"Ora et labora" in Kairo
Das christliche Mönchtum hat in der Einsamkeit der ägyptischen Wüste seinen Ursprung. Dieser alten Tradition folgend haben jetzt erstmals in Ägypten katholische Missionsbenediktiner ein Kloster gegründet – aber nicht in der Wüste, sondern mitten in Großstadt.
"Ora et labora", "Bete und arbeite ", lautet das Motto der Benediktiner-Mönche weltweit. In der Messe war der ägyptische Bruder Pius heute schon. Jetzt heißt es nämlich: Rasen mähen.
Seinen Habit, die weiße Ordenstracht, hat der junge Mönch auf den Kleiderbügel gehangen. In Shorts und T-Shirt dreht Bruder Pius jetzt Runde um Runde durch den gepflegten Kairoer Garten, mäht auch sorgsam an der mannshohen Mauer entlang, die das Grundstück umgibt. Das hellbeige gestrichene Gebäude mittendrin, ein zweistöckiges Wohnhaus, ist der Sitz des neu gegründeten Benediktiner-Klosters in Kairo. Der 29-Jährige gehört zu den ersten vier Männern, die das Haus bezogen haben.
"Wir beten, wir arbeiten"
"Ich bin noch Novize. Und auch die Benediktiner sind neu in Ägypten. Aber das ist genau der Orden, in dem ich Gott dienen möchte. Wir stehen früh auf. Wir haben einen festen Tagesablauf. Wir beten, wir arbeiten. Es gibt in Ägypten viele Arten des Mönchtums, aber nachdem ich eine Weile mit den Benediktinern gelebt habe, hatte ich das Gefühl, das ist genau der richtige Platz für mich. Wir sind alle Brüder. Das ist eine schöne Gemeinschaft. Unser Oberer hält für uns die Messe, aber danach ist auch er wie ein Bruder."
Gemeint ist Pater Maximilian. Der Gründungsobere ist Missionsbenediktiner und stammt aus Kenia. Er hat in Rom Theologie studiert. Doch weil sich der Mönch danach in den Fächern Arabistik und Islamwissenschaften weiterbilden wollte, schickte die Kongregation ihn 2009 für ein Jahr nach Kairo. Ägypten sei dadurch eine zweite Heimat geworden, sagt der 47-Jährige. Scherzend tauschen sich Pater Maximilian und Bruder Pius über ihre Sprachkenntnisse aus.
"Man kann nie sagen: Ich habe Arabisch studiert. Man bleibt immer Student."
Im Hintergrund erschallt der Ruf des Muezzins. Gleich gegenüber dem Haus, das die Benediktiner im Kairoer Stadtviertel Moqattam angemietet haben, befindet sich eine große Moschee.
Pater Maximilian kennt den Imam. Er pflegt ein freundschafliches Verhältnis zu den mehrheitlich muslimischen Nachbarn. Nur etwa 10 Prozent der ägyptischen Bevölkerung sind Christen. Pater Maximilian glaubt, dass das in der Regel friedliche Zusammenleben der Religionen in Ägypten vor allem deshalb funktioniert, weil Muslime und Christen den Glauben des jeweils anderen kennen. Nur durch Wissen könnten Vorurteile überwunden werden. Der Mönch selbst schreibt gerade an seiner Doktorarbeit in Islamwissenschaften.
"Sie wollten etwas über diese andere Art eines Klosters erfahren"
"Ich liebe den Klang des muslimischen Gebetsrufes. Weil ich verstehe, was er sagt. Ich habe auch sehr, sehr viele muslimische Freunde. Warum? Weil da Respekt und Liebe ist. Ich sage meinen jungen Männern immer: Lebt, was Christus euch gesagt hat, die Liebe. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Nicht, weil er Christ ist."
Pater Maximilian öffnet die Tür und macht eine kleine Führung durch das Kloster, zeigt die bescheidenen Zimmer und den Speisesaal. Dort hängen die Fotos gleich mehrerer Kirchenoberhäupter an der Wand: Der katholische Papst Franziskus und auch Patriarch Ibrahim Isaac sind zu sehen. Er ist das Oberhaupt der koptisch-katholischen Kirche in Ägypten, der nach Schätzungen mehr als 250.000 Gläubige angehören. Der Patriarch hat die Missionsbenediktiner unter ihren Schutz genommen. Auch der deutsche Abtpräses Jeremias Schröder vom Stammkloster der Kongretation, der Erzabtei St.Ottilien in Bayern, wird mit einem Porträt geehrt. Denn er hat die Idee, in Ägypten ein neues Kloster zu gründen, von Anfang an tatkräftig unterstützt, so Pater Maximilian:
"Einige junge Männer sahen mich im Habit in der Kirche. Sie kannten nur koptisch-orthodoxe Mönche. Und sie wollten etwas über diese andere Art eines Klosters erfahren. Und ich sagte: Kommt einfach vorbei und schaut Euch an, wie ich lebe. Sie kamen der Reihe nach zu mir. Es entstanden Freundschaften und ich sagte mir: Das Klosterleben hat doch in Ägypten begonnen. Vielleicht möchte Gott, dass hier etwas getan wird. Wenn das ein Geschenk von Ägypten war, können wir auch etwas zurückgeben, dann kann ich etwas für die jungen Leute hier tun."
Regelmäßig hat das neue Benediktiner-Kloster interessierte junge Kopten zu Besuch. Inzwischen hat sich Pater Maximilian seinen kenianischen Bruder Bruno an die Seite geholt. Und neben dem Novizen Pius lebt noch der ägyptische Bruder Arsanius im Haus, der bereits sein zeitliches Gelübde abgelegt hat. Ihre koptisch-katholische Herkunft soll sich bald auch in der Kapelle zeigen, in der am 9. März mit einer Feier das offizielle Klosterleben in Kairo beginnen soll. Pater Maximilian:
"Wir bekommen noch Ikonen und einen Altar. Dann wird es eine koptische Kapelle sein. Wir feiern hier dreimal in der Woche die Messe. Ansonsten beten wir bei den Franziskaner-Mönchen hier in der Nachbarschaft. Sie führen eine koptisch-katholische Pfarrgemeinde. Denn hier… das ist eine Art der Isolation. Aber ich möchte, dass meine ägyptischen Brüder fühlen, dass sie weiter ein Teil der Gesellschaft sind."
Auch die verschiedenen Muttersprachen der Mönche sollen keine Barriere darstellen.
"Wir benutzen arabische und englische Bibeln. Wenn wir junge Männer haben, die kein Englisch können, wechseln wir einfach ins Arabische."
"Terrorimus hat keine Religion"
In der Kloster-Küche brutzelt das Mittagessen. Die Benediktiner kochen selbst. Die Zwiebeln kommen aus dem Gemüsegarten, den Bruder Pius anlegt hat. Auf einem weiteren Grundstück in der Nähe der Stadt Ismailiya, unweit des Suez-Kanals, werden außerdem Mangos, Orangen, Oliven und Datteln angebaut. Durch eigenständiges Wirtschaften wollen die Mönche eines Tages nicht mehr von Spenden abhängig sein.
Aber eine Klosterneugründung in Zeiten islamistischer Terroranschläge, die in jüngster Zeit auch christliche Kirchen in Ägypten trafen, ist das nicht zu riskant? Das muss sich Pater Maximilian oft fragen lassen.
"Wenn ein Christ sagt: ich habe wegen der unsicheren Lage Angst, nach Ägypten zu gehen, dann hat diese Person nicht verstanden, was die Bedeutung des Christentums ist."
Ausgerechnet in diesem Augenblick heult vor dem Kloster eine Polizeisirene auf. Pater Maximilian bleibt ungerührt.
"Wenn du ein Christ bist, habe keine Angst während einer Krise. Terrorimus hat keine Religion. Die Art, mit der Terroristen Christen verfolgen, ist die gleiche, wie sie das mit Muslimen tun. Wir müssen einander die Hand reichen gegen diese Leute. Als Mönch habe ich keine Waffe, aber die christliche Waffe, die ich habe, ist die Liebe."
"Die Situation in Ägypten schmerzt", gibt der einheimische Bruder Pius zu.
"Aber diese Krisenzeiten haben immer zur Folge, dass man Gott näher rückt. Trotz der Probleme haben wir zahlreiche junge Leute, die Mönch werden wollen. Und ich werde mich riesig freuen, wenn viele es tun."