Kommentar
Die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel warf einem Journalisten vor, "Aktivismus" zu betreiben. Dass Journalisten durch AfD-Politiker infrage gestellt werden, darauf müssen sie vorbereitet sein, meint Medienjournalist Michael Meyer. © picture alliance / dts-Agentur
Wie Journalisten Interviews mit der AfD führen sollten

Abstreiten, ablenken, Lügen oder Halbwahrheiten verbreiten. Politiker der AfD folgen bei Interviews oft bestimmten Mustern, sagt der Medienjournalist Michael Meyer. Darauf müssen sich Journalisten noch besser vorbereiten und hartnäckig sein.
Vor über 20 Jahren, im Jahr 2004, kam es am Wahlabend einer Landtagswahl in Sachsen im ZDF zu einer denkwürdigen Szene: Der damalige Spitzenkandidat der NPD, Holger Apfel, war mit seiner Partei gerade in den Landtag gewählt worden und provozierte die Moderatorin Bettina Schausten mit Begriffen wie „Pogromstimmung“ gegen die NPD und einigen weiteren Beschimpfungen. „Seien Sie bitte still“ schrie die Moderatorin mehrmals verzweifelt. Doch der NPD-Kandidat schwieg erst, als ihm das Mikrofon abgedreht wurde.
Die Szene zeigt, wie sich die Medien bereits seit 20 Jahren schwertun, mit Rechtsextremen umzugehen. Sicher, seitdem ist viel passiert. Die NPD ist nach ihrer Umbenennung in „Die Heimat“ gänzlich in der Bedeutungslosigkeit versunken. Die AfD allerdings ist nach einer aktuellen Umfrage die zweitstärkste politische Kraft in Deutschland. Totschweigen? Das geht nicht.
Berichterstattung mit Hinweis auf Einstufung der AfD
Doch wie nun mit der AfD umgehen? Diese Frage beschäftigt nicht nur Politiker und Politikerinnen von links bis rechts, sondern auch Medienmacher in vielen Redaktionen. Und nach wie vor sind die Antworten wenig befriedigend. Die ARD schrieb in einem aktuellen Statement dieser Tage, dass man weiterhin von Fall zu Fall entscheiden wolle, etwa wenn es um Einladungen in Talkshows geht, und dass es keine offizielle Verfügung von oben herab gebe.
Aber: „Nach der Neubewertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden wir in unserer politischen Berichterstattung darauf hinweisen, dass es sich bei der AfD um eine Partei handelt, die als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist.“ Also darauf "hinweisen", das ist schon mal ein Anfang.
Was aber noch viel eher nottut, ist eine bessere Vorbereitung, gerade jener Journalisten, die bei Radio und Fernsehen arbeiten. Es braucht eine verbesserte Interviewtechnik, gerade in Live-Situationen.
Die Fallstricke eines Gesprächs mit AfD-Vertretern sind offensichtlich: Wer sich viele Interviews im Nachhinein anschaut, wird bestimmte Strukturen der AfD-Vertreter wiedererkennen: abstreiten und ablenken, etwa von Fakten und Studien, die der AfD nicht in den Kram passen, das "Infragestellen" der Interviewer selbst – „Sie betreiben doch Aktivismus“, hielt Alice Weidel im letzten Jahr etwa einem ZDF-Moderator vor.
Und, noch wichtiger: Die AfD beherzigt allzu oft den Spruch des ehemaligen Trump-Beraters Steve Bannon, der sagte: „Flood the zone with shit“ – also so viele Lügen und Halbwahrheiten verbreiten, dass die Medienmacher kaum mithalten können.
Auf eine solche Strategie müssen Journalist*innen vorbereitet sein, wenn sie mit Rechtsextremen sprechen, sind es aber meinem Eindruck nach oft nicht.
ORF-Journalist Armin Wolf als Vorbild
Dass es anders geht, beweist der seit über 20 Jahren im ORF arbeitende Fernsehjournalist Armin Wolf. Er führt dort Interviews, die gefürchtet sind. 2016 fragte er einmal eine FPÖ-Abgeordnete, was sie eigentlich im Parlament verloren habe, angesichts ihrer antisemitischen und verschwörungstheoretischen Standpunkte.
Derlei Interviews würde ich mir mehr auch in deutschen Medien wünschen, auch auf die Gefahr hin, dass ein solches Gespräch mal eskaliert. Und man darf auch mal hartnäckig sein: Der britische Journalist Jeremy Paxman stellte 1997 bei der BBC einst zwölfmal hintereinander dieselbe Frage, weil sein Gesprächspartner notorisch einer Antwort auswich.
Klar ist allerdings auch: Ein besserer und kompetenterer medialer Umgang mit der AfD allein wird ihre Zustimmungswerte nicht schrumpfen lassen. Auch hier wieder ein Blick nach Österreich: Trotz mehrerer Korruptionsskandale und einem offen zur Schau getragenen Antisemitismus sowie einer deutlichen Ausländerfeindlichkeit erreichte die FPÖ bei der letzten Parlamentswahl rund 30 Prozent.
Dagegen hilft keine noch so gute Interviewtechnik, sondern nur, dass die Politik die beklagten Probleme und Missstände im Land sichtbar angeht.