Klassische Musik

Talent und schiefe Töne

Musiker des südafrikanischen Miagi Youth Orchestra bei der Probe vor dem Young-Euro-Classic-Festival von 2012.
Musiker des südafrikanischen Miagi Youth Orchestra bei der Probe vor dem Young-Euro-Classic-Festival von 2012. © picture alliance / dpa
Von Ulrike Klobes |
Beim Berliner Festival Young Euro Classic zeigt der Nachwuchs der weltweit besten Jugendorchester, was er kann. Schiefe Töne kommen da schon mal vor, aber auch unheimlich viel Elan und Spielfreude ist zu erleben.
Schon der optische Eindruck ist anders als an einem gewöhnlichen Konzertabend: Die Musikerinnen des Gesamtrussischen Jugendsymphonieorchesters, das zum ersten Mal bei Young Euro Classic dabei ist, tragen lange rote, blaue oder grüne Abendkleider, manche haben Blumen oder Schleifen im Haar. Jungs und Mädchen sitzen neben jungen Erwachsenen. Das jüngste Mitglied, ein kleiner Cellist mit dicker Brille, ist vor Kurzem zehn geworden. Dass er das Repertoire genauso gut beherrscht wie seine älteren Kollegen, zeigt sich schon im ersten Werk, Modest Mussorgskys "Sonnenaufgang über der Moskwa".
"Unser Orchester folgt einem bestimmten Aufbau. Wir haben in jeder Instrumentengruppe erste Solisten, die schon älter sind, um die 20; sie haben bereits Erfahrungen in anderen Orchestern gesammelt. Und in den hinteren Reihen sitzen die jüngeren Spieler, die versuchen, sich an das Niveau der Großen anzupassen. Sie spielen also meistens in den zweiten Stimmen."
Mit 19 schon einer der Älteren
Boris Akishin, erster Solo-Oboist beim Gesamtrussischen Jugendsymphonieorchester, gehört mit seinen 19 Jahren schon zu den Älteren. Im Herbst wird er sein Studium in Moskau beginnen. Dass der Gründer des Orchesters, der Dirigent und Bratschist Yuri Bashmet, ihn unter vielen Mitbewerbern ausgewählt hat, macht ihn sichtlich stolz, denn Akishin weiß genau, welche Chancen sich ihm dadurch bieten.
"Ohne ausreichende Erfahrung ist es schwer, später in ein professionelles Orchester aufgenommen zu werden. Die bekommt man in meinem Alter nur, wenn man mit jungen Musikern und mit Dirigenten, wie Yuri Bashmet, zusammenspielt. Und es ist wirklich interessant, wenn 90 Musiker aus ganz Russland aufeinandertreffen und zusammen Musik machen."
"Natürlich ist ein ganz großer Reiz für die jungen Musiker, dass sie mit Dirigenten in Kontakt kommen, dass sie Reisen machen, dass sie Möglichkeiten haben, sich vorzustellen einem Publikum, das darf man nicht vergessen. Das gehört zum Musikmachen dazu, das spielt eine ganz wichtige Rolle."
Die Niveaustufen sind durchaus unterschiedlich
Auch für Dieter Rexroth steht das Sammeln von Erfahrungen im Mittelpunkt der musikalischen Jugendarbeit. Seit 15 Jahren leitet er das Young-Euro-Classic-Festival. Dass auch mal schiefe Töne dazwischen rutschen und die Niveaustufen der einzelnen Orchester durchaus unterschiedlich sind, gehört für den Musikwissenschaftler zu einem Jugendfestival dazu. Insgesamt aber habe sich die Qualität der Ensembles in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Das ist allerdings nicht nur der Verdienst von engagierten Dirigenten.
"Viele studieren heute Musik und finden in den professionellen Orchestern nicht unbedingt einen Arbeitsplatz. Und viele Orchester gründen sich dann aus dem Aspekt heraus, wir müssen unsere Zukunft selber gestalten."
Ein Jugendorchester aus gestandenen Musikern
Das Jugendorchester als oft beschworenes Karrieresprungbrett kann also auch leicht zur preiswerten Dauereinrichtung werden, denn Geld verdienen die Musiker hier nicht. Das zeigt das Beispiel des Nationalen Jugendorchesters Rumänien. Dass sein Konzert vom Dienstagabend schon jetzt zu den Höhepunkten des Festivals zählen dürfte, liegt auch daran, dass hier mehrheitlich gestandene Musiker spielen. Viele von ihnen arbeiten als Aushilfen in westlichen Orchestern. Auch die Querflötistin Christina Brozin hat mit ihren 30 Jahren das Konzertdiplom längst in der Tasche. Trotzdem hält sie das rumänische Jugendorchester für eine sinnvolle Einrichtung.
"In Rumänien wir sind ein bisschen Opfergeneration. Wir hatten diese Gelegenheit vor uns nicht – also vor meiner Generation – und als das zum ersten Mal aufgekommen ist, das ist ein Traum, glaub ich, für jeden Musiker, in Rumänien zumindest, diese Erfahrung einmal zu machen. Die Jugend wird nie wieder zurückkommen. Und wir erhoffen uns einfach davon, auch Erfahrung weiterzugeben in diesem sehr speziellen Klangapparat."
Rumänische Volkstänze, das Klavierkonzert für die linke Hand von Maurice Ravel oder russische Gegenwartsmusik – bei Young Euro Classic bringt jedes Orchester auch ein Stück seiner Heimat mit nach Berlin. Und das haben Frankreich, Russland und Rumänien in den vergangenen Tagen mit so viel, dass sie das Publikum im Handumdrehen auf ihrer Seite hatten.
"Gerade diese Dynamik in der musikalischen Jugend, die aufzugreifen, und der im Rahmen von Young Euro Classic ein Forum zu geben, das ist ganz, ganz wichtig, und dass es so ist, das ist ja unser Glück und darin liegt ja auch die Zukunft."

Programmtipp: Konzertmitschnitte der Jugendorchester aus Frankreich, China und Rumänien können Sie am Dienstag, den 1. Juli 2014, in unserer Sendung "Konzert" hören.

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