Klostergründung in Brandenburg

Thinktank der inneren Ruhe

Pater Kilian vor seinem Kloster in Neuzelle.
Pater Kilian vor seinem Kloster in Neuzelle. © Rocco Thiede / Deutschlandradio
Von Rocco Thiede · 31.08.2018
Erst studierte er Kulturwissenschaften, dann wurde er Mönch. Auslöser war eine Art "Gottesbegegnung". Jetzt will Pater Kilian in Ostbrandenburg ein Kloster neu besiedeln.Dabei geht es ihm vor allem um die klösterliche Gemeinschaft.
Wer den Mönch besser kennenlernen möchte, muss ihn im Kloster besuchen. Seit über einem Jahr lebt er hier, nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Glaubensmäßig also eher: Diaspora. Betet dreieinhalb Stunden täglich in der mit vielen weißen und goldenen Heiligenfiguren ausgeschmückten barocken Marienkirche.
Auch sonst: der Tag - fest strukturiert. Viel Zeit bleibt nicht für auswärtige Termine. Das war nicht immer so, anfangs spielte die Kirche in Pater Kilians Leben nur eine Nebenrolle:
"Ich bin 1976 in Mittelhessen geboren und bin auf eine katholische Schule gegangen – war aber evangelisch getauft. Aber ohne, dass ich mit einem konkreten, praktizierten Glauben aufgewachsen bin. Man ist in der Kirche, aber das läuft so nebenher."
Nach Stationen mit Studium und Arbeit in Bamberg, Frankreich und Hamburg schreibt sich Christian Müller, wie Pater Kilian Müller mit bürgerlichem Namen heißt, an der Universität in Frankfurt (Oder) für Kulturwissenschaften ein.
"Dort hatte ich dann das erste Mal Gelegenheit, mich auch geistlich und historisch fundiert mit den Zisterziensern zu beschäftigen bei einem Berliner Priester, der dort ein Seminar gegeben hat als Professor an der Viadrina."

Von der Uni ins Kloster

Bis dahin begeistern ihn zisterziensische Orte in Europa allein aus ästhetischen Gründen, wie der Architektur. Nun lernt er:
"Was auch an geistlichen Wurzeln dahintersteckt, geistlicher Symbolik. Was die Zisterzienser an kulturellen Leistungen, an Stabilität in Europa mitgebracht haben. "
Deshalb will auch er einmal eine Woche in einem Kloster verbringen. Auch um abzuschalten.
"Mönche sind sozusagen Profis mit innerer Ruhe, da geht man dahin, wo jemand sich auskennt, in so eine Art Thinktank oder Kaderschmiede der inneren Ruhe, wie auch immer man das bezeichnen möchte so ein Kloster."
Im Internet stößt er auf das Stift Heiligenkreuz in Österreich und stellt fest:
"Zisterzienser sind kein ausgestorbener Orden, sondern die leben noch und die sind sogar ziemlich lebendig dort. So habe ich mich per E-Mail bei dem damaligen Prior gemeldet und einen Aufenthalt im Sommer 2006 für eine Woche gebucht, wenn man das so sagen kann, als Kloster auf Zeit."
Pater Kilian
Pater Kilian studierte Kulturwissenschaften und wurde dann Mönch. © Rocco Thiede / Deutschlandradio
Aber Ruhe findet er dort nicht, im Gegenteil:
"Am dritten Tag dann, ganz unerwartet, hatte ich das, was man wohl eine Gottesbegegnung, ein Christuserlebnis nennt. Völlig unerwartet und sehr erschütternd. Bis ins Mark mit vielen Tränen und ziemlicher Überforderung. Wenn jetzt plötzlich, das absolute Sein, dass Gott selber, die Liebe selber, Christus, der Auferstandene sozusagen innerlich vor einem steht, ja was soll man da noch entgegenhalten?"
Noch dazu, wenn in der Bibel immer wieder die Rede davon ist, dass wenn jemand Gott sieht, er sterben wird? Der damals 29-Jährige fliegt nach einer Woche zurück nach Hause, packt seine Sachen und zieht fünf Tage später ins Kloster.

Klostergründung in Brandenburg

Heute, zwölf Jahre später und seit fünf Jahren Priester, geht für ihn mit dem Aufbau eines Tochterklosters in Neuzelle ein Traum in Erfüllung. Oder – wie Pater Kilian es nennt – eine Gebetserhörung.
"Und mein innerstes Anliegen war immer nicht irgendwo in die Ferne zu ziehen in ein exotisches Land, sondern dahin, wo wir herkommen, nach Deutschland, insbesondere nach Ostdeutschland, wo durch Jahrzehnte der Unterdrückung und des Versuchs, das Christentum zu verdrängen, auch ein großes Vakuum entstanden ist."

Mönche im Gästezimmer

Bisher leben die Mönche in den Gästezimmern des Pfarrhauses. Von einer abgeschiedenen Klausur kann noch keine Rede sein. Überhaupt gibt es noch jede Menge Erklärungsbedarf:
"Brandenburg ist jetzt nicht unbedingt, wie Österreich – Klösterreich. Das heißt, bei vielen ist auch gar kein Bewusstsein oder kein Wissen da, was ein Kloster überhaupt ist. Weil wenn wir Kloster sagen, dann meinen wir vor allem die klösterliche Gemeinschaft, das Leben da drinnen, das monastische Leben. Wenn andere Leute Kloster sagen, dann meinen sie halt die Gebäude. Für uns ist das aber eine Einheit, die man nicht trennen kann."
Die Neugründung in der Diaspora bezeichnet Pater Kilian als ein großes Experiment.
"Ich habe selber noch nie ein Kloster gegründet. Ich weiß nicht, wie das geht. Aber man bekommt auch aus dem Glauben heraus wirklich Hilfe. Ich habe den Eindruck, dass wir sehr geführt sind. Das ist wie bei einem Navi. Sie müssen sich bewegen, um zu erfahren, wo sie lang müssen. Wenn sie stehen bleiben, tut sich nix."
(mw)
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