Klaas Heufer-Umlauf in "Ein Mann, eine Wahl"

Politikvermittlung mit Unterhaltungstouch

Die Moderatoren Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt.
Klaas Heufer-Umlauf: Hipster-Milieu ohne Geldprobleme © dpa / Foto Unger
Jochen Hörisch im Gespräch mit Christine Watty · 11.09.2017
Der Moderator Klaas Heufer-Umlauf will heute Abend auf Pro7 Politik mal anders vermitteln. Der Medienwissenschaftler Jochen Hörisch konnte sich die Sendung "Ein Mann, eine Wahl" vorab anschauen - und fühlte sich ins Hipster-Milieu entführt.
"Ne Politiksendung, die trotzdem auch ein bisschen lustig ist": Das erwartet den Zuschauer heute Abend um 22.05 Uhr auf Pro7. So beschreibt zumindest der Moderator Klaas Heufer-Umlauf seine Show "Ein Mann, eine Wahl", die Politikvermittlung auf die etwas andere Art betreiben soll.
Ist das gelungen? Der Medienwissenschaftler Jochen Hörisch hat sich die Sendung vorab für uns angeschaut. Mit der generellen Anmutung und dem Ambiente konnte er sich spontan nicht anfreunden: "So ein Leben wie die jungen Leute möchte ich auch haben", spöttelt Hörisch: "Das Auto, in dem der rumfährt. Das Büro: Alles sehr sehr stylisch. Es war ein bestimmtes Milieu, ein intellektuelles, so ein Hipster-Milieu. Geldprobleme gibt's da offenbar nicht." Und: "Es war definitiv nicht der kleine Mann, der da die Fragen gestellt hat, sondern der verwöhnte Umlauf."
Auch inhaltlich fühlte sich Hörisch nicht wirklich beglückt. Das Niveau der Sendung sei "das der lustvollen kleinen Regelverletzung" gewesen - so werde in der Show beispielsweise viel geraucht. Ansonsten redeten die auftretenden Politiker in etwa so, wie sie sonst auch reden.
Mit Ausnahme der AfD träten zwischen den Parteien keine grundsätzlichen Differenzen zu Tage, sagte Hörisch. Das sei das "Grundproblem in der politischen Diskussion". Vielleicht sei das aber auch ganz gut so, betonte der Medienwissenschaftler: "Mein Gott, wie gut leben wir in Deutschland, wenn es um so kleine, witzige Differenzen geht." (ahe)


Das Interview im Wortlaut:

Christine Watty: Debatten, Duelle, Talkshows – wer sich noch kurz vor der Bundestagswahl informieren möchte über die Haltungen und Ausrichtungen der Parteien, der kann es beispielsweise mit all diesen aufgeheizten meist Fernsehformaten tun. Eines kommt jetzt noch dazu, das vor allem den Anspruch hat, jüngere oder vielleicht auch politikfernere Menschen dazu zu bewegen, sich mit den Themen und den Politikern zu beschäftigen. Der Moderator Klaas Heufer-Umlauf ist in "Ein Mann, eine Wahl" zu sehen, einer zweiteiligen Debattendoku, in der er ab heute Abend Spitzenpolitikern begegnen wird.
Klaas Heufer-Umlauf: Die Parteien sind uns bekannt, aber: Stimmt denn der alte Satz, wenn man sagt, CDU und SPD, das ist eigentlich so ein bisschen dasselbe? Ist das wirklich so? Wir probieren das mal rauszufinden, und auch, wie sich die Grünen von den Linken unterscheiden, und wer eigentlich noch mal die FDP war. All diese Fragen werden wir klären, und wenn ich sage "wir", dann meine ich eigentlich mich in dreigeteilter Form. Also mich gibt es da dreimal, weil ich probiert habe, da einmal eher durch die konservative Brille zu schauen, einmal eher durch eine etwas linkere Brille, und dann gibt es noch den, der irgendwie dazwischen hängt. Und vielleicht kennt das der eine oder andere, der sagt, ich bin ein bisschen hin- und hergerissen.
Sagt der Moderator Klaas Heufer-Umlauf über das neue Format "Ein Mann, eine Wahl". Der Anspruch aber ist eben nicht, wie in anderen Formaten dieser Art, rauszufinden, was denn die politischen Parteien gerade wollen und wie sie sich zu welchen Fragen positionieren. In diesem Fall aber eben gepaart mit unterhaltenden Elementen. Wir haben den Medien- und Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch gebeten, sich die erste Folge, die heute Abend zu sehen sein wird im Fernsehen, mal anzuschauen. Schönen guten Morgen erst mal, Jochen Hörisch!
Jochen Hörisch: Guten Morgen, Frau Watty!
Watty: Sie sind Medienprofi, auch über, sagen wir mal 30, wenn ich das verraten darf, und vor allem sind Sie politikinteressiert ...
Hörisch: Sie sind sehr großzügig …
Watty: ... aber Sie liegen definitiv außerhalb der Zielgruppe dieses Formates. Wie fanden Sie es denn trotzdem, nachdem Sie es sich in ganzer Länge angeschaut haben, zumindest den ersten Teil?

"So ein Leben will ich auch haben"

Hörisch: Gerade, weil Sie so außerordentlich charmant auf mein fortgeschrittenes Alter hingewiesen haben, habe ich gedacht, so ein Leben wie die jungen Leute möchte ich auch haben. Das war mein erster Impuls. Das Auto, in dem der rumfährt, das Büro, alles sehr stylish. Es war ein bestimmtes Milieu, ein intellekuelles, so ein Hipster-Milieu, das da abgerufen wurde. Geldprobleme gibt es da offenbar nicht. Es war definitiv nicht der "kleine Mann", der da die Fragen gestellt hat, sondern der verwöhnte Umlauf, der sagt, mich gibt es dreimal, ich bin so gut, dass ich drei Identitäten annehmen kann, und jetzt will ich mal versuchen, ein neues Format aufzuziehen. Ob ihm das gelungen ist, werden wir wahrscheinlich gleich noch erörtern.
Watty: Genau. Das Format eben ist vor allem schön verpackt, aber darin stecken dann auch wieder, wie es natürlich sein muss, Politikerinterviews. Er spricht zum Beispiel mit Martin Schulz, oder er spricht zum Beispiel mit Christian Lindner. Auf welchem Niveau befinden sich Ihrer Einschätzung nach diese Politikergespräche? Denn da könnte natürlich das Format anders funktionieren als das, was wir sonst so zu sehen und zu hören bekommen.
Hörisch: Das Niveau ist das der lustvollen, ganz kleinen Regelverletzung. Die größte Regelverletzung ist wahrscheinlich, dass ziemlich viel geraucht wird in dieser Sendung. Dachte ich auch, das darf gar nicht sein. Soll das eine ironische Hommage an Helmut Schmidt sein?

Die Politprofis reden wie immer

Das ist sozusagen das Format, in dem man versucht, gegen allzu etablierte Talkshow-Formate oder Interviewformate – das große Berliner Interview – anzurauchen – anzustinken will ich bewusst nicht sagen. Ansonsten war es so, dass man merkt, die Politiker – Sie haben ja einige genannt –, Özdemir, auch Weidel, auch Katja Kipping kommen vor, reden in etwa wie so, wie sie ansonsten auch reden. Wie soll es anders sein.
Und man merkt das Grundproblem in der politischen Diskussion, und das ist dann doch eine Leistung dieser Sendung, die wir heute haben, mit Ausnahme der AfD sind die Parteien ja samt und sonders – und das ist ja in gewisser Weise auch gut so – alle verpflichtet der Ökologie, dem Liberalismus, der sozialen Marktwirtschaft und dergleichen mehr. Das heißt, die Differenzen sind äußerst gering.
Umso stärker ist dann der Human Factor, der menschliche Faktor: Wie tritt er auf, wie lustig ist er, wie charmant spricht sie, und dergleichen mehr. Also es menschelt in dieser Sendung, aber doch in sehr überschaubaren Dimensionen. Die Polit-Rhethorik als solche bleibt eigentlich wie in anderen Sendeformaten auch.
Watty: Das fand ich persönlich nämlich auch erstaunlich, dass es zwar wirklich menschelt, aber so minimal, dass es wirklich schwierig scheint für diese ganzen Politikerprofis, aus den Floskeln, aus den Phrasen herauszutreten, selbst, wenn so ein Format mal ganz anders daherkommt. Und das Grundproblem, das Sie geschildert haben, ist ja schon die Analyse auf der Metaebene, dass die Parteien und die Haltungen sich alle sehr ähneln. Glauben Sie dennoch, dass jemand, der dieses Format anschaut, am Ende ein bisschen besser weiß, vor allem, wenn er vielleicht nicht ganz so nahe an der Politik dran ist, wen er jetzt wählen soll?

Vibrations spielen eine große Rolle

Hörisch: Er wird, wenn er einigermaßen selbstreflexiv ist, merken, dass eine bestimmte Form von Emotionalität, neudeutsch gesprochen, Vibrations, eine sehr große Rolle spielen. Sie merken das ja auch schon an den Klischeebezeichnungen. Die Kanzlerin ist "Mutti". Das ist ja nicht unbedingt eine politische Kategorie. Und Schulz ist ein "Zausel", vom Auftreten her. Ist das sympathisch, oder findet man das eher irritierend?
Das heißt, die ganzen Politprofis, mit denen wir ja auch Mitleid haben müssen, die stehen ja unter einer übertribunalisierten Dauerbeobachtung, die schwer erträglich ist, die müssen versuchen, eine Pointe nach der anderen zu lancieren. Das ist aber gar nicht so einfach, wenn die Differenzen so gering sind.
Das Schlimme ist, dass die einzig wirklich differente Partei die ist, die da AfD heißt. Aber die ist nun eben so daneben in ihren Äußerungen – wir haben das ja jetzt mit der Weidel-E-Mail, schauen wir mal, ob sie echt ist oder nicht, oder mit den wirklich unerträglichen Äußerungen eines Menschen, Gauland heißt er, der glaubt ein Konservativer zu sein, der aber noch nicht mal weiß, wie man angemessen mit Damen und über Damen kommuniziert, also der einfach pöbelhaft spricht. Das sind dann in der Tat Differenzen, aber das sind Differenzen, die nicht sehr angenehm sind.

Mein Gott, wie gut leben wir in Deutschland!

Also ich dachte auf meine alten Tage, mein Gott, ist es nicht auch gut, in einem Land zu leben, wo man Probleme solcher Feinjustierung hat, wo es nicht drum geht, Trump oder einen in der Tat demokratischen Politiker, Sanders oder Hillary Clinton. Das sind ja wirklich gewichtige Entscheidungen. Erdogan oder einen Anti-Erdogan-Typ, Kemalist und dergleichen mehr. Das sind Grundsatzentscheidungen. Und ich dachte, mein Gott, wie gut leben wir in Deutschland, wenn es um so kleine, witzige Differenzen geht.
Watty: Das ist natürlich sehr richtig, wobei ich auch finde, dass natürlich die Politiker jetzt gerade mit solchen neuen Formaten, die YouTube-Interviews, jetzt Heufer-Umlauf, vielleicht auch noch so ein bisschen dran arbeiten müssen, sich auch einzulassen auf andere Interviewbegegnungen außerhalb der Standardgeschichten, die wir sonst so kennen, Kanzlerduell und so weiter. Danke schön, Jochen Hörisch. Habe ich jetzt einfach mal angefügt über das Format "Ein Mann, eine Wahl" mit Klaas Heufer-Umlauf, das heute Abend in Pro Sieben zu sehen ist. Danke, dass Sie sich das schon mal für uns angeschaut haben!
Hörisch: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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