Warum ich manches nicht verstehen will

Pegida-Fans, religiöse Fanatiker, Putins Kriegspolitik: Für alles und jeden soll man heute Verständnis aufbringen - und permanent irgendwelche "Ängste" ernst nehmen. Joachim Scholl will da nicht länger mitmachen. Eine Glosse.
Neulich saß bei Günther Jauchs Millionärs-Quiz ein sympathischer junger Mann, der nicht wusste, wie man das Wort "renommiert" schreibt: Vorne mit einem oder zwei "n", dann mit doppeltem oder einfachem "m"? - Die Joker waren eh schon weg, der Kandidat stieg aus, nicht ohne sich noch probehalber und prompt für eine falsche Lösung zu entscheiden.
Günther Jauch sah man es deutlich an, wie er mit sich rang! Ihm lag auf der Zunge, was ich auf meinem Sofa laut brüllend ins TV schrie: "Mann o Mann, ist es zu fassen, so einer hat Abitur!" Auch Moderator Jauchs Miene sprach Bände, sagen wollte er aber nichts, natürlich, bloß nicht arrogant wirken, womöglich Zuschauer verprellen, die auch kein Deutsch können.
Immer brav auf Augenhöhe
Und in diesem Moment schlug der ganze Jammer unserer aktuellen Kultur voll bei mir ein: das unausgesprochene Diktat, immer alles und jeden verstehen zu müssen, ganz egal, wie beknackt es oder er daherkommt. Den Schulversager genauso wie den religiösen Fanatiker, den saturierten Mittelstands-Deutschen, der in der Pegida-Hammelherde mittrottelt oder einen Potentaten, der ein Nachbarland mit Krieg überzieht und so tut, als wär' er's nicht.
Immer Verständnis aufbringen, "das kann man doch auch so oder so sehen", den anderen "ernstnehmen", am besten noch seine "Ängste", wie es im politischen Jargon in Sachen Pegida gern heißt, "und immer brav auf Augenhöhe". Klar haben wir in der Schule gelernt, dass man für alles ein offenes Ohr haben soll, durch empathisches Zuhören und Fragen Konflikte analysieren und im gemeinsamen, verständigen "Dialog" einer Lösung zuführen soll - schön!
Knallkopf bleibt Knallkopf
Nur bring' mal diese im Grunde einwandfreie Verständnisethik in Anschlag bei religiösen Fundamentalisten, Gewaltherrschern oder Pisa-Opfern. Knallkopf bleibt nämlich Knallkopf, in den leider nichts reingeht, der partout nichts verstehen will und sich noch eins lacht, weil man ihn nicht so nennen darf.
Mir steht's jedenfalls bis hier, und an meinem Fernsehabend habe ich doch wieder bedauert, dass sich mein frühester Berufswunsch nicht erfüllt hat. Und zwar Lehrer zu werden. Da hätte ich gewirkt, Tacheles geredet mit den Schratzen, ihnen beigebracht, wie man richtig schreibt, eisenhart! Aber vermutlich müsste ich heutzutage nach jeder Deutschstunde zum Mediatoren-Gespräch antanzen, mit Eltern, weil ich ihrem kleinen Kevin eine Sechs ins Heft gemalt hätte, tja, Herrschaften, wenn der Dödel "verstehen" unbedingt ohne "h" in der Mitte schreiben will...
Oder ich wäre gleich nach drei Wochen suspendiert worden, wegen mangelndem Verständnis für Schutzbefohlene oder so. Kein gutes Renommee! Mit einem "n" und zwei "m", übrigens. Nur dass man mich richtig versteht.