Gegen steigende Mieten

Wohngeld zahlen und Vermieter stärker besteuern

05:36 Minuten
Luftaufnahme der Stadt Lüneburg in Deutschland.
Auch in der Stadt Lüneburg steigen die Mieten stetig. © picture alliance / Bildagentur-online/ Gernhoefer McPhoto
Steffen Sebastian im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 04.10.2019
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Steffen Sebastian ist mit seiner Kommission für die Regelung der Mietspiegel in Deutschland zuständig. Vom Mietendeckel hält er wenig. Der Professor für Immobilienfinanzierung setzt stattdessen auf den Markt.
Stephan Karkowsky: Angeblich sind in deutschen Großstädten die größten Ängste gerade die vor steigenden Mieten und damit vor dem Verlust der eigenen Wohnung. Zumindest in Berlin fand das Thema aber gestern weniger Interesse, als von den Organisatoren einer Mieten-Demo erhofft. "Richtig deckeln, dann enteignen", so lautete das Motto. Sprechen möchte ich darüber mit Steffen Sebastian. Er ist Professor für Immobilienfinanzierung an der Uni Regensburg und Vorsitzender der Mietspiegel-Kommission der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung. Diese Mietspiegel-Kommission – sind Sie so was wie Deutschlands oberster Mietendeckler?
Steffen Sebastian: Nein, ganz bestimmt nicht. Die Mietspiegel-Kommission ist eine Kommission, die ins Leben gerufen wurde von der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung, eine unabhängige wissenschaftliche Vereinigung, in der sich 15 Experten aus Wissenschaft und Praxis Gedanken machen, wie die Mietspiegel in Deutschland, und zwar nur diese, richtig geregelt werden sollten.

Maximalforderung: Vermieter enteignen

Karkowsky: Diese Demonstration gestern in Berlin hat eine ganz harte Linie verfolgt: erst die Mieten deckeln, dann Vermieter enteignen. Braucht es womöglich solche Maximalforderungen, um heute überhaupt irgendetwas zu bewirken?
Sebastian: Das ist jetzt ein Gebiet der politischen Diplomatie, wo man gerne dann Maximalforderungen aufstellt, um irgendwas zu erreichen. Meine persönliche Meinung ist, dass das wenig zielführend ist, hier etwas zu versuchen oder zu versprechen, was in keinem Fall umsetzbar ist. Aber hier ist insbesondere die Politik gefordert, mutiger zu sein bei dem, was wirklich umsetzbar ist.
Karkowsky: Im aktuellen Entwurf, solange der nicht noch am Ende verändert wird, heißt es in Berlin, dass Mieter und Mieterinnen, die mehr als 30 Prozent des Einkommens für ihre Wohnung zahlen müssen, ihre Miete auf die im Deckel festgelegten Grenzen absenken können. Eine solche Mietabsenkung, halten Sie das für möglich?
Sebastian: Ich halte weder die Mietabsenkung für möglich noch den Mietendeckel insgesamt. Es gibt ja nun wirklich mehrere hochqualifizierte Experten, die sich zu dem Thema geäußert haben, dass die ganze Gesetzgebung für Berlin aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist.

"Investoren haben sich von Berlin abgewandt"

Karkowsky: Nun will aber trotzdem der Berliner Senat am 15. Oktober zunächst entscheiden, ob die Stadt überhaupt einen solchen Mietendeckel bekommen soll, und dann geht es um die Einzelheiten. Halten Sie das ganze Vorhaben von vornherein für zum Scheitern verurteilt?
Sebastian: Das darf man wohl so sagen, aber das heißt ja nicht, dass es ohne Auswirkungen ist. Viele Investoren haben sich von Berlin jetzt erst mal abgewandt, und bis das Vertrauen der Investoren wiederhergestellt ist, wird es lange dauern. Jetzt kann man natürlich sagen, das ist genau das, was die Stadt erreichen wollte, aber irgendwer wird die Wohnungen bauen, instand halten und sanieren müssen. Jetzt bin ich mal gespannt, wo das Geld dafür herkommen soll.
Karkowsky: Nun gibt es ja verschiedene Möglichkeiten, mit den steigenden Mieten umzugehen. Mietendeckel wäre eine, Mietpreisbremse, Mietspiegel, diese Instrumente werden am häufigsten genannt, wenn es um zu hohe Mieten geht. Inwieweit bedingen sich die eigentlich gegenseitig und inwieweit widersprechen sie sich vielleicht auch?

Wohnungspolitik, ein abendfüllendes Seminar

Sebastian: Jetzt bräuchten wir einen abendfüllendes Seminar, um in die Wohnungspolitik einzusteigen. Die Wissenschaft hat hier eine relativ klare Meinung, was das angeht. Unser Kernkonzept ist nun mal die soziale Marktwirtschaft. Das heißt, zunächst gilt erst der Markt, und wenn irgendjemand zu viel verdient oder soziale Probleme bekommt, dann wird umverteilt. Das heißt also, die Lösung der Wissenschaft heißt immer, Wohngeld zahlen an diejenigen, die es brauchen; und diejenigen, die die hohen Mieten zahlen können, die sollen diese dann auch zahlen. Und wenn man der Auffassung ist, dass Vermieter zu viel Geld verdienen mit der Vermietung von Wohnungen, dann muss man diese entsprechend besteuern. Dann hat man auch das notwendige Geld, was man dann umverteilen kann.
Karkowsky: Aber ich glaube, es ist ein Unterschied, zu sagen, ob Vermieter zu viel Geld verdienen mit dem Vermieten von Wohnungen, oder ob man sagt, die Mieter zahlen zu viel.
Sebastian: Das ist richtig, aber die Frage ist immer, ist es wirklich machbar, 20 Millionen Mietverträge in Deutschland zu kontrollieren, ob tatsächlich wirklich jeder die Miete zahlt, wie das vom Gesetzgeber gewünscht ist und ob das wirklich die zentrale Funktion ist, jeden - auch vermögende Leute - vor zu hohen Mieten zu schützen.

Allgemeingültige Regeln für Mietspiegel

Karkowsky: Nun sind Sie Vorsitzender der Mietspiegel-Kommission, und dieser Mietspiegel steht ja seit Jahren auch wegen seiner Berechnungsmethode in der Kritik. Sehen Sie sich die eigentlich an?
Sebastian: Ich bin ja nicht verantwortlich für die Mietspiegel in ganz Deutschland. Ich meine, es gibt ja auch etliche Mietspiegel, die sehr, sehr gut sind und sehr ordentlich berechnet werden. Aber es gibt eben auch einige, bei denen das nicht der Fall ist, und die Regierung hat sich ja sehr sinnvollerweise des Vorhabens angenommen, hier allgemeingültige Regeln zu erstellen. Und dabei wollen wir die Regierung tatkräftig unterstützen.
Karkowsky: Und welche Regeln wären diejenigen, die tatsächlich dazu führen, dass Menschen, die jetzt in Angst leben, sich in Großstädten irgendwann ihre Wohnungen nicht mehr leisten zu können?
Sebastian: Ja, dann muss man zunächst sagen, der Mietspiegel ist einfach nur eine Statistik, und die muss richtig und wahrhaftig gemacht werden - und ist selbst kein politisches Instrument. Aber ohne einen gültigen Mietspiegel, der tatsächlich so ist, wie er sein sollte, greifen auch politische Instrumente wie insbesondere die Mietpreisbremse ins Leere.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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