Fünf Jahre "Arabischer Frühling"

Was hat die Revolution gebracht?

Demonstranten gegen die ägyptische Regierung auf dem Tahrir-Platz in Kairo im Februar 2011.
Demonstranten gegen die ägyptische Regierung auf dem Tahrir-Platz in Kairo im Februar 2011. © picture alliance/dpa - Andre Pain
Martin Gehlen und Omid Nouripur im Gespräch mit Klaus Pokatzky · 23.04.2016
Der "Arabische Frühling" versprach einen demokratischen Aufbruch: Despoten wurden verjagt, die Menschen hofften auf einen Neuanfang. Doch wie sieht es heute aus? Darüber diskutieren wir mit dem Journalisten Martin Gehlen und Omid Nouripour von Bündnis90/Die Grünen.
2011 blickte die Welt voller Hoffnung auf den Nahen und Mittleren Osten – die Demonstrationen und der demokratische Aufbruch in Tunesien und Ägypten prägten die Bilder des "Arabischen Frühlings". Despoten wurden aus ihren Ämtern gejagt, die Menschen in der Region hofften auf einen Neuanfang.
Und heute?
Nach fünf Jahren fällt die Bilanz ernüchternd aus: In Ägypten regiert der nächste Autokrat mit harter Hand, Tunesien kämpft mit der Arbeitslosigkeit und wird vom Terror überzogen. Im Jemen herrscht Bürgerkrieg, Libyen zerfällt und droht zum Drehkreuz des internationalen Terrors zu werden; der syrische Diktator Assad sitzt nach wie vor fest im Sattel. Der "Islamische Staat" breitet sich wie ein Flächenbrand aus – die Zahl der Flüchtlinge aus der Region steigt.

Die Blütenträume sind verwelkt

"Fünf Jahre später herrscht eiskalter Winter. Alle Blütenträume sind verwelkt, die altbekannte, erstickende Ohnmacht zurückgekehrt."
Das sagt Martin Gehlen. Der Journalist kennt die Region seit langem; er ist Zeitungskorrespondent für den Nahen und Mittleren Osten und lebt in Kairo. Seine Beobachtung:
"Fast alle arabischen Völker stehen mittlerweile nur noch vor der unglücklichen Alternative, sich wie in Ägypten entweder mit einem hyper-autoritären Polizeistaat abzufinden oder wie in Libyen, Syrien und Jemen den Zerfall der eigenen maroden Nation mit ansehen zu müssen."
Der Politologe mahnt, dass Europa über die Flüchtlingskrise nicht all jene vergessen dürfe, die in den Ländern geblieben sind und auf Unterstützung hoffen:
"Man muss den jungen Leuten, die diesen Aufbruch getragen haben, Hoffnung bieten. Man muss ihnen zeigen, dass es hier in Europa Menschen gibt, die ihre Ideale teilen."

Europa darf sich nicht wegducken

"Wer den Krieg kennt, lernt den Frieden doppelt zu lieben",
sagt Omid Nouripour. Der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen schaut auch aus der eigenen Erfahrung auf die derzeitige Lage: Er ist 1975 in Teheran geboren und kam mit 13 Jahren nach Deutschland. Seit 2006 sitzt er für die Grünen im Bundestag, seit Ende 2013 vertritt er seine Fraktion als außenpolitischer Sprecher. Er ist zudem Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.
"Meine Kindheit im Iran war geprägt vom Krieg zwischen Iran und Irak. Der Krieg bestimmte unseren Alltag, zuhause und in der Schule. Friedens- und Sicherheitspolitik ist daher heute mein Schwerpunkt im Parlament."
Nouripour bereist die Region regelmäßig. Europa, so seine Forderung, dürfe sich nicht weiter wegducken; sowohl, was den Krieg in Syrien als auch die Umbrüche in den anderen arabischen Ländern, wie dem Irak, Libyen oder Afghanistan betreffe. Sonst drohe ein weiterer Zerfall der Staaten, eine Stärkung des "Islamisches Staats" – und eine Zunahme der Flüchtlingsströme.
Fünf Jahre "Arabischer Frühling" – Was hat die Revolution gebracht?
Darüber diskutiert Klaus Pokatzky heute von 9:05 bis 11:00 Uhr mit Martin Gehlen und Omid Nouripour.

Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de sowie auf Facebook und Twitter.

Informationen zu Omid Nouripour im Internet:
www.nouripour.de

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