Kolonialer Sklavenhandel in Deutschland

Als Prestigeobjekte gehalten

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Ausschnitt aus den Fresken von Michele Colonna und Agostino Mitelli im Palazzo Pitti, Florenz.
Christlich getaufte Schwarze galten im 17. Jahrhundert als Prestigeobjekt - auch in Deutschland. Viele von ihnen waren ehemalige Sklaven. © akg-images / Rabatti & Domingie
Von Gunnar Lammert-Türk · 28.06.2020
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Auch Deutschland war in den Sklavenhandel verstrickt. Die ersten Spuren finden sich bereits im 17. Jahrhundert: Die evangelische Kirche verzeichnete Sklaven, die in deutschen Landen getauft wurden - auch um sie anschließend zur Schau zu stellen.
"Zumeist versammelte sich die Taufgesellschaft im Hause des Taufpaten", erzählt die Historikerin Renate Dürr. "Von dort begab man sich unter Glockengeläut, manchmal unter dem Klang von Trompeten und Posaunen in die Kirche. Den Statuswechsel betonte man in Altdorf: Hier liefen in der Prozession hin zur Kirche erstmal vorne die Männer und da hinten die Frauen. Und dazwischen, getrennt von beiden Gruppen, lief - und das ist jetzt ein Zitat aus dieser Taufpredigt -‚die Möhrin ganz alleine‘."

Die Taufe zeigt den Statuswechsel

Renate Dürr zitiert aus einer Predigt, gehalten bei der lutherischen Taufe einer "Möhrin" genannten afrikanischen Sklavin am 20. Februar 1688 in Altdorf bei Nürnberg. In die deutschsprachigen Länder gelangten Sklaven aus Afrika damals über hiesige Kaufleute, die am Sklavenhandel beteiligt waren.

Auch aus den Kriegen gegen das Osmanische Reich wurden Kriegsgefangene als Sklaven hierher gebracht. Wobei es sowohl Afrikaner als auch Bewohner des Osmanischen Reichs gab, die freiwillig in deutsche Länder gekommen waren. "Mohren" nannte man die einen, "Türken" die anderen. Und ihre Taufe entsprechend "Mohren"- oder "Türken"-taufe.

Sklaverei als Bedingung der göttlichen Gnade

Wie ihr vorheriges Leben aussah, davon erfuhr die anwesende Gemeinde in der Taufpredigt, sagt Renate Dürr:
"Von Krieg, Verschleppung und Sklaverei von Männern und Frauen und Kindern berichten alle Predigten ausführlich und nicht selten in drastischen Bildern. Sie gelten als unabdingbare Voraussetzung für die göttliche Gnade, mit denen diese Menschen aus ihrem früheren Unglauben und der Gewalt des Teufels erlöst worden seien."
Außerdem gab es im Taufgottesdienst ein Examen, in dem die Täuflinge Auskunft über den christlichen Glauben geben mussten. Und über ihre vorherige Religion. Waren sie Muslime, hörte die Gemeinde – freilich standardisiert und einstudiert – etwas über den Islam: über Mohammed als Heilsmittler, die Bedeutung von Jesus im Islam und über muslimische Paradiesvorstellungen. Das neue Leben, in das sie mit ihrer Taufe eintraten, wurde durch symbolische Akte verdeutlicht:
"So umwickelte man in Erfurt den Täufling mit drei verschiedenfarbigen Bändern", erzählt die Historikerin Renate Dürr. "Das rote Band, das man dem Täufling um den Bauch wickelte, sei als Zeichen der Liebe, des Friedens und der Vollkommenheit des blutigen Verdienstes Jesu Christi zu begreifen. Das schwarze Band, mit dem die Hände gebunden wurden, galt als Zeichen für das Kreuz und die Buße. Grün umwickelte man die Arme. Diese Farbe stehe für die Hoffnung, Zuversicht und Stärke, erläuterte der Pfarrer."

Taufe als Triumph des Christentums

Im gesamten Taufgottesdienst sollte der Triumph des lutherischen Christentums über den als falsch angesehenen vorherigen Glauben zum Ausdruck kommen. Zugleich dienten die Taufen der Fremden der Ermahnung der Gemeinde. So sagte der Württemberger Pfarrer Samuel Urlsperger in der Predigt zur Taufe eines Afrikaners am ersten März 1716:
"Gott will uns unbekehrte Christen mit unserem unchristlichen Christentum durch solche Beispiele schamrot machen. Er will uns darauf hinweisen, dass das Christentum nicht im bloßen Namen, in leeren Worten und Gebärden, in Vernunft und rein äußerlicher Ehrbarkeit besteht, sondern in göttlicher Kraft, Weisheit und in der Gewissheit im Heiligen Geist, der uns zu allem Guten drängt und vom Bösen wegführt."

Rahmenprogramm zur Fürstenhochzeit

Die Predigten der lutherischen Taufgottesdienste des 17. und 18. Jahrhunderts wurden gedruckt: Als so bedeutsam galten die Taufen der Fremden. Es erhöhte die Reputation, Pate oder Patin bei solch einer Taufe zu sein. Und mit den Taufen selbst schmückten sich lutherische Herrschaften – die Historikerin Renate Dürr nennt als Beispiel die Eheschließung der Tochter des Herzogs von Schleswig-Holstein-Gottorf Sophia Augusta mit Fürst Johann von Anhalt:
"Diese Hochzeit fand im Jahre 1649 statt und dauerte dann zehn Tage und bestand aus allen nur erdenklichen Feierlichkeiten: Feuerwerke wurden gezündet, Turniere veranstaltet, Ballette getanzt, Komödien gespielt. Und eben auch zwei Perser getauft. Mit dieser Taufe konnte die Schleswig-Holstein-Gottorfer Herrschaft ihre Weltläufigkeit und ihre christliche Gesinnung zur Schau stellen."

Getaufte Sklaven sollen Weltläufigkeit beweisen

Der Zur-Schau-Stellung dienten auch die sogenannten "Hofmohren". Häufig zuvor getauft, zierten sie als Trommler und Trompeter deutsche und europäische Höfe im 17. und 18. Jahrhundert in deren Wettstreit um tatsächliche oder nur vorgebliche Weltläufigkeit und als Beweis ihres Reichtums.
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