Kleines Wörterbuch des Krieges

Der Rebell

Ein Milizionär der selbsternannten "Volksrepublik Lugansk" steht an einem Grenzübergang zu Russland.
Früher ergriff er das Wort, heute greift er zum Maschinengewehr: der Rebell. © picture alliance / dpa / Maksim Blinov
Von Barbara Sichtermann · 09.09.2014
In Zeiten der 68er ergriff er das Wort, heutzutage greift er zum Maschinengewehr: der Rebell. Ob in Syrien, Irak oder der Ukraine: Der Rebell ist der Beweis dafür, dass sich kriegerische Konflikt immer weiter deregulieren.
In den 68er-Zeiten gab es eine Untergrundzeitung mit dem Namen "Rebell". Die Ausstrahlung dieses Blattes mit diesem Namen war damals unmittelbar einleuchtend. Ein Rebell ist ein Empörer, er ist drauf und dran, den Krieg - "bell, bellum" - noch einmal - "re" - zu führen und diesmal zu gewinnen. In jenen Zeiten der Jugendrevolte hieß das: Wir lassen uns von alten Säcken und Ex-Nazis nichts mehr sagen, und wir führen unser Leben mit Sex, Drugs and Rock'n'Roll so, wie wir es wollen.
Heute tritt der Rebell meist im Plural auf. Rebellen besetzen Landstriche in Syrien, erobern Waffen im Irak oder schüchtern die Bevölkerung in der Ukraine ein. Sie sind der lebendige Beweis dafür, dass sich kriegerische Konflikte immer weiter deregulieren; dass sie nicht mehr wie noch im vorigen, im 20. Jahrhundert mit einer regelrechten Kriegserklärung beginnen, worauf dann der Aufmarsch staatlich kontrollierter und professionell befehligter Armeen folgt. Rebellen operieren aus dem Untergrund, ihre Gemütslage ist die Spontaneität. In der Jugendrevolte konnte der Rebell - der meist mehr redete als handelte, höchstens mal ein Transparent hochhielt oder ein Puddingattentat beging - noch auf positive Resonanz rechnen. Der "turning point" ist die Bewaffnung. Damit wird der Rebell zur echten Gefahr, das war auch in der Jugendrevolte so.
Eine globale Paranoia
Die Rebellen unserer Tage meinen es bitter ernst. Sie halten keine Transparente hoch, sie stellen Videos ins Netz, auf denen sie mit Sturmgewehren zu sehen sind. Ihre Ausbildung ist meist kurz und dürftig. Es gibt viele Opfer unter ihnen. Sprächen sie mit einem Truppenführer alter Schule, so würde der ihnen erklären, dass man nicht von heute auf morgen Soldat wird, nur weil man dafür ist, dass die Ostukraine zu Russland gehören soll, oder weil man glaubt, von Allah gesandt zu sein, um einen Gottesstaat zu errichten. Bewaffnete Rebellen werden immer gefährlich leben.
Ein libyscher Rebell steht am Samstag (02.04.2011) in Bengasi hinter seinem schweren Maschinengewehr. 02.04.2011
Libyscher Rebell mit Maschinengewehr© picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Aber sie sind auch eine Gefahr. Ihre spontane Bereitschaft loszuschlagen steht quer zu den Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerungen. Sie erzeugt Angst als Großwetterlage, und die wieder führt zu immer monströseren Sicherheitsvorkehrungen, inklusive all der weltweiten Ausspähaktivitäten, mit denen wir uns gerade auseinandersetzen. Für reguläre Armeen genügt die gute alte Militärspionage, bei Rebellen braucht man flächendeckende Lauschangriffe. Es ist ihre Unberechenbarkeit, die eine globale Paranoia erzeugt.
Sieht man allerdings genauer zu, so erkennt man, dass auch Rebellenverbände, wenn sie nur länger existieren, eine Infrastruktur, eine Hierarchie, eine Logistik aufbauen und gar nicht mehr so spontan sind, wie es anfangs schien. Irgendwann verhandeln ihre Chefs sogar mit dem militärischen und politischen Gegner; siehe Arafat. Aber dann gibt es schon, tief im Gebirge oder im Busch, eine neue Rebellentruppe mit ungelernten, spontan eingestiegenen Kriegern.
Mehr zum Thema