Ladenöffnungszeiten

Einkaufen nur noch bis 20 Uhr?

05:20 Minuten
Eine Kundin im roten Mantel läuft zwischen Regalen in einem Supermarkt umher.
Nur noch bis 20 Uhr einkaufen - wären Sie damit einverstanden? Silke Hasselmann und Christoph D. Richter tauschen die wichtigsten Argumente dafür und dagegen aus. © picture alliance / imageBROKER / Carsten Milbret
Von Silke Hasselmann und Christoph D. Richter · 21.09.2022
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Von den steigenden Energiekosten sind auch viele Unternehmen betroffen. Eine Idee zum Stromsparen kommt jetzt vom Chef der Supermarktkette Tegut: Er fordert kürzere Ladenöffnungszeiten. Ein Pro und Contra.

Ein Pro von Silke Hasselmann

Wie bitte? Wir sollen unseren Bedarf an – sagen wir: neuen Waschlappen – künftig nur noch bis 20 Uhr befriedigen können, egal, wo in Deutschland wir das politisch korrekte Utensil zur Körperreinigung käuflich erwerben wollen? Okay, in Bayern und im Saarland fällt der Hammer laut den dortigen Ladenschlussgesetzen seit je nicht später. Aber in der fortgeschrittenen KuK-Welt des Kaufens und Konsumierens?
Wer geht nach 19 Uhr noch einkaufen?
Ja, warum denn nicht? Ist nicht schlimm. Auch in meinem dünn besiedelten Flächenland Mecklenburg-Vorpommern haben die meisten Geschäfte und Kaufhallen freiwillig bis höchstens 20 Uhr geöffnet. Und siehe da: Zivilisiertes Leben ist weiterhin möglich!
Lassen Möbelhäuser, Super- oder Baumärkte Personal und Stromaggregate länger laufen – auch okay, und natürlich weiß auch ich das gelegentlich sehr zu schätzen. Doch Personal und Strom laufen nach 19 Uhr erfahrungsgemäß nur noch für relativ wenige Pendler, Schichtarbeiter und Schnell-nochmal-Reinhopser-weil-Waschlappen-vergessen.
Gute Nachrichten für das Personal
Und ganz ehrlich: Was die Münchner können, darf man sogar auch den Berlinern, Kölnern, Hamburgern zutrauen, nämlich Einkäufe und – sofern ihnen der Sinn noch danach steht – Shoppingtouren bis 20 Uhr erledigt zu bekommen. Dass die Beschäftigten im Handel dereinst wieder mehr Abendstunden für ihr Privatleben haben könnten als derzeit, gefiele mir dabei übrigens noch mehr als der Gedanke an eine mögliche Stromersparnis.
Das Problem: Soll der Staat das anordnen und damit wieder ein Stück mehr ins ohnehin überregulierte Wirtschaftsleben eingreifen? Nö, lasst das die Einzelhändler und Eigentümer weiterhin selbst entscheiden.
Ob große Kette oder kleiner Laden – sie wissen am besten um ihre Stromkosten, ihre Gasrechnungen, ihre Personallage. Und natürlich auch um die Gefahr des süßen Giftes Onlineshopping – 24/7 zugänglich, stromfressend. 

Ein Contra von Christoph D. Richter

Willkommen im Land der Regelungswut. Ein Grund übrigens, warum die Spanier uns gerne "cabeza cuadrado" nennen. Quadratkopf. Und dieses Klischee wird vollends bedient, bei der Überlegung, in Zeiten teurer Energie die schwer errungenen liberalisierten Ladenöffnungszeiten wieder zu ändern. Das ist ein Griff in die Mottenkiste des 20. Jahrhunderts.
Große Freude über den langen Donnerstag
Wer erinnert sich noch an die Zeiten, als man nach der Arbeit zum Einkaufen hetzen musste, weil die Läden wochentags 18:30 Uhr, samstags 14:30 Uhr ihre Rollläden runterrattern ließen? Dann kam der lange Donnerstag, im Oktober 1989 wurde er eingeführt. Das hieß, die Geschäfte durften damals am Donnerstag – sage und schreibe – bis halb neun geöffnet haben.
Dem voraus ging ein Kulturkrieg. Der Untergang des Abendlandes stand bevor, das befürchteten damals Kirchen und Gewerkschaften. Und wie schön ist es jetzt, auch noch spät abends einen Salat, eine Cola oder Tiefkühlpizza zu kaufen? Und jetzt will man die Errungenschaft wieder einschränken? Mit dem erhobenen Zeigefinger? Das kann doch nicht wahr sein.
Es geht auch um Arbeitsplätze
Viele Läden, der Einzelhandel insgesamt – gerade in der Provinz, also auch in Brandenburgs Kleinstädten – kämpft seit Corona ums Überleben. Viele Geschäfte mussten schließen. Und jetzt will man dieses Sterben weiter fördern. Das ist abwegig. Es geht übrigens auch um Arbeitsplätze. Und wer seinen Laden früher schließen will, kann es doch sowieso tun.
Allein der Gedanke daran, in Tagen teurer Energie die Ladenschlusszeiten zu ändern, zeigt, dass man keine Ideen hat, wie Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern zu helfen ist. Sie sind ein Teil der systemrelevanten Infrastruktur. Allein deshalb braucht es vereinfachte Investitionsprogramme. Damit Ladeninhaber ihre Geschäfte energetisch und klimaneutral sanieren können.
Man muss den kleinen Händlern helfen
Es braucht für sie einen Energiepreisdeckel. Das hilft insbesondere den Betreibern von kleinen Geschäften. Die gilt es zu schützen. Sie sind – soweit würde ich gehen – ein Teil des öffentlichen Kulturguts. Denn die großen Ketten werden es irgendwie schon schaffen, aber nicht die Kauffrau, der Kaufmann von nebenan.
Und nebenbei: Es ist auch im Sinne einer offenen, liberalen Gesellschaft, dass man alles versucht, unser Leben – wie wir es kennen – aufrechtzuerhalten. Alles andere wäre ein Sieg des Aggressors Putin. Das kann keiner wollen.

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