Klimaschutz und Demokratie

Wo bleibt die Freiheit?

04:26 Minuten
Bei einer Klimademostration auf dem Frankfurter Opernplatz wird ein Schild mit der roten Aufschrift "Bock auf Verbote" hochgehalten.
Willkommen in der Ökodiktatur - für den Publizisten Klaus-Rüdiger Mai hat die aktuelle Klimadebatte antidemokratische Züge. © imago / Ralph Peters
Ein Standpunkt von Klaus-Rüdiger Mai · 17.12.2019
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Verbote, Strafen, Kontrollen: Konsequenter Klimaschutz ist ohne radikale Eingriffe in Freiheits- und Eigentumsrechte nicht durchzusetzen - das meinen viele Klimaaktivisten. Dahinter stecke ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie, warnt Klaus-Rüdiger Mai.
Folgt man dem Glauben des Ökowohlfühlwohlstandsbürgertums, dann steht wohl in nicht allzu ferner Zukunft der "Jüngste Tag" vor der Tür. Man zeigt sich überzeugt, dass die schlimmsten Folgen der Erderwärmung nur noch durch radikale Maßnahmen zu vermeiden seien, die tief in die Freiheits- und Eigentumsrechte des einzelnen eingreifen. Einen griffigen Begriff hat man für diesen Ausnahmezustand auch schon gefunden: Willkommen in der Ära des "Klimanotstands"!
Besondere Situationen erfordern - so auch in diesem "Notstand" - besondere Maßnahmen: Drastische Maßnahmen bis hin zur Einschränkung demokratischer Grundsätze werden mit dem "Klimanotstand" begründet, der alles andere als eine wissenschaftlich begründete Tatsache ist.
So schreibt beispielswiese Walter Wüllenweber im Stern:
"Klima zuerst... Das Soziale kommt ab jetzt erst an zweiter Stelle. Das Tempo der Erderwärmung zwingt uns, die alten Methoden wieder anzuwenden (...): Zwang, Verbote, Kontrolle und Strafe. Es tut weh, so etwas Autoritäres zu schreiben. Aber wir müssen solche zivilisatorischen Rückschritte in Kauf nehmen, um die Zivilisation zu retten."
Weiß Wüllenweber nicht, dass die großen Menschheitsverbrecher ihre Beglückungsideen mit höheren Zielen und apokalyptischen Notwendigkeiten rechtfertigten? Aber eine eingeschränkte Demokratie ist bereits eine ganze Diktatur. Ist inzwischen souverän, wer über den Klimanotstand entscheidet?

Schrittweise soll die Demokratie ausgehebelt werden

Der angebliche Klimanotstand dient dazu, schrittweise die Demokratie auszuhebeln. So will der Sachverständigenrat für Umweltfragen das Umweltministerium zum "Superministerium" aufwerten, das analog zum Finanzministerium über ein Widerspruchsrecht für alle Gesetzesinitiativen verfügt.
Weiterhin schlägt der Sachverständigenrat die Berufung eines "Rates für Generationengerechtigkeit" vor, der sogar verfassungsrechtlich zu verankern sei. Dieser Rat prüft alle Gesetzesentwürfe: "Um seine Funktion zu stärken, sollte ihm ein inhaltlich begrenztes, aufschiebendes Vetorecht zugestanden werden."
Einem demokratisch nicht legitimierten Gremium, das noch dazu auf zwölf Jahre, also drei Legislaturperioden des Bundestages, personell unverändert im Amt bleibt, wird ein Vetorecht über alle Gesetzesvorhaben der Bundesrepublik Deutschland eingeräumt? Ein Vetorecht gegenüber dem demokratisch gewählten und legitimierten Parlament?
Nimmt man dann noch den Vorschlag des Sachverständigenrates hinzu, eine zentrale Behörde zu gründen, deren Aufgabe darin besteht, ein "Inventar der Stoffströme", von ihrer Förderung über ihre Verarbeitung, ihrem Verbrauch oder ihrer Entsorgung zu erstellen, um "effektivere Maßnahmen zur Steuerung der Ströme zu entwickeln", erkennt man, wie vollständig der geplante Umbau des Systems angelegt ist. Mit der Schaffung dieser "zentralen Volkswirtschaftsbehörde" würde aus der sozialen Marktwirtschaft eine grüne Kommandowirtschaft.

Ohne leistungsfähigen Sozialstaat geht es nicht

Doch wie passt der angestrebte Aufbau einer umfassenden Klimabürokratie, die sämtliche Lebensbereiche in diesem Land sich zu steuern anschickt, eigentlich zur Idee der Freiheit?
Ganz davon abgesehen, dass die Befürworter so einer Öko-Diktatur keine Antworten auf die sozialste aller sozialen Fragen haben, nämlich die, wie es gelingt, den Deutschen den Wohlstand zu sichern und die Grundlage dafür zu schaffen, dass auch unsere Kinder diesen noch genießen können. Das Mantra der "offenen Grenzen" soll es demnach wieder einmal richten. Vor der Warnung des liberalen Ökonomen Milton Friedman, dass man zwar offene Grenzen und einen Sozialstaat haben kann, nur nicht zur gleichen Zeit, verschließen sie ihre Ohren. Nur ein leistungsfähiger Sozialstaat, der auf Freiheit, Wirtschaftlichkeit, Eigenverantwortung und Solidarität setzt, wird auch den klimabedingten Herausforderungen erfolgreich begegnen können.
Es wäre gut, wenn man sich auf die Freiheit besinnen und allen totalitären Versuchungen eine Absage erteilen würde. Souverän ist, wer die gute, alte Sache der Freiheit führt.

Klaus-Rüdiger Mai, geboren 1963, Dr. phil., Schriftsteller und Historiker, verfasst historische Sachbücher, Biografien und Essays, sowie historische Romane. Sein Spezialgebiet ist die europäische Geschichte und Gegenwart. Zuletzt erschienen von ihm der Essay "Gehört Luther zu Deutschland?" und die Biografie "Gutenberg. Der Mann, der die Welt veränderte".

Der Schriftsteller, Dramaturg und Regisseur Klaus-Rüdiger Mai
© picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
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