Klimawandel

Zu viel Salz auf dem Acker

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Blühender Meerkohl an der Küste Frankreichs
Meerkohl, Meer-Kohl, Kuestenmeerkohl, Kuesten-Meerkohl (Crambe maritima), bluehender am Kiesstrand, Frankreich, Picardie | sea-kale (Crambe maritima), blooming, France, Picardie, Atlantikkueste © picture alliance / blickwinkel/ McPhoto
Von Stephanie Eichler · 08.02.2022
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Müssen Felder stark bewässert werden, steigt der Salzgehalt im Boden. Das wird durch den Klimawandel auch in Deutschland zum Problem. Forscher experimentieren deswegen mit Pflanzen wie Meerkohl oder Meeresspargel, die auf salzigen Böden wachsen.
Der Gärtner Rafael Monge verkauft seine Ernte direkt bei sich auf dem Hof in Sanlúcar de Barrameda, an der spanischen Atlantikküste. “Ich berechne gelbe Zucchini, aber du bekommt dafür die grünen. Ich berechne ein Kilo weniger“, sagt er zu einem seiner Kunden. „Du bekommst auch Lauchzwiebeln und rote Zwiebeln. Weißt du, dass es die süßesten sind, die es gibt?” 
Das Gemüse wächst in einem sogenannten “Navazo”: Es ist ein Feld mit sandigem Boden, fast wie am Strand. Die Pflanzen bekommen hier zwar viel Sonne, müssen sich aber mit salzigem Grundwasser begnügen, das sie über ihre Wurzeln aufnehmen. In Küstennähe ist Grundwasser immer salzig, weil Meerwasser eindringt. Das Salz stresst die Pflanzen, die deswegen weniger Gemüse abwerfen. Gleichzeitig bildet die Pflanze aber mehr Aromastoffe.

Geringere Erträge, aromatisches Gemüse

Für den Chefkoch José Luis Fernandez sind die Zucchini und Tomaten, die er bei Rafael Monge einkauft, quasi das Salz in der Suppe. “Ich bin ein großer Liebhaber der Mohrrübe“, erzählt er. „Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Mohrrüben von Rafael und denen, die du bei jedem x-beliebigen Bauer einkaufen kannst. Die hier hat eine salzige Note, gleichzeitig auch eine süße. Die Haut ist ganz dünn, du kannst sie ruhig mitessen.” 
José Luis Fernandez greift zu den Einkaufstaschen, die der Bauer vollgepackt hat. Das reicht bis nächste Woche. Der Koch ist bereit, die höheren Preise zu zahlen, die der Landwirt veranschlagen muss, um seine geringeren Erträge auszugleichen.
Schließlich bekommt der Koch nicht nur besonders schmackhafte Möhren, zarte Erbsen und auffallend würzige Kartoffeln. Obendrein trägt er zum Umweltschutz bei, erklärt Rafael Monge. “Warum sollen wir noch mehr Entsalzungsanlagen bauen oder das Wasser von Stauseen über Kanäle über eine Infrastruktur von olympischen Ausmaßen bis zur Küste leiten, um Gemüseanbau zu betreiben?”

Süßwasser wird knapp

In Sanlúcar ist Monge inzwischen der einzige Bauer, der noch Salzwasser nutzt. Seine Herangehensweise mag rückständig wirken, ist aber richtungsweisend. Sie hilft, Süßwasser zu sparen. Süßwasser ist eine begrenzte Ressource. Schon heute ist sie in vielen Regionen knapp, so auch in Südspanien. Dort wird es mit viel Aufwand an die Küste befördert und auf die Felder gepumpt, zum Beispiel auf die Äcker von Monges Nachbarn. Sie können ihre Kartoffeln mit Süßwasser versorgen und erzielen üppige Ernten. Der Preis dafür ist ein hoher Energieverbrauch und die Produktion von klimaschädlichem CO2. Durch den Klimawandel und zunehmenden Wasserverbrauch wird Süßwasser noch knapper werden. Salzwasser hingegen ist reichlich vorhanden.
Felder in Spanien werden bewässert.
Bewässern sie ihre Felder ausreichend, erzielen die spanischen Bauern hohe Erträge. Doch Süßwasser wird knapp.© picture alliance / prisma / Raga Jose Fuste
Auf Monges Feld – umgeben von Dünen – wachsen auch sogenannte Halophyten. Sie kommen natürlicherweise im Übergangsgebiet von Meer und Land vor. “Das ist Meeres-Mangold. Ich habe hier einen Setzling entnommen. Die Pflanzen wachsen auch von allein am Strand“, erklärt der Bauer, geht in die Hocke. „Man kann sie essen. Das zeigt uns, dass wir nicht gegen das Meer und das Salzwasser kämpfen müssen. Wir müssen auch nicht aufhören, Gemüse am Strand anzubauen, schließlich macht die Natur das ja auch.”

Versalzte Felder auch in Deutschland

Auch mitten in Deutschland könnte es sein, dass Pflanzen mit mehr Salz klarkommen müssen. Das hat damit zu tun, dass die Bauern wegen zunehmender Trockenheit und Temperaturen öfter künstlich bewässern, erklärt der Biologe Frank Gaupels. “Man sieht jetzt schon, dass in bestimmten Regionen unter 300 Millimeter Niederschlag fallen, auch in Deutschland, zum Beispiel in der Region rund um Erfurt. Wenn da dann auch noch leichte Böden sind, muss man eigentlich bewässern, um da die Agrarflächen überhaupt noch nutzen zu können.” 
Auch im östlichen Harz, im thüringischen Tiefland und im oberrheinischen Tiefland wird es trockener – ein Problem, das sich buchstäblich gesalzen hat. “Regen ist extrem salzarm“, so Gaupels. Sobald man aber Grundwasser und Oberflächenwasser aus Flüssen nutze, gebe es immer einen gewissen Salzgehalt im Wasser. „Wenn man dieses Wasser nutzt für Bewässerung und bei starker Hitze, Trockenheit und bei hoher Verdunstung, wird das Wasser zum Teil schon an der Oberfläche verdunsten und zurückbleibt das Salz.“
Wasche Regen das Salz nicht bald wieder aus, akkumuliere sich das Salz in der oberen Bodenschicht – und würde dann vom Getreide oder Gemüse aufgenommen werden. Bisher sind die Böden in Deutschland noch nicht versalzen. Mit sparsamer Bewässerung versuchen die Landwirte, das Problem abzuwenden. Aktuell muss die Landwirtschaft hierzulande nur in wenigen Gebieten mit hohen Salzgehalten leben: an den Küsten oder bei Staßfurt in Sachsen-Anhalt, wo Salzwasser aus natürlichen Salzstöcken auftritt. Dort experimentieren Forschende mit dem Anbau von Halophyten.

Meerkohl – ein Gemüse der Zukunft?

Auch Frank Gaupels guckt sich im Ökowerk Emden an der Nordessküste diese Pflanzen genauer an. “Zum Beispiel: Ein Meerkohl ist eine Pflanze, die auf sehr salzhaltigen Böden gut wachsen kann.” Der Geruch von Meerkohl erinnert an Weißkohl, auch die Blätter sind ähnlich, nur etwas dicker. Gaupels und sein Team bauen auch Queller – also Meeresspargel – an sowie Karkalla, Strand- oder Meeresbanane.
Eingemachter Salat aus Meeresspargel, auch Queller genannt
Queller schmeckt als Salat oder eingemacht. Meeresspargel wird das Wildgemüse auch genannt, das in Küstennähe wächst.© picture alliance / blickwinkel / F. Hecker
Im Rahmen des länderübergreifenden Projekts SalFar untersucht der Biologe, wie Landwirtschaft mit mehr Salz in Böden und Wasser gelingt. Er arbeitet mit Fachleuten auf der holländischen Insel Texel zusammen. Sie interessiert die Vermarktung von Kartoffeln, die recht salziges Wasser bekommen – so wie bei dem spanischen Bauer Rafael Monge. Doch der Absatz der holländischen Kartoffel läuft nicht so gut.
“Am Ende ist der Kartoffelmarkt extrem umkämpft, und da gibt es schon sehr viele Sorten auch mit vielen verschiedenen Geschmäckern und Aussehen“, sagt Gaupels. „Das ist vor allen Dingen auf den Inseln interessant für Touristen, die nachlesen, dass die Kartoffeln auf der Insel angebaut wurden, und das ist dann wirklich lokales Marketing, Direktvermarktung in Kombination mit viel Kommunikation.”
In Sanlúcar de Barrameda diskutieren der Chefkoch José Luis Fernandez und Bauer Rafael Monge, wie sie aus gelben Tomaten und Gurken ein Gazpacho zubereiten können. Das Gemüse aus dem Salzgarten kostet den Chefkoch zwar mehr, doch er bekommt das Geld wieder rein, weil die Gäste seines Restaurants den intensiveren Geschmack und umweltschonenden Anbau zu schätzen wissen.
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