Kolumne Klipp & Klar

Berlin deckelt die Mieten und plempert trotzdem

02:08 Minuten
Haus der Statistik DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 03.10.2019 Aussenansicht vom Haus der Statistik in Berlin Mitte. Seit 10 Jahren steht das Haus der Statistik mitten in Berlin leer. Auf Hinwirken der Initiative Haus der Statistik, einer Gruppe engagierter Kuenstler:innen, Architekt:innen, Kulturschaffender und Politikerinnen wurden 2015 die bisherigen Plaene für den Verkauf an Investoren und der geplante Abriss verhindert. Kunstaktion von Mieterorganisationen und politischen Initiativen gegen hohe steigende Mieten, teure Modernisierungen, Gentrifizierung, Verdraengung und Zwangsraeumungen. House of Statistics, Haus der Statistik in Berlin, Germany. The building was the former seat of the State Central Administration of Statistics SZS of the German Democratic Republic GDR. An art action was staged in order to prevent the sale of the b
Ein leerstehendes Haus in Berlin mit Protestplakaten gegen Immobilienspekulationen © www.imago-images.de / IPON
Von Sebastian Engelbrecht · 22.10.2019
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Berlins rot-rot-grüner Senat hatte es hier sehr eilig: Die Landesregierung der Hauptstadt beschloss innerhalb weniger Monate einen Mietendeckel. Unserem Kolumnisten Sebastian Engelbrecht gefällt die Idee, doch er findet das Instrument in seiner Umsetzung wenig hilfreich.
Die Idee klingt beim ersten Hinhören gut: Der Mietendeckel soll die abenteuerliche Dynamik auf dem Berliner Wohnungsmarkt bremsen: Die sogenannten "Angebotsmieten" sind in den vergangenen zehn Jahren um 85 Prozent gestiegen. Das ist Wahnsinn.
Aber der Mietendeckel wird die Bau-Konjunktur in Berlin zum Erliegen bringen. Außerdem bestraft er Spekulanten und kleine Vermieter gleichermaßen, die schon immer mäßige Mieten verlangt haben. Sie alle dürfen die Mieten jetzt nicht mehr erhöhen.

Die Progressiven Anbieter werden bestraft

Berlins Mietendeckel bestraft sogar die progressivsten Anbieter auf dem Berliner Markt, die Genossenschaften. Sie haben 200.000 Wohnungen in Berlin. Wenn die Genossenschaften mehr Wohnungen zu fairen Preisen bauen wollen und wenn sie ihre bestehenden Wohnungen instandhalten wollen, dann sind sie auf moderate Mieterhöhungen angewiesen. Aber durch den Mietendeckel machen die Genossenschaften 150 Millionen Euro Verlust in den kommenden fünf Jahren – so haben sie berechnet.
Das Beispiel zeigt die Absurdität des Mietendeckels. Sinnvoller wäre es, bestehende wohnungspolitische Instrumente konsequenter anzuwenden: Mietspiegel, Mietpreisbremse, Kapppungsgrenze.

Langfristig eher eine Bremse

Erstaunlich finde ich übrigens: Beim Mietendeckel handelte der Berliner Senat so schnell wie sonst nie. Kaum waren die Eckpunkte beschlossen, am 18. Juni, schon wurde das Mietendeckelgesetz für rechtswirksam erklärt! Dabei wird das Abgeordnetenhaus frühestens im Januar nächstes Jahr wirklich darüber entscheiden. Und es ist längst nicht klar, ob der Mietendeckel von der Verfassung gedeckt ist.
Der Mietendeckel wird die Mieter kurzfristig entlasten. Aber langfristig geht er nach hinten los. Er bremst den Wohnungsbau, der der Schlüssel zu einer dauerhaften Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ist.

In unserer regelmäßig unregelmäßig im "Studio 9" ausgestrahlten Kolumne "Klipp & Klar" machen sich unsere Redakteure Luft. Das Format lebt von der Spontaneität des Moments.

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