Kommentar zur Umweltpolitik

Warum der Konservatismus seine Kernprinzipien verrät

04:37 Minuten
Das Ölgemälde "Die Überfahrt am Schreckenstein" von Ludwig Richter zeigt ein Boot in dem mehrere Personen sitzen. Ein Mann spielt Harfe, ein Paar ist ineinander vertieft und ein Mann schaut sehnsuchtsvoll zur Burg Schreckenstein hinauf.
Klimaschutz ist Naturschutz ist Heimatschutz. Das müsste Konservativen eigentlich liegen. Warum tun sie dann nichts dafür, fragt Nils Markwardt. © picture alliance / akg-images
Von Nils Markwardt · 10.03.2019
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Der Konservatismus will Gewachsenes bewahren. Was wäre wichtiger zu erhalten als unsere Umwelt? Doch bei der Klimapolitik treten CDU und CSU auf die Bremse. Damit offenbart sie ein grundsätzliches Problem des heutigen Konservatismus, meint Nils Markwardt.
Wer dieser Tage konservativen Politikern und Kommentatoren beim Thema Klimaschutz zuhört, der erkennt vor allem eines: wachsenden Unmut. Die #FridaysforFuture-Demonstrationen werden belächelt oder gar verächtlich gemacht, die Forderung nach konsequentem Klimaschutz als Vorbote einer vermeintlichen Ökodiktatur verbucht. Aus politischer Perspektive mag das nicht unbedingt überraschen, aus ideengeschichtlicher hingegen schon.
Eigentlich müsste die Erhaltung der Umwelt nämlich gleich zwei konservativen Grundprinzipien entsprechen: der "Bewahrung der Schöpfung" und dem "Heimatschutz". Denn sind die Pflege des Vorgefundenen, die Hege des Gewachsenen und die buchstäbliche Verwurzelung in der Natur nicht geradezu Inbegriffe des Konservatismus? Und würde die gesamte Rhetorik von Vaterland und Heimatboden nicht erst recht faul, wenn auf beidem nichts mehr wächst?

Konservatismus und Ökologie gingen lange Hand in Hand

Zumal es ja auch eine gemeinsame Ideengeschichte von Konservatismus und Ökologie gibt. Von der patriotisch aufgeladenen Naturverklärung eines Ernst Moritz Arndt über die waldverliebte Romantik des 19. Jahrhunderts bis zur Technikkritik Martin Heideggers wurden Konservatismus und Ökologie theoretisch immer wieder verschränkt. Und auch politisch fiel beides bisweilen zusammen. Man denke nur daran, dass die Grünen in ihrer Anfangsphase ja keine rein linke Partei waren, sondern auch viele konservative Mitglieder besaßen. Beispielsweise ihren Mitbegründer Herbert Gruhl, der bis 1980 noch für die CDU im Bundestag gesessen hatte.

Problem: Wenn Realismus Radikales erfordert

Müsste die Rettung des Planeten heute also nicht fast zwangsläufig ein konservatives Anliegen sein? Insofern Konservative den Klimawandel nicht leugnen, so wie es die meisten Rechtspopulisten tun, würden sie darauf womöglich antworten: Sicher, Klimaschutz kann man schon machen, aber bitte nur moderat – denn am Ende richtet es schließlich der Markt.
Nils Markwardt ist Leitender Redakteur des Philosophie Magazin und schreibt als Autor für Zeit Online, Der Freitag, Republik Magazin u.a.
Nils Markwardt ist Leitender Redakteur des Philosophie Magazin und schreibt als Autor für Zeit Online, Der Freitag, Republik Magazin u.a.© Johanna Ruebel
Das Problem ist nur: Der menschengemachte Klimawandel, dessen dramatische Folgen ja seit Jahrzehnten absehbar sind, hat mittlerweile eine derartige Geschwindigkeit erreicht, dass eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad jetzt schon als unwahrscheinlich gilt. Die Zeit für moderate Maßnahmen ist deshalb praktisch abgelaufen. Denn jeder Tag, an dem das Thema weiter verschleppt wird, macht striktere Maßnahmen notwendig. Oder zugespitzter gesagt: Wird nicht bald entschieden gehandelt, bleibt ökologischer Radikalismus der letzte Realismus.

National-Konservative denken nicht global

Tatsächlich scheint der Grund für die konservative Skepsis gegenüber dem Klimaschutz deshalb woanders zu liegen. Zum einen hindert die Betonung des Nationalen Konservative daran, eine globale Verantwortungsethik auszubilden. Selbst Roger Scruton, einer der letzten öko-konservativen Denker der Gegenwart, setzt in seinem 2014 erschienenen Buch "Grüne Philosophie" beim Umweltschutz lediglich auf lokale Fürsorgepflichten und lehnt globales Handeln ab. Wie damit der Klimawandel aufzuhalten wäre, bleibt Scrutons Geheimnis.

Krise des Konservatismus: Interessen- statt Werte-Wahrung

Noch entscheidender ist jedoch, dass zeitgenössische Konservative oft keine Wertkonservativen mehr sind, sondern nur noch Strukturkonservative. Es geht bei ihnen weniger um die wertorientierte Bewahrung von Traditionen und Lebensgrundlagen als vielmehr um die bloße Aufrechterhaltung von Machtpositionen und Privilegien. Erst vor diesem Hintergrund ist es schließlich zu erklären, dass jemand wie Verkehrsminister Andreas Scheuer zwar gerne von Werten redet, in Umweltfragen aber ganz selbstverständlich als Lobbyist der Autoindustrie auftritt. Und hier zeigt sich dann vielleicht auch ein ganz grundsätzliches Problem des zeitgenössischen Konservatismus: Er spricht von Werten, meint aber oft Interessen.
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