Knochenptimierung am Computer

Von Achim Killer · 02.01.2011
Forschern an der TU München ist es gelungen, das Zusammenspiel von menschlichen Oberschenkelknochen und einer künstlichen Hüftprothese vollständig im Computer zu simulieren. Wenn das Verfahren ausgereift ist, können Operationen besser vorbereitet, Komplikationen, Schmerzen und die Kosten einer Nachbehandlung vermieden werden.
"Es ist so, dass in den Klinken weltweit mehr als eine Million Hüftgelenksprothesen eingesetzt werden. Allein in Deutschland sind es mehr als 135.000 pro Jahr. Häufig kommt es als Spätfolge von diesen OPs zu Problemen mit der Prothese. Die Prothese beginnt zu wackeln, oder es kommt zu Entzündungen im Knochen."

So Diplomingenieur Martin Ruess vom Lehrstuhl für Computation in Engineering der Technischen Universität München. Ein künstliches Hüftgelenk einzusetzen, ist seit etlichen Jahren eine Routineoperation an vielen deutschen Kliniken. Trotzdem mutet die Vorbereitung für einen derart massiven Eingriff immer noch recht archaisch an:

"Der Operateur hat im Vorfeld Röntgenbilder vom Knochen und von der Prothese und legt die übereinander, um zu kucken, wie gut die Prothese passt. Dreidimensionale Daten werden nur in den seltensten Fällen verwendet und nur von ganz wenigen Klinken."

Computerwissenschaftler und Mediziner der TU haben deshalb 3D-Bilder von Hüftprothesen digitalisiert. Im Rechner werden sie mit ebenfalls dreidimensionalen Computertomographie-Aufnahmen vom Oberschenkelknochen des Patienten kombiniert. So lässt sich vor einer Operation genau überprüfen, welches Implantat am besten passt. Und die Simulation muss noch mehr abchecken, sagt Dr. Rainer Burgkart, der Leiter der orthopädischen Forschung am Universitätsklinikum rechts der Isar:

"Zusätzlich zur Passung – das ist ja eine geometrische Passung – will man unbedingt die Kräfte berechnen, also vorbestimmen. In dem Moment, wo ich zum Beispiel auf das Bein steige, übe ich eine bestimmte Kraft - das sind in der Regel 150 Kilo – auf den Hüftkopf aus. Und diese Kraft muss über die Prothese in den Knochen geleitet werden. Und was uns als Orthopäden interessiert ist, dass diese Kraft möglichst im oberen Bereich des Knochens direkt übertragen wird, damit der Knochen belastet ist und auch dort bleibt."

Wie die Kraft auf den Oberschenkelknochen des Patienten wirkt, ist entscheidend für das Gelingen einer Operation.

"Der Knochen will – möglichst genau so wie vor der Operation – die Kraft bekommen. Der Knochen braucht Kraft, damit er da bleibt. Wenn die Kraft weggeht, wenn er unterfordert ist, wird er verschwinden, wird er abgebaut. Das ist etwas ganz Physiologisches. Und genau das wollen wir verhindern."

Deshalb haben die Wissenschaftler die menschlichen Knochen und die Prothese, einschließlich der auf sie wirkenden Kräfte, im Rechner simuliert.

Martin Ruess: "Der Stand des Projektes ist derzeit so, dass wir die Implementierung prototypisch fertiggestellt haben. Das heißt: Wir können im Rechner beide zusammenführen und belasten. Und wir bekommen sofort eine Antwort auf das Elastizitätsverhalten von Knochen und Prothese."

Allerdings ist die Simulation noch sehr grob, ein erstes Modell eben. Es muss noch verfeinert werden. Die Wissenschaftler legen denn auch großen Wert auf die Feststellung, dass Patienten, die aktuell vor einer Operation stehen, noch nicht auf die neue Technik setzen können.

"Wir sehen, dass die Rechnungen sehr plausibel sind, dass da sehr interessante und für uns auch durchaus nachvollziehbare Ergebnisse rauskommen. Aber wir müssen im Prinzip an anatomischen Präparaten, also an humanen Knochen, sozusagen genau diese Situation auch durchspielen, und um dann zu sehen, was ist in der Wirklichkeit, sprich: An dem Knochen, was treten da für Kräfte auf, und was würde im Rechner ausgerechnet werden, um sozusagen, zu validieren, zu evaluieren, wie gut ist das Verfahren. Das ist der Stand, auf dem wir im Moment sind. Es sieht sehr erfolgversprechend aus. Aber da ist noch etliche Arbeit zu tun."

Eine Hüftgelenksoperation, so der Orthopäde Dr. Rainer Burgkart ist übrigens eine der wenigen Dinge, die sich nur im Rechner simulieren lassen. Vieles andere probieren Mediziner ja an Tiermodellen aus, sprich: Sie führen Tierversuche durch. Das aber funktioniert beim aufrechten Gang nicht. Der ist halt ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen mit allen Problemen, die das mit sich bringt.

"Der Zweibeinergang ist ganz anders als der Vierbeinergang. Da hat sich der Mensch einfach in der Evolution mal entschieden, ich will den aufrechten Gang. Und das ist eine komplett andere Biomechanik."
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