Kleine Geschichte des Schlagballs

Eine Sportart wird wiederentdeckt

23:20 Minuten
Ein Schlagball liegt auf rotem Sand beim Sportfest.
Noch heute ist beim Schlagball von „Hasen“ und „Tötern“ die Rede. © imago sportfotodienst
Von Fritz Schütte · 26.04.2020
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Schlagball sollte die deutsche Version von Baseball oder Cricket sein. Von den Nazis gepriesen, geriet der Sport nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit und überlebte nur auf zwei ostfriesischen Inseln – bis heute.
"Schlagball hieß der Sport jener Schuljahre. Steilbälle, Kerzen genannt, gab es, Weitbälle, Flach-Eck-Kurzbälle, Fehlkerzen, Roller, Kriecher, Wanderbälle, Stehbälle, Treffbälle und Dreiläuferbälle."
Walter Matern heißt der Held in Günter Grass' Roman "Hundejahre". Er spielt Schlagball genauso wie Robert Fähmel in Heinrich Bölls Roman "Billard um halb zehn".
"Er sah sich selbst, wie er den Ball in der linken Hand hin und her rollte, ihn so hoch warf, dass die Fallzeit des Balles genau der Zeit entsprach, die er brauchte, um auch die linke Hand ums Holz zu legen, auszuholen und den Ball zu treffen, mit gesammelter Kraft, so, dass er weit fliegen würde, bis hinters Mal."
Beide Romane, Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre erschienen, spielen in der Nazizeit. Und heute? Schlagball? Gibt es das noch?

Fragende Spaziergänger

Ein Samstagmorgen auf dem Unisportgelände in Kiel. Zwölf Spieler warten über den Rasen verteilt darauf, dass die gegnerische Mannschaft, die sich hinter einer Grundlinie aufgestellt hat, den Ball ins Spiel bringt.
Ein Spieler wirft einen kleinen Lederball hoch, holt mit einer schlanken Holzkeule aus und trifft ihn mit voller Wucht. Der Ball fliegt steil nach oben. Der Schläger lässt die Keule fallen und rennt durchs Feld. Sein Ziel: zwei Stangen in 60 Meter Entfernung.
"Das erinnerst du aus ‚Hundejahre‘: Kerze ist der Schlag, der senkrecht nach oben geht und vorne aufkommt. Der ist gut zum Hinlaufen. Und der Weitschlag, der Schlag, der hinters Tick geht, der ist gut zum Zurücklaufen. Das ist ein Weitschlag", erklärt Manfred Schimmler.
"Neuer Sport? Nie gesehen." Schimmler, Organisator und Schiedsrichter mit australischem Buschhut auf dem Kopf, kennt die Fragen ahnungsloser Spaziergänger.
"Es ist eine Mischung aus Baseball, Völkerball und Handball. Du musst den Gegner, während er durchs Feld läuft, versuchen mit dem Ball zu treffen. Dabei darfst du aber selbst nicht mit dem Ball laufen und ihn auch nicht länger als drei Sekunden halten. Während man läuft, ist man gefährdet, abgeworfen zu werden. Schlagballweitwurf kennst du aus der Schule?"
"Ja, vierte Klasse oder so."

Vom Aufklärer zum Deutschnationalen

Sechs Mannschaften gibt es zurzeit in Deutschland: in Kiel, Hamburg, Rostock, Mühlheim und auf Spiekeroog. Sie treffen sich mehrmals im Jahr zu Turnieren. Die Fäden laufen bei Manfred Schimmler zusammen. Seit Jahren versucht der Informatikprofessor aus Kiel, Jugendliche für Schlagball zu gewinnen.
"Manfred hat das damals in der Schule den Sportlehrern gezeigt. Und dann haben wir das in der Schule gespielt. Also, jedes Mal, wenn man irgendwo erzählt: Ich spiele Schlagball. ,Was ist das?' Kennen wenige Leute."
"Das ist eigentlich schade, weil es ist ein toller Sport. Wenn ich mich nicht täusche, eine der ältesten Sportarten der Welt."
1796 beschreibt Johann Christoph Friedrich GutsMuths das Schlagballspiel in seinem Buch "Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes für die Jugend". Er ist Anhänger der Erziehungsideale der französischen Aufklärung.
"Es erfordert Geschicklichkeit und stete Aufmerksamkeit, dem geworfenen Balle auszuweichen. Für die nicht verweichlichte Jugend führt es so viel Vergnügen mit sich, dass sie im Frühling fast jedes andere Spiel darüber vergisst."

Fußball begeistert die Jugend

Schlagball gehört zu den sogenannten Turnspielen. Turnen diente, als Napoleon Europa besetzte, zur Vorbereitung auf den Befreiungskrieg. Auch GutsMuths wandelte sich damals vom Weltbürger zum deutschen Nationalerzieher und überführte seine Gymnastik in vaterländisch-soldatisches Turnen.
1916 herrscht erneut Krieg und das "Jahrbuch der Turnkunst" fordert die Turner auf, ihre Fertigkeiten unter Beweis zu stellen:
"Ein guter Schlagballspieler wird ohne viel Übung auch ein guter Granatenwerfer. Er besitzt Ruhe und Geistesgegenwart und ist gewohnt, das Wurfgerät nicht zu lange in der Hand zu behalten."
Anfang der 20er-Jahre. Der Krieg ist verloren. Das Turnen hat Konkurrenz bekommen vom englischen Sport: Fußball erobert die Herzen der Jugend. Das muss sich auch das "Jahrbuch der Turnkunst" eingestehen:
"Nach dem Kriege hat sich das Fußballspiel derart entwickelt, dass man die Jugend auf Straßen und Plätzen kaum noch ein anderes Spiel betreiben sieht. Der Schlagball, den die Turner einst zum deutschen Volksspiel machen wollten, ist verschwunden."

Immer weniger Teams

1926 verzeichnet die deutsche Turnerschaft 2520 Schlagballmannschaften. Die Topteams kommen aus Witterschlick, Kölkebeck, Opladen, Wittgensdorf und Mikultschütz. Rekordmeister sind 1860 München mit neun und TV Gut Heil Arbergen mit zwölf Meistertiteln.
Im Archiv von Radio Bremen findet sich ein Interview mit den Arbergener Schlagball-Veteranen aus dem Jahr 1983. Zum Zeitpunkt des Interviews war Hermann Lohmann 65 und Fiete Löhmann 82 Jahre alt.
"Ich war 1917 das erste Mal in der Mannschaft. 1923 in München Deutsches Turnfest, 1928 in Köln Deutsches Turnfest, 1933 in Stuttgart Deutsches Turnfest, 1938 in Breslau. Acht Mal war ich dabei."
"1923 beim Deutschen Turnfest in München wurde der zweite Platz erreicht. Bei den weiteren Turnfesten haben wir immer gute Plätze erreicht, bis dann der große Wurf im Jahre 1931 gelang. Da konnten wir gegen München 1860 in Chemnitz zum ersten Mal den Titel erringen."
Am 2. August 1933 feiert der nationalsozialistische "Hemelinger Anzeiger" ausführlich den "Empfang des Deutschen Meisters in der Heimat":
"Der Turnverein ‚Gut Heil Arbergen‘ ist mehr als ein Verein. Er ist Arbergen und Arbergen ist der Turnverein. Sein Kampf ist Arbergens Kampf und sein Sieg ist Arbergens Sieg. Gemeindevorsteher Passe rief dem Deutschen Meister ein stürmisch aufgenommenes ,Sieg Heil‘ entgegen. Lehrer Diers erwiderte diesen Willkommensgruß mit einem ,Gut Heil an die liebe Heimat‘. In geschlossenem Zuge ging´s zum Vereinslokal Grothenns."

Zahl der Mannschaften halbiert

In der gleichen Ausgabe lesen die Arberger unter der Überschrift "In Schutzhaft genommen":
"Gestern Mittag wurde der jüdische Schlachtermeister Albert Seligmann aus Achim, der sich der Verächtlichmachung der Reichsregierung und des Reichskanzlers schuldig gemacht hat, in Schutzhaft genommen. Die Inhaftierung geschah, weil deutsch empfindende Männer, die von den Äußerungen Kenntnis erhalten, sich in großer Erregung vor dem Hause des Juden angesammelt hatten und der Jude vor der Volkserregung geschützt werden muss."
Albert Seligmann wurde ins KZ verschleppt und später ermordet, schreibt Pastor Friedhelm Blüthner, der die Geschichte des Arberger Kirchspiels in der NS-Zeit untersucht hat.
1933, im Jahr der Machtübergabe an die Nazis, meldet das "Jahrbuch der Turnkunst", dass sich die Zahl der Schlagballmannschaften halbiert habe.
"Soll das Schlagballspiel, dessen Werte durch keine andere Spielart ersetzt werden können, zugrunde gehen? Der einzige Verband, der es noch halten kann, ist die deutsche Turnerschaft, da anscheinend auch die deutsche Schule versagt."

Nazis fordern Engagement – aber nicht für Schlagball

Zwei Jahre später kommt es noch dicker:
"Der Rückgang von 169 Mannschaften innerhalb eines Jahres verstärkt die Gewissheit, dass unser Schlagballspiel nicht länger mehr als Meisterschaftsspiel der deutschen Turnerschaft gehalten werden kann."
Als störend werten die Turner das Engagement, das die nationalsozialistischen Verbände einfordern. Der Gau Niedersachsen meldet dem "Jahrbuch der Turnkunst":
"Mancherlei Störungen der Spielarbeit durch SA- und HJ-Dienst."
Der Gau Baden:
"Schwierigkeiten bei der Erstellung der Mannschaften durch SA-Dienst."
Der Gau Nordmark klagt:
"Die Durchführung der Spielereihen hat infolge der Beteiligung der Turner am SA- und SS-Dienst sehr gelitten."
Im Olympischen Jahr 1936 warnt das "Jahrbuch der Turnkunst":
"Die oft gebrauchte Redewendung vom Schlagballspiel, es sei ein sterbendes Spiel, soll und darf nicht wahr werden. Die Kinder und Jugendlichen müssen wieder für dieses einzigartige Kampfspiel begeistert werden."

Mobbing unter Aufsicht

In ihren Romanen beschreiben Günter Grass und Heinrich Böll Sportlehrer und deren Methoden, um diese Begeisterung zu entfachen.
"Studienrat Mallenbrandt hatte ein Buch oder ein Kapitel in einem Buch über deutsche Schülerkampfspiele geschrieben. Im Vorwort war er der Meinung, die völkische Eigenart des Schlagballspielens trete ganz besonders im Gegensatz zum allvölkischen Fußballspiel zu Tage."
"Drei Minuten und 30 Sekunden, bis der Turnlehrer abpfeifen würde. Er hieß Bernhard Wakiera, aber sie nannten ihn nur Ben Wackes, er sah melancholisch aus, war dicklich, stand im Ruf, Knaben platonisch zu lieben, mochte gern Sahnekuchen und träumerisch süße Filme, in denen starke blonde Knaben Flüsse durchschwammen, dann auf Wiesen lagen, Grashalme im Mund, und zum blauen Himmel hinaufblickten, auf Abenteuer warteten; Ben Wackes, der seine Lieblinge Jüngelchen, die anderen Bengels nannte. ‚Nun mach schon, Bengel‘, sagte er, schwitzend, mit bebendem Bauch, die Trillerpfeife im Mund."
Sportunterricht verkommt zum Mobbing unter Aufsicht. Und das Schlagballspiel, das ein wenig an Treibjagd erinnert, eignet sich hervorragend dafür.
"Eduard Amsel kugelte sich durchs Schlagballfeld wie durchs Fegefeuer. Dicklich und kurzbeinig bot er das ideale Ziel beim Einkesseln und Abwerfen. Er war die verletzliche Stelle seiner Mannschaft. Auf ihn wurde Jagd gemacht."
"Schrella würde noch einmal losrennen müssen, und sie würden noch einmal Gelegenheit haben, ihm den Ball mit aller Kraft ins Gesicht, gegen die Beine zu werfen, die Nieren zu treffen; dreimal hatte er beobachtet, wie sie es machten: Irgendeiner aus der Gegenpartei traf Schrella ab, dann nahm Nettlinger, der in seiner und Schrellas Partei spielte, den Ball, traf den Gegner ab, indem er ihm den Ball einfach zuwarf, und der traf wieder Schrella ab, der sich vor Schmerz krümmte. Und Ben Wackes stand daneben, pfiff, wenn sie Schrella trafen, pfiff, wenn Nettlinger dem Gegner den Ball einfach zuwarf, pfiff, während Schrella wegzuhumpeln versuchte; rasch ging's, die Bälle flogen hin und her – hatte er als einziger es gesehen?"

Nur noch im Norden

Durch besonders weite Schläge sorgen die Romanhelden dafür, dass die Opfer das rettende Ufer erreichen können.
"Er warf den Ball hoch, griff blitzschnell um und schlug; er spürte es an der Wucht des Schlages, am federnden Widerstand des Holzes: das war wieder einer seiner sagenhaften Treffer; er blinzelte hinter dem Ball her, konnte ihn nicht entdecken, hörte das ,Ah' aus der Zuschauermenge, ein großes ,Ah', das sich wie eine Wolke ausbreitete, anwuchs."
Direkt nach dem Krieg sind Turnen und Turnspiele in der französischen Besatzungszone verboten. Bald aber wird in den Schulen weiter Schlagball gespielt. Vereinsmannschaften jedoch kann man Anfang der 50er-Jahre an zwei Händen abzählen.
"Ich habe das Empfinden, das ist durch den Weltkrieg passiert. Da ist das ins Schleudern gekommen, und anschließend wurde das nicht wieder so richtig, war kein Zug mehr drinnen", wehmütig erinnert sich Fiete Löhmann aus Arbergen an Fahrten zu Turnfesten. Die Welt des Schlagballs ist zusammengeschrumpft.
Einziger ernsthafter Konkurrent des TV Arbergen ist die Mannschaft aus dem Nachbardorf, witzelt Herrmann Lohmann:
"Man sagte damals, die deutsche Meisterschaft wird hier zwischen Arbergen und Mahndorf entschieden. Wir hatten meist die Nase vorn. Aber das waren immer Kämpfe, wo wir auf beiden Plätzen dann über tausend Zuschauer hatten. Man kann an diese Zeiten nur mit Freude zurückdenken."

Überlebt auf ostfriesischen Inseln

1954 – das Wunder von Bern. Deutschland ist Fußballweltmeister. Die wenigen verbliebenen Schlagballmannschaften treffen sich in Bremen-Mahndorf und ermitteln zum letzten Mal einen Deutschen Meister. 1957 der letzte Eintrag im "Jahrbuch der Turnkunst":
"Schlagball, das ‚königliche‘ Spiel, hat sich zwei Jahrzehnte lang verzweifelt gegen seinen offensichtlichen Verfall gewährt. Nachdem nun auch seine letzten Stützpunkte – Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein – Runden- und Meisterschaftsspiele eingestellt haben, scheint sein Schicksal endgültig besiegelt zu sein, eine Feststellung, die aus schwerem Herzen kommt."
Doch Schlagball ist nicht ganz tot. Auf zwei Ostfriesischen Inseln entdecken Urlauber den Strand als ideales Spielfeld. 1958 steigt der erste Inselwettkampf: Spiekeroog gegen Langeoog. Seitdem wird immer wieder eine weitere Verabredung fürs folgende Jahr getroffen.
Das zarte Pflänzchen Schlagball wird im Urlaub gepflegt. Zwölf Mal hintereinander heißt der Sieger Langeoog. Seit Anfang der 90er-Jahre aber dominiert Spiekeroog. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass Manfred Schimmler 1986 erstmals Urlaub auf der Insel macht.
"Da haben wir gesehen: am Strand spielen die so ein verrücktes Spiel. Dann haben wir mal mitgespielt und fanden wir das gut, und so sind wir daran gekommen."
Schimmler spielt Handball im Team der SG Weiche-Handewitt. Aber seine Karriere neigt sich dem Ende zu.
"Das war gerade die Zeit, als ich bei Handewitt immer nur noch auf der Ersatzbank saß, und war praktisch auf der Suche nach einem Ersatzsport. Dann habe ich zwei Jahre mitgespielt, bin auch in die Wettkampfmannschaft gekommen, und weil wir immer verloren haben, habe ich gesagt, ich wollte mal Trainer werden."

Neuaufbau versucht

Manfred Schimmler hat alles, was er über Schlagball in Erfahrung gebracht hat, auf 130 Seiten zusammengestellt. "Schlagball im Training und im Schulunterricht" kann man aus dem Internet herunterladen. An der überlieferten Terminologie hat er festgehalten. Es ist von "Hasen" und "Tötern" die Rede.
"Das ist ja unser Handikap: Weil es bei den Nazis so favorisiert worden ist, ist es nach dem Krieg dann von den Lehrplänen verschwunden. Es galt als anrüchig das Spiel. Aber ich glaube, jetzt gerät das so ein bisschen in Vergessenheit. Deshalb können wir es wieder neu aufbauen."
In Arbergen, genau wie der große Rivale Mahndorf heute Stadtteil von Bremen, erinnern Straßennamen an die große Zeit: "Zum Mal". "Zum Tick". "Zur Grenze". Karl-Heinz Wendte ist 77 Jahre alt:
"Ich hatte das so ein bisschen organisiert, so ein bisschen am Leben erhalten; Tradition, zwölf Mal deutscher Meister. Irgendwie wollen wir mal sehen, ob es noch weitergeht. Einmal waren, glaube ich, drei Jugendliche da gewesen beim Training. Einmal, dann kamen sie nicht wieder. Es bringt also nichts."

Schläger aus Holz

Irgendwann gab es noch mal ein Altherrenspiel zum Vereinsjubiläum. Dann ist Schlagball in Arbergen sanft entschlummert.
"So, jetzt habe ich eine Tüte Schlagbälle, viele schon kaputt, aufgerissen, dann gesagt im Vorstand vom Turnverein: ‚Hier, hört zu! Ich habe noch die Ellen, die Schlagbälle. Was machen wir damit?‘ Es interessierte überhaupt keinen. Jetzt habe ich die auf dem Boden. Stört mich nicht. Ich habe Platz", erzählt Wendte.
"Ich hol mal eben die Ellen." Das drei Zentimeter breite Schlagholz, Klippe, Elle oder Keule genannt, ist aus Kiefer, Esche oder kanadischem Hickory.
"Diese kurze Elle hat man genommen, wenn ich den Ball jetzt nicht weit schlagen will, sondern hoch. Die lange ist, wenn ich jetzt wieder zurück laufen will, dann muss ich ja weit schlagen."

Das Glück beim richtigen Schlag

"Schlagen ist etwas Herrliches" schreibt Manfred Schimmler. "Das Gefühl, den Ball richtig getroffen zu haben und dann seine hohe oder weite Flugbahn zu verfolgen, ist unbeschreiblich."
Wer das auch im Ernstfall hinbekommt, wird zum Helden. Karl-Heinz Wendte erinnert sich gut an solche Momente:
"Da war ich letzter Schläger. Ich musste ja treffen, weil, wenn ich den Ball nicht treffe, sind wir ausgehungert. Zehn Mann stehen am Tick und wollen jetzt rein laufen. Da hatte ich dann mal Glück. Ich weiß nicht, wie weit der geflogen ist. Alle zehn Mann konnten rein laufen. Das war natürlich auch Glück."
Wenn mehrere Gegner durchs Feld laufen, muss der Spielführer blitzschnell entscheiden. "Ich empfehle immer die explizite Ansage des Abwurf-Opfers", schreibt Schimmler. "Das Deuten auf den Gejagten beflügelt die eigene Mannschaft."

Erinnerungen an alte Spieler

"Uns wurde beigebracht von unserem Trainer Hermann Lohmann: hier ist jetzt der Gegner", berichtet Wendte. "Dann hat man gesagt: ‚Den nehmen wir aufs Korn, kreisen den ein, dann hat er keine Chance wegzukommen, und ich kann ihn abwerfen.‘ Dann muss ich ja auch sehen, dass ich wieder wegkomme. Wenn der jetzt getroffen ist, bückt sich, nimmt den Ball wieder hoch, kann er mich natürlich gleich wieder abschmeißen. Also, da muss ich dann auch schon sehen, dass ich zum Tick komme."
Karl-Heinz Wendte blättert in einem Ordner: "60 Jahre Treue zum Verein." Er hat Urkunden und Vereinschroniken aufgehoben.
"Jetzt haben wir eine Fusion gemacht, Arbergen und Mahndorf. Jetzt heißt es Sportgemeinschaft Arbergen-Mahndorf."
Fotos zeigen die Veteranen: "Hier, das ist Hermann Lohmann und das ist Heini Windhorst. Das sind die beiden, die etliche Deutsche Meisterschaften mitgemacht haben."

Unterkünfte für Spieler

Spiekeroog: Kinder spielen Schlagball auf dem bei Ebbe nicht überspülten harten Sandstrand. Sachkundige Väter bewerten das Geschehen vom Liegestuhl aus. An Schlagball kommt kein Urlauber vorbei.
"Der hat ihn getroffen. Jetzt wechselt man. Jetzt flitzen die alle. Jetzt sind hinten zum Beispiel Blaue, beim Wechsel haben die gesagt: Ich lauf nicht hier unten hin, weil das zu lange dauert, ich laufe oben hin. Wenn die jetzt nach unten kommen, sind es keine Laufpunkte."
"Ihr habt gewonnen mit zwei Punkten. Also alle zusammenkommen. Das waren zwei super Spiele."
Wer später ohne Papa und Mama kommen will, hat es schwer. Unterkünfte sind rar, wild zelten ist streng verboten.
"Also, wir haben einen Förderverein hier gegründet in Spiekeroog und der Förderverein bekommt von der Kurverwaltung jedes Jahr ein Kontingent Zeltplätze zur Verfügung gestellt für junge Spieler, die sich eine normale Bleibe im Haus nicht leisten können. Einzige Aufgabe ist, dass sie hier an der Schlagballaktivität teilnehmen, als Spieler und auch als Mithelfer."
Manfred Schimmler hat die Kurverwaltung davon überzeugen können, dass Schlagball Werbung für die Insel ist.

Fähre zum Spiel

Höhepunkt der Saison ist der traditionsreiche Wettkampf mit Langeoog. Zu diesem Anlass verkehrt eine Fähre zwischen den Nachbarinseln, die sonst nur über den Umweg Festland zu erreichen sind.
Schlachtenbummler trainieren Gesänge ein. Spiekeroog ist für viele Urlauber zweite Heimat. Der Lokalpatriotismus ist ausgeprägt.
Christardt trainiert Spiekeroogs Jugendteam: "Ich komme seit meinem ersten Lebensjahr hier hin. Mein Vater hat früher mal gespielt, auch immer ziemlich gut. Wir haben dann immer mit trainiert und wollten irgendwann ins Herrenteam, das war unser größtes Ziel."
Aus den besten Spielerinnen und Spielern am Strand werden die Mannschaften zusammengestellt: Jugendliche, Frauen und Männer.

Spiekeroog ist taktisch besser

Am Strand sitzen sich Schlachtenbummler beiderseits des Spielfeldes gegenüber. Grün steht für Spiekeroog, rot für Langeoog.
Weitschläge, einhändiges Fangen und Läufe zum Tick und zurück bringen Punkte. Die Teams aus Spiekeroog sind taktisch überlegen und schaffen es schneller, gefangene Bälle in aussichtsreiche Abwurfpositionen zu bringen.
Nach 60 Minuten ertönt der Schlusspfiff. Langeoogs Teamchef Peter te Heesen muss weiter auf den ersehnten Sieg warten.
"Schlagball begleitet mich jetzt schon relativ lange. 1977 habe ich das erste Mal hier auf der Insel gespielt, 84 den ersten Vergleichskampf. Und ich möchte behaupten, ich habe noch nie so geile 30 Minuten gesehen wie heute von Spiekeroog. Da ziehe ich meinen Hut. Letztendlich verdienter Sieger. Kommt bitte nach vorne!"
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