Klage gegen Bewertungsportal

Tauziehen um den guten Ruf

Blick in ein Wartezimmer
Es geht um berechtigte Interessen und am Ende auch um Geld: Viele Ärzte gehen juristisch gegen schlechte Bewertungen vor. © Imago
Chan-jo Jun im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke  · 23.01.2018
Eine Ärztin klagt gegen ein Bewertungsportal und es ist bei Weitem nicht die erste Klage dieser Art. Der Jurist Chan-jo Jun über die Schwierigkeit, gute von schlechten Bewertungen zu unterscheiden und über die Grenzen der Aussagekraft solcher Portale.
Wir können mittlerweile an vielen Orten im Netz Bewertungen hinterlassen: Wir können das Hotelzimmer bewerten oder Sterne für das im Netz gekaufte Produkt hinterlassen - oder auch Ärzte und ihre Leistungen einordnen. Eine Ärztin hat nun dagegen geklagt - nicht gegen die Bewertungen selbst, sondern weil neben ihr auf der Seite Werbung für andere zahlende Ärzte erscheint. "Man hat ja schon alle möglichen Argumente in den ersten Instanzen bemüht", sagt Chan-jo Jun dazu, Fachanwalt für IT-Recht und Gründer der auf IT- und Wirtschaftsrecht spezialisierten Kanzlei Jun Rechtsanwälte in Würzburg. Die Argumentation der Rechtsprechung war aber bisher immer, dass es ein Informationsinteresse gäbe. Diese Ärztin versuche sich nun durch die Hintertür - über das Wettbewerbsrecht - durchzusetzen.
Den Unmut der Ärzte kann er aber trotzdem nachvollziehen: "Sie haben zwar Chancen durch diese Einträge, aber auch großen Aufwand", sagt er. Denn um ein sauberes Bewertungsprofil müsse man sich aktiv bemühen und schon ein Schnitt von 1,3 sei fast negativ. Anderen Ärzte gelänge es, negative Bewertungen zu löschen - zum Beispiel juristisch - oder eine Flut an positiven Bewertungen zu generieren. Sich einfach austragen aus solchen Portalen, das ginge aber nicht - und wenn ein neues Urteil das nun ermögliche, hätte das einen großen Wandel der Geschäftsmodelle solcher Portale zur Folge, meint Jun.

Bewertungen heute oft verfälscht

Die große Herausforderung: Die Meinungsfreiheit ist geschützt in Deutschland, nicht aber jede Art von Äußerung - zum Beispiel, wenn sie auf falschen Tatsachen beruht. Das voneinander abzugrenzen ist nicht immer ganz einfach. "Das sieht am Schluss aus wie Haarspalterei", sagt Jun. "Für Laien wirkt das beinah willkürlich, wie da die Entscheidungen getroffen werden."
"Es hat ein bisschen was Absurdes: Die Ärzte, die sich darum bemühen, die haben eine weiße Weste, aber das sagt nichts darüber aus, ob sie wirklich gut sind", sagt Jun. "Ich habe manchmal den Eindruck, ich sehe eher, wie gut die Anwälte der Ärzte sind und nicht wie gut der Arzt ist." Die Bewertungen büßten viel von ihrer Authentizität ein, wenn sie immer wieder durch juristische Maßnahmen verfälscht würden, kritisiert er.
Doch kann er das Unwohlsein der Ärzte nachvollziehen. Immerhin arbeiteten sie mit ihrem bürgerlichen Namen, was einer schlechten Bewertung eine ganz andere Wucht verleihe. Seine Prognose: Dass irgendwann ein Gleichgewicht gefunden wird. Zwar werden solche Portale nicht gänzlich verboten werden, doch die Regeln, nach denen ihre Inhalte bewertet werden, werden immer weiter konkretisiert, vermutet er. Aber: "Es wird dann für Bewertende schwierig werden, eine Bewertung zu schreiben, die rechtlich sauber ist."
Mehr zum Thema