Kommentar zur EM
Vorbereitung auf die Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz: Geht es im Frauenfußball inzwischen zu sehr ums Geld? © Imago / Eibner-Pressefoto / Florian Wiegand
Gegen die Kommerzialisierung im Frauenfußball
04:27 Minuten

Etwas ist neu bei dieser Europameisterschaft in der Schweiz: Tagelang gab es Vorberichte. Das zeigt, wie sehr Frauenfußball im Kommen ist. Doch wenn es darum geht, wer in dieser Sportart die Entscheidungen trifft, liegt noch einiges im Argen.
Ablösesummen, Zuschauerzahlen, Prämien: In bemerkenswerter Schlagzahl werden im Frauenfußball gerade Rekorde aufgestellt. Den ersten Transfer, der die Millionen-Marke knackte, gab es Anfang 2025 in London, wo der FC Chelsea 1,1 Millionen Dollar für die amerikanische Abwehrspielerin Naomi Girma zahlte. Hierzulande hatte das Pokalhalbfinale zwischen dem Hamburger Sportverein und Werder Bremen im März 2025 eine Rekordkulisse von 57.000 Menschen. Und würden die deutschen Nationalspielerinnen bei der Europameisterschaft in der Schweiz den Titel gewinnen, wäre die Erfolgsprämie pro Spielerin erstmals sechsstellig.
Lange ist der Frauenfußball im Kielwasser des Männerfußballs geschwommen, um von den Wellen dieses Dampfers ständig unter Wasser gedrückt zu werden. Jetzt, so scheint es, schwimmt er sich frei. Endlich. Aber tut er das wirklich?
FC Union Berlin zahlt richtige Gehälter
Der Aufschwung hat vor allem einen Grund: die Investitionen etablierter Männervereine. Dieses Engagement ist inzwischen Standard. Wenn die Vereine schlau sind, nutzen sie es offensiv zur Imagepflege.
Beim FC Union Berlin etwa durften die Frauen ihre Zweitligaspiele in der vergangenen Saison im großen Stadion austragen. Dort, wo sonst die Männer aus der Ersten Liga auflaufen. Das ist nicht üblich, Fußballerinnen, auch erstklassige, kicken eher in Miniarenen oder auf Nebenplätzen.
Zu den Spielen der Unionerinnen kamen im Schnitt 7.200 Zuschauer. Nur drei Frauen-Teams in ganz Europa hatten mehr Zuspruch. Begleitet von diesem – anders als bei Männerspielen – familiär geprägten Publikum, stiegen die Berlinerinnen in die Erste Liga auf. Absehbar wird es sich für den Verein rechnen, dass er seine Spielerinnen vergleichsweise gut bezahlt. Nicht vergleichbar mit den Gagen männlicher Profis, ist klar – aber immerhin: richtige Gehälter, kein Taschengeld. So weit, so ermutigend. Oder?
Kritiklos dem Männer-Mantra nach mehr Geld gefolgt
Die ehemalige Nationalmannschaftskapitänin Alexandra Popp hat unlängst mit einiger Skepsis gegenüber den Entwicklungen des Frauenfußballs gesagt, sie hätte sich gewünscht, „dass man ein bisschen vom Männerfußball lernt, dass Kommerz nicht alles ist“. Mit anderen Worten: Dass der Frauenfußball nach Professionalisierung strebt, sollte nicht gleichbedeutend damit sein, dass er kritiklos dem Mantra der Männer folgt: Geld, mehr Geld, noch mehr Geld generieren.
Wenn es darum geht, wer die Entscheidungen trifft, ist Fußball nach wie vor eine Männerwirtschaft. Auch der mit seiner Frauenförderung auf dem Platz so vorbildliche FC Union macht da keine Ausnahme. Von den 20 Posten in Präsidium, Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Berliner besetzt nur einen eine Frau. Und, richtig, sie leitet die Abteilung Profifußball Frauen.
Auch Frauen können das Sagen haben
Frauen sind nicht per se bessere Menschen. Aber sie haben einen anderen Erfahrungshorizont als Männer und andere Blickwinkel. Zum Beispiel darauf, wie wichtig es ist, auch und gerade professionellen Sportlerinnen die Verbindung von Fußball mit Familie und Ausbildung zu ermöglichen. Darauf, wie wichtig es ist, die soziale und integrative Bindekraft des Fußballs für alle Geschlechter und in allen Gesellschaftsgruppen zu bewahren.
Manchmal muss man sich nur trauen, etwas für möglich zu halten, was gerade noch unvorstellbar war. Etwa dass das Hamburger Volksparkstadion bei einem Spiel der Frauen ausverkauft ist. Oder eben: dass Frauen selbst die Richtung vorgeben, die ihr Sport einschlägt. Es ist kein Naturgesetz, dass Männer im Fußball das Sagen haben. Es ist nur eine alte, alberne Tradition.