Generation "Fridays for Future"

Wer ist denn die Jugend?

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Menschen sitzen auf den Stufen des kleinen Amphitheaters im Mauerpark in Berlin. Der Park im ehemaligen Grenzgebiet zwischen beiden Berliner Stadthälften ist ein beliebter Treffpunkt.
Gehören die vielen Jugendlichen, die nicht zu Fridays for Future gehen, auch zur Jugend, fragt Klaus-Rüdiger Mai. © picture alliance / dpa/ Bernd von Jutrczenka
Ein Standpunkt von Klaus-Rüdiger Mai · 30.08.2019
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Die Jugend findet mit der Klage zu wenig gehört zu werden derzeit recht viel Gehör. Sie werde, so ein häufiger Vorwurf, von den Alten, um ihre Zukunft gebracht. Der Publizist Klaus Rüdiger Mai bezweifelt die These und fragt sich wer die Jugend überhaupt ist.
Wohl niemand entgeht den heiteren Erinnerungen an die eigene Jugend. Zum Charme der Jugend gehört Begeisterungsfähigkeit, zu ihrer Geschichte aber auch, dass diese Begeisterungsfähigkeit von Kräften ausgenutzt wurde, die in dem Appell an die Jugend ein Mittel erblickten, ihre politischen Ziele durchzusetzen. Man erinnere sich nur an die Kinderpolizei Savonarolas, die den Tugendterror des finsteren Predigers im Florenz der Renaissance exekutierte. Auch die Langemarck-Generation zählt zu den schlimmen Beispielen, als sich Gymnasiasten in Scharen nach abgelegtem Notabitur 1914 freiwillig zum Kriegsdienst meldeten und auf den Schlachtfeldern der Westfront verbluteten. Nicht weniger in Erinnerung sind Kinder-oder Jugendhelden wie Pawlik Morosow, der seine Eltern denunzierte, Hitlerjunge Quex und Timur aus Arkadi Gaidars Roman "Timur und sein Trupp". Die Propagierung der Jugend wurde eben auch benutzt, um die Skepsis der Älteren auszuhebeln.

Die Jugend wird zum Gott erhoben

Die jüngste Wiederbelebung des Jugendkults begann unbeabsichtigt mit dem richtigen Hinweis, dass die Jugend die großen Rentenlasten für die Babyboomer schultern müssten. Nach dem die Briten sich für den Brexit entschieden hatten, wurde plötzlich ein neuer Topos propagiert. Die Jugend, die gegen den Brexit gewesen sei, wäre von den Älteren überstimmt worden. Damit hätten die Älteren sich an der Jugend versündigt, weil sie ihr die Zukunft raubten. Mit Fridays for future gelang schließlich die Apotheose, in der die Jugend sakrosankt und zum neuen Gott erhoben wurde.

Alle sollen der Jugend folgen

Glaubt man nicht wenigen Medien ist die Jugend aufgebrochen, um den Marsch ins gelobte CO2-neutrale Land anzutreten. Wir alle hätten der Jugend zu folgen, die ihre Zukunft gegen die Älteren verteidigt. Grüne Politikerinnen und Kirchenleute erblicken in Greta Thunberg eine Prophetin und in der Jugend die Jünger einer neuen Kirche. Plötzlich entsteht der wunderbare Eindruck, dass immer freitags die Schulen leer seien und sich alle Schüler unter freien Himmel auf Deutschlands Plätzen versammelten, um die Klimaneutrale Republik Deutschland auszurufen. Selbst der Kanzlerin gelang es in einem bewunderungswürdigen Akt spektakulärer Selbstverjüngung nach den Worten der FAZ auf Augenhöhe mit der Jugend zu kommen.

Die Klassen sind Freitags nicht leer

Wer aber ist die Jugend? Nüchtern betrachtet sind die Klassenzimmer freitags nicht leer und schwankt die Teilnehmerzahl, je nachdem ob der Freitag auf einen Schul- oder einen Feiertag fällt. Ganze Schulklassen gehen zu den Demonstrationen, wenn Lehrer ihre Neutralitätspflicht verletzen und Druck machen, um die Welt zu retten. Einem erstaunten Vater berichtete sein zehnjähriger Sohn, dass der Lehrer im Sachkundeunterricht die Grundschüler informiert habe, dass die Welt in circa 20 Jahren unterginge. Ein anderer Vater erhielt von seinem Sohn, der ein Gymnasium besucht, auf die Frage, warum er nicht zu Fridays for Future ginge, die Antwort, dass es sich dabei doch eher um so ein "Mädchending" handele. Ist die Jugend also weiblich? Zumindest deckt sich die Beobachtung des Gymnasiasten mit den Ergebnissen einer Studie der Technischen Universität Chemnitz, die festgestellt hat, dass Fridays for Future von Mädchen und jungen Frauen bestimmt wird.
Und was sind eigentlich die vielen Jugendlichen, die nicht zu Fridays for Future gehen, die nicht zu der Jugend gehören? Bezieht sich der neue Begriff der Jugend nicht mehr auf einen Lebensabschnitt, sondern inzwischen auf eine politische Haltung? Tat er das nicht immer schon, wenn die Jugend propagiert wurde? Was also ist die Jugend? Die Jugend… Sie ist kurz, zu kurz.

Klaus-Rüdiger Mai, geboren 1963, Dr. phil., Schriftsteller und Historiker, verfasste historische Sachbücher, Biografien und Essays, sowie historische Romane. Sein Spezialgebiet ist die europäische Geschichte und Gegenwart. Zuletzt erschienen von ihm der Essay "Gehört Luther zu Deutschland" und die Biografie "Gutenberg. Der Mann, der die Welt veränderte".


Der Schriftsteller, Dramaturg und Regisseur Klaus-Rüdiger Mai
© picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
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