Kleines Buch mit großem Anspruch

Rezensiert von Klaus Möllering · 22.11.2009
Der französischen Politologe Dominique Moisi vertritt die These, dass ein "Clash of Emotions" die großen Machtblöcke unserer Welt und deren Interessen bestimmt.
Könnte es das ideale Handbuch für unseren neuen Außenminister sein, eine erste praktische Orientierung, wenn er sich nun Hals über Kopf in die Welt stürzt mit ihren zahllosen und komplexen Konflikten? Eine Art Anleitung zum Umgang mit dieser verwirrenden Gemengelage aus Globalisierung, Terror und Wirtschaftskrise, die das Krisengetümmel unserer Zeit so unübersichtlich macht? Der Titel des Buches vom "Kampf der Emotionen" klingt zwar erst mal etwas naiv. Kann man wirklich die große Politik so ganz nach Gefühl analysieren?

Doch, man kann. Naiv ist er durchaus nicht, der gut lesbare, differenzierte und dazu klar strukturierte Essay des französischen Politologen Dominique Moisi, Jahrgang 46. Er hat in Harvard gelehrt und das französische Institut für internationale Beziehungen gegründet, dessen Berater er noch ist. Er kennt die Welt aus seiner Lehrtätigkeit in Polen, in Marokko und von zahllosen Reisen durch Asien. Seine These, dass dieser "Clash of Emotions" die großen Machtblöcke unserer Welt und deren Interessen bestimmt, lässt tatsächlich eine große Linie erkennen. Keine Frontlinie, wie der Amerikaner Samuel Huntington, der einen "Clash of Civilizations", einen Kampf der Kulturen zwischen Abend- und Morgenland sieht - und damit den 11. September 2001 erklärt.

Moisi dagegen sieht nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, dem die Globalisierung folgte, nun eine weltweit wachsende Verunsicherung: Alles tritt zueinander in Konkurrenz und Austausch: Waren, Identitäten - und eben auch: Emotionen, durch die Medien weltweit verstärkt. Der Experte für Geopolitik löst den Untertitel seines Buches - "Wie Kulturen der Angst, Demütigung und Hoffnung die Weltpolitik bestimmen" – einleuchtend ein. Und zwar mit einem klaren Ziel.

Es ist nicht leicht, eine solche Landkarte der emotionalen Grundstimmungen zu erstellen, gibt Moisi zu (53). Aber es wäre gefährlich, dies zu unterlassen. Die Rollen sind klar verteilt. Der Westen - Europa, zu zerstritten um zu handeln, und die USA, wirtschaftlich, militärisch und politisch überfordert durch das Erbe der letzten Bush-Regierung - die Kultur des Westens also sei in Angst gefangen. Auch Angst vor dem Terror, aber vor allem Angst vor dem Verlust ihrer Führungsrolle und Kontrolle.

Ganz anders die enorme Dynamik der aufstrebenden großen Nationen Asiens, allen voran Indien und China, aber auch Russland. Dort herrsche ein Optimismus, ein Wachstum, das diesen Teil der Welt so mit Zuversicht fülle, dass dort eine Kultur der Hoffnung herrsche. Dazwischen die arabische Welt, gelähmt vom Gefühl der Machtlosigkeit, gefangen in Verzweiflung und verbittert vom Gefühl der Demütigung. Immer sind die anderen schuld, die Kreuzritter, der Westen, die Juden – kaum je die eigenen Eliten.

Eine brisante Konstellation. Wird in der Welt von 2025 Demütigung und Angst vorherrschen, oder Hoffnung und Stabilität? Moisi’s Hoffnung: Die Welt ist verbesserbar, zumindest steuerbar in ihrem Lauf. Da kommen dann des Autors eigene Emotionen ins Spiel: Das Vermächtnis seines Vaters, der Auschwitz überlebte und sich dennoch nicht durch Angst und Demütigung von seiner Hoffnung abbringen ließ. Kann dies nicht auch unserer Zukunft Hoffnung geben?, plädiert Moisi.

Damit ist "Der Kampf der Emotionen" ein kleines Buch mit einem großen Anspruch. Und es wäre tatsächlich ein hilfreiches Brevier für die künftige deutsche Außenpolitik. Durchaus fürs Reisegepäck des neuen Außenministers ebenso geeignet wie für den eigenen Gang durch unsere Welt.

Dominique Moisi: Kampf der Emotionen – Wie Kulturen der Angst, Demütigung und Hoffnung die Weltpolitik bestimmen
DVA 2009
240 Seiten
Cover Dominique Moisi: "Kampf der Emotionen"
Cover Dominique Moisi: "Kampf der Emotionen"© DVA