Männer und der Frauentag

Am feministischen Kampftag keine Bauchnabelschau

Illustration eines Mannes ohne Hemd mit Haaren auf Bauch und Armen vor grünlichem Hintergrund.
Männer sollten am Frauentag nicht sich selbst als Referenz nehmen, sondern ausnahmsweise mal Frauen, meint Simone Schmollack. © Getty Images / fStop / Malte Müller
Ein Einwurf von Simone Schmollack · 08.03.2023
Der Mann beschäftige sich gerne mit seinesgleichen - Frauen spielten dabei oft keine Rolle, meint Simone Schmollack. Dabei könnten Männer viel von Frauen lernen. Nicht nur am Internationalen Frauentag.
Vor knapp drei Jahren stellte die junge Influencerin Isabell Gerstenberger den Frauen, die ihr auf Instagram folgten, eine Frage: Was würdet ihr machen, wenn es 24 Stunden lang keine Männer gäbe? Die Antworten waren gepfeffert, erzählte Gerstenberger später in Intervieaws: Die meisten  Frauen empfanden die Vorstellung einer Welt temporär ohne Männer wie eine Befreiung.

Klatsch und Tratsch am Weltfrauentag?

Wenn eine männerlose Welt so verheißungsvoll ist, warum ist es für uns Frauen dann so reizvoll, über Männer zu reden? Uns mit ihnen zu vergleichen? Uns über sie aufzuregen? Ganz klar: Weil sie jede Menge Stoff für Gossip bieten: ihr Drang, sich zu präsentieren, zu bevormunden, zu schlaumeiern.

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Wenn die Bescheidwisser uns Frauen den richtigen Weg im Wald zeigen und uns den Akkuschrauber aus der Hand nehmen mit dem Satz: Lass mich das mal machen. Wenn sie gleichzeitig telefonieren, die Nachrichten scannen und dem Baby die Windel wechseln und dann sagen: Ich weiß gar nicht, warum du dafür immer so lange brauchst.

Feminismus und moderne Männlichkeit

Dieses Checker-Image bekommt allerdings immer mehr Risse. Seit einiger Zeit bemerken Männer selbst, dass sie in Wirklichkeit gar nicht so stark sind, wie sie glauben, sondern vor allem Probleme haben, Probleme machen und manche von ihnen überhaupt ein einziges Problem sind: Sie tun sich schwer damit, eine moderne Form von Männlichkeit zu finden. Sie fühlen sich zurückgesetzt und marginalisiert durch Feministinnen.
Sie beteiligen sich halbherzig an Care-Arbeit und verhalten sich oft selbstzerstörerisch: Zum Arzt gehen? Ach wo, was von allein kommt, geht von allein auch wieder weg. Die Folgen sind bekannt: Männer leben fünf Jahre weniger als Frauen, sie leiden öfter an Krankheiten wie Krebs und Herzkreislaufbeschwerden. Sie pflegen ihre Depressionen heimlich und begehen öfter als Frauen Suizid.
Aber müssen wir Frauen über Männer und ihre Probleme reden, insbesondere am Frauentag? Nö, das sollten Männern zuallererst selbst tun – miteinander. Warum auch sollten sich Frauen neben dem Alltagsstress, aus dem sich viele Männer nach wie vor gern zurückziehen, auch noch mit männlichen Sorgen beschäftigen? Was könnten Frauen dabei gewinnen? Richtig: nichts.

Frauen sind seltener kriminell

Eher sollten Männer am Frauentag nicht sich selbst als Referenz nehmen, sondern ausnahmsweise mal Frauen. So könnten sich die Männer zum Beispiel fragen, wie Frauen es schaffen, bessere Schul- und Studienabschlüsse als sie selbst zu haben? Wie Frauen mit weniger Geld gesünder einkaufen und warum sie seltener kriminell sind als Männer?
Sie könnten auch darüber nachdenken, wie Frauen es schaffen, morgens die Kinder in die Kita zu bringen, dann ins Büro zu hetzen, später einzukaufen  und abends die Waschmaschine zu befüllen, ohne sich damit zu brüsten, was sie heute alles wieder geleistet haben. Vor allem aber sollten sich Männer fragen, warum sie kein schlechtes Gewissen haben, am Frauentag nur um sich selbst zu kreisen.

Gleichberechtigung bei Chefposten geht

Ja, uns Frauen wird noch immer nichts geschenkt, wir müssen das schon selber tun. Deshalb sollten wir auch aufhören, uns gegenseitig fertigzumachen. Weil die eine erfolgreicher ist als die andere, öfter in der Öffentlichkeit steht, besser aussieht, mehr Geld verdient. Die vergangenen Jahre mit einer Frauenquote zeigen es doch: Da, wo Frauen das Sagen haben, besetzen immer mehr Frauen Führungspositionen – und arbeiten mit Männern bestens zusammen.
Noch mal kurz zurück zur Umfrage der jungen Influencerin. Isabell Gerstenberger hatte auch ihren männlichen Instagram-Followern eine Frage gestellt: Was sie 24 Stunden lang ohne Frauen tun würden?
Die Antworten fielen weniger hart aus als die der Frauen: Manche Männer würden mit Freunden um die Häuser ziehen, vor allem mit denen, die fest gebunden sind und keine Zeit mehr haben für die alten Kumpels. Aber nicht wenige würden warten, bis die 24 Stunden rum sind und ihre Freundin wieder da ist. Man muss ja schließlich mit jemandem reden.

Simone Schmollack ist Journalistin, Buchautorin und leitet bei der „tageszeitung“ das Ressort taz.de. Ihre Themenschwerpunkte sind Frauen, Familie, Gender, Soziales, Ostdeutschland, Migration/Integration. Ihr letztes Buch „Und er wird es wieder tun“ befasst sich mit Gewalt in der Partnerschaft.

© Barbara Dietl
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