Kleines Wörterbuch des Krieges

Krieg

Beim Einmarsch deutscher Truppen in Polen am 01.09.1939 reißen Soldaten der deutschen Wehrmacht einen rot-weißen Schlagbaum an der deutsch-polnischen Grenze nieder.
Beim Einmarsch deutscher Truppen in Polen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs reißen Soldaten an der Grenze einen Schlagbaum ein. © picture-alliance/ dpa / A0009
Von Herfried Münkler · 20.09.2014
Der "Krieg" ist ein Sammelbegriff für recht unterschiedliche Formen politisch organisierter Gewaltanwendung. Seine Geschichte ist ein unendlicher Wettstreit neuer Taktiken und Waffen – mit dramatisch steigender Zerstörungskraft.
Der preußische Kriegstheoretiker Carl von Clausewitz hat die These aufgestellt, der Krieg beginne erst mit der Verteidigung. Denn die erobernde Inbesitznahme, gegen die kein Widerstand geleistet werde, sei kein Krieg, sondern bloß Aneignung. Tatsächlich lässt sich Krieg historisch erst seit der Entwicklung politischer Verbände beobachten, die umherstreifenden Räubern und Plünderern organisierten Widerstand entgegensetzen.
Als Begriff ist Krieg eine Sammelbezeichnung für recht unterschiedliche Formen der politisch organisierten Gewaltanwendung. Die zentrale Unterscheidung ist dabei die zwischen Staaten- und Bürgerkrieg. In der Regel folgt der zwischenstaatliche Krieg, zumal wenn er mit professionellen Kräften geführt wird, gewissen Regeln, und die können im Ethos der Kämpfer begründet sein, in zwischenstaatlichen Rechtsübereinkommen oder in der Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Kultur. In innergesellschaftlichen Kriegen werden solche Regelbindungen außer Kraft gesetzt, weswegen für sie regellose Gewaltexzesse typisch sind.
Zwischenformen und Hybride
Weitere Differenzierungen der Sammelbezeichnung Krieg lauten: Eroberungs- oder Befreiungskrieg, großer oder kleiner Krieg, wobei für letzteren häufig das spanische Wort guerilla verwandt wird, Land- und Seekrieg, begrenzter oder entgrenzter bzw. totaler Krieg usw. In der Gegensatz-Struktur dieser Bezeichnungen ist zugleich eine Ordnung enthalten, in der Kriege nicht nur kategorisiert, sondern auch bewertet, also gerechtfertigt oder verurteilt werden. Nur selten folgen die tatsächlichen Kriege jedoch diesen begrifflichen Ordnungen, sondern es entstehen Zwischenformen und Hybride, die sich diesen Kategorisierungen und Bewertungen entziehen. Clausewitz hat den Krieg als ein "wahres Chamäleon" bezeichnet, weil der Krieg seine Erscheinungsform mit dem Wandel der Rahmenbedingungen ständig verändere.
Die Geschichte des Krieges lässt sich als ein unendlicher Wettstreit zwischen normativen Begrenzungen und neuen Waffen und Taktiken zu deren Unterlaufung beschreiben. Gleichzeitig ist sie ein Gegen- und Miteinander von Heldenliedern und melancholischer Trauer über die Opfer, und diesem Gegen- und Miteinander ist von Homers "Ilias" über Grimmelshausens "Simplicius Simplicisimus" bis zu Tolstois "Krieg und Frieden" ein großer Teil der Weltliteratur gewidmet.
Gestiegene Zerstörungskraft der Waffen
Im 19. und 20. Jahrhundert ist die Zerstörungskraft der Waffen dramatisch gestiegen – und gleichzeitig die Verwundbarkeit von Gesellschaften. Damit hat der Krieg als Modus der Durchsetzung eines politischen Willens an Attraktivität verloren. Er kostet, jedenfalls als Staatenkrieg, mehr, als er im besten Fall einbringt, und deswegen hat er sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts an die Peripherie der Wohlstandszonen zurückgezogen.
Dort freilich wütet er in zumeist unregulierter Form weiter.
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