Klassik

Haydns schottische Antiquitäten

Von Haino Rindler |
Zweimal reiste Joseph Haydn auf die britische Insel, beim zweiten Mal war er bereits ein alter Mann. Die englische, walisische und schottische Volksmusik inspirierte ihn zu Großtaten. Es entstanden über 400 Liedbearbeitungen, darunter allein 375 schottische Lieder - einige davon sind auf dem Album mit dem Tenor Werner Güra gelandet.
Bei den schottischen "Volksweisen" unterschied man in Song - damit war ausschließlich der Text gemeint - und Air, die Melodie. Die bestand meistens schon, war ein Traditional. Der Text wurde neu dazu gedichtet. Und fertig war das Lied, das Ende des 18. Jahrhunderts vor allem in den Salons der "upper class" sehr beliebt war.
Der Markt dafür blühte, und Haydn bediente gleich mehrere englische Auftraggeber. Manche dieser Auftraggeber waren sehr betucht, wie ein gewisser George Thomson, der die Sammlung und Herausgabe solcher Lieder als Lebenswerk betrachtet hat, der damit einen besonderen Anspruch verband und der Bearbeitungen bei renommierten europäischen Komponisten wie Beethoven und Weber in Auftrag gab. Entsprechend sind Haydns Kompositionen kaum volkstümlich zu nennen, sondern mit der Besetzung Klavier, Cello und Violine - wobei es oft sogar ein kunstvolles Vor- und Nachspiel gibt - eher Kammermusik für die gehobene Unterhaltung.
Man muss den Musikern, insbesondere dem Solisten Werner Güra ein großes Lob aussprechen. Sie schaffen die Gradwanderung zwischen zum Teil derber Volkstümlichkeit und hohem Kunstlied mit Bravour. Mitreißend, ausgelassen, mit Freude an diesen Miniaturen. Eine gute Idee war es auch, das Klaviertrio Nr. 27 in C-Dur in den Ablauf zu integrieren, aber nicht als kompaktes Werk, sondern hier und dort einen Satz einzustreuen. Denn auch in diesem Trio ist Haydns Begeisterung für die englische und schottische Volksmusik zu hören.

Label: harmonia mundi
Auszüge zum Nachhören auf:
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