liegen ja über Jahrzehnte zurück, also - wir haben ihn wirklich nicht gekannt, wir haben ihn nie hier gesehen. Und das, was Sie jetzt über eine Berner Gönnerin sagen, ist für mich vollkommen neu. Ich weiß nicht, wer das ist, die da offenbar ihn gekannt und mit ihm Kontakte gehabt hat.
Meyer: Es gibt noch eine weitere Entwicklungsmöglichkeit für die ganze Geschichte: Das bayerische Kulturministerium will nun überprüfen, ob die gesamte Sammlung Gurlitt unter deutsches Kulturgut fällt. Dann wäre, wenn das so wäre, dann wäre eine Ausfuhr in die Schweiz nicht möglich. Was würden Sie von einem solchen Schritt, von einer solchen Einordnung halten?
Frehner: Ja, das wäre natürlich dann für uns - eine Situation, wo wir etwas gekriegt haben, aber es nicht zeigen können. Also wir haben jetzt auch einen Anwalt beauftragt mit der Wahrung unserer Interessen. Das ist ebenfalls eines der offenen Kriterien, über die wir rasch Aufschluss erhalten müssen. Aber es hat ja auch Werke in der Sammlung, die nicht deutsche Kunst betreffen, und ich weiß nicht genau, wie die Kriterien sind, ob etwas eben zurückbehalten werden kann oder eben unter Ausreisesperre gestellt werden kann.
Meyer: Herr Frehner, Sie haben jetzt mehrfach gesagt, dass Dinge rasch geklärt werden müssen. Mit welchem Zeitraum rechnen Sie denn, in dem das geklärt werden könnte, was Voraussetzung ist für Ihre Entscheidung, das Erbe anzunehmen oder nicht?
Frehner: So, wie ich unseren Stiftungsrat kenne, möchte er rasch entscheiden können. Und wenn ich sage, rasch, dann - man muss das Problem jetzt mal kennen, man muss mal Kriterien erarbeiten, wie man damit umgeht. Es müssen Fragen geklärt werden, aber ich denke, innerhalb eines halben Jahres muss das klar sein, wie es läuft.
Meyer: Innerhalb eines halben Jahres wird das Kunstmuseum Bern entscheiden, ob es das Erbe von Cornelius Gurlitt annimmt voraussichtlich. Das sagt Matthias Frehner, der Direktor des Kunstmuseums. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Frehner: Gern geschehen. Auf Wiederhören, Herr Meyer!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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