Kisten und Kasperliade
Das Deutsche Theater bietet einen Flickenteppich aus zehn Shakespeare-Stücken und eine mit erkrampften Gegenwartsbezügen überfrachtete Erzählung von Schiller. Ein paar Glanznummern für Schauspieler sind dabei, der Rest ist Schnickschnack.
Gotscheffs Textvorlage ist ein Ganzes aus Teilen, ein Steinbruch aus Szenensplittern und Ereignisfetzen. Die Szenensplitter sind zehn verschiedenen Shakespeare-Stücken entnommen – von Hamlet bis Titus Andronicus in Übersetzungen vor allem von Heiner Müller aber auch von Thomas Brasch und Manfred Wekwerth – und umkreisen das Themenfeld von Hass, Gewalt, Königsmord und erschwindeltem Aufstieg. Fragmente sind aus den ursprünglichen Zusammenhängen von Shakespeares Stücken herausgenommen. Der Zuschauer muss sich eine eigene Collage einer Endzeitsituation zusammenstellen. Als Sachwalter von Heiner Müller hat Gotscheff Texte aus anderen Stücken des Autors – so aus der "Hamletmaschine" – eingefügt.
Er orientiert sich jedoch auch an ästhetischen Prinzipien des deutschen Dramatikers. "Im Bauch der Tragödie lauert die Farce" hatte der gesagt, und auch in Gotscheffs Inszenierung schlägt wiederholt das Erhabene ins Lächerliche, das Tragische ins Absurde um. Wie in Müllers Stücken und Inszenierungen sind Personen und Texte austauschbar, und die Figuren erscheinen als Einheit der Gegensätze. Was den Inszenierungen des gebürtigen Bulgaren das Besondere gibt, ist die dem Schauspieler gegebene Freiheit, die von ihm genutzte Chance aufzublühen. Textblöcke und Monologe aus Shakespearestücken werden herausgegriffen und vom Darsteller zu selbständigen Kabinettstücken verdichtet.
Wolfram Koch macht den anbetenden Text des Timon von Athen gegenüber dem Gold zu einer "Kiste", wie Brecht die herausgehobene schauspielerische Nummer genannt hat. Er steigert sich in einen wahren Rausch, dichtet dem Gold ungeahnte Eigenschaften an, fühlt sich durch dessen Besitz geadelt, erschaudert vor dem Gedanken von dessen Ausleiben; er jubelt, überschlägt sich, seufzt und stöhnt, grunzt und sabbert. Samuel Finzi macht den Gang des Cäsar zum Senat, dorthin, wo er ermordet werden wird, zu einer Glanznummer von chaplineskem Format: angstschlotternd und sich krampfhaft zu heldenhafter Größe zwingend. Wolfram Koch spielt allein Jagon und Othello, gestaltet intrigante Verführung und Ermordung der Desdemona mit den vergröbernd naiven Mitteln der Wanderbühnen des 18. Jahrhunderts.
Irgendwann aber spielt sich solches Verfahren einmal leer. Der Eindruck eines sich verselbständigenden Flickenteppichs entsteht – verstärkt noch dadurch, das Kunstlieder gesungen, Kalauer präsentiert werden und die mit schrillen Tönen begleitende Band um George Donchew Rocknummern in abendfüllender Breite spielt.
Simon Solbergs Adaption von Schillers Erzählung dagegen erscheint als wirkungssüchtiger Profilierungsversuch des Regisseurs. Er vertraut nicht dem Schillerschen Text und meint, ihn aufwerten zu müssen mit allerlei inszenatorischem Schnickschnack. Statt gemeinsam mit den Schauspielern die Vorlage nach dem ihr innewohnenden Potential für darstellerische Gestaltung zu untersuchen, überfrachtet er die 30 Seiten der Erzählung mit einem Chaos an Stilmitteln, Perspektiven und erkrampften Gegenwartsbezügen. Eine Wissenschaftlergruppe ist damit beschäftigt, anhand von Hirnquerschnitten die Anfälligkeit für Verbrechen nachweisen zu können. Sie beschließt, als Experiment Schillers Erzählung aufführen zu wollen, wählt einen der Ihren zum Darsteller des Verbrechers und produziert sich fortan mit den Mitteln der Kasperliade.
Nebenbei wird noch die wechselnde Geschichte des Zusammenhangs von Wirtschaftssituation und Verbrechen durch die Jahrhunderte durchdekliniert. Über der Szene eine Filmleinwand, auf der sich zwei Originalstraftäter äußern, die am Ende in leibhaftiger Gestalt ins Geschehen eingreifen und zusammen mit den Schauspielern eine Idylle vom freiheitlichen Leben auf einer norwegischen Gefängnisinsel vorspielen. Die interessanteste Szene jedoch ist unbestritten die von der Rückkehr des Helden aus dem Gefängnis und seiner Abweisung der früheren Angebeteten. Da werden Originaltexte von Schiller verwendet. Das müsste überehrgeizigen "Stückverbesserern" zu denken geben.
Informationen des Deutschen Theaters Berlin zu "Shakespeare. Spiele für Mörder, Opfer und Sonstige"und zu "Verbrecher aus verlorener Ehre"
Er orientiert sich jedoch auch an ästhetischen Prinzipien des deutschen Dramatikers. "Im Bauch der Tragödie lauert die Farce" hatte der gesagt, und auch in Gotscheffs Inszenierung schlägt wiederholt das Erhabene ins Lächerliche, das Tragische ins Absurde um. Wie in Müllers Stücken und Inszenierungen sind Personen und Texte austauschbar, und die Figuren erscheinen als Einheit der Gegensätze. Was den Inszenierungen des gebürtigen Bulgaren das Besondere gibt, ist die dem Schauspieler gegebene Freiheit, die von ihm genutzte Chance aufzublühen. Textblöcke und Monologe aus Shakespearestücken werden herausgegriffen und vom Darsteller zu selbständigen Kabinettstücken verdichtet.
Wolfram Koch macht den anbetenden Text des Timon von Athen gegenüber dem Gold zu einer "Kiste", wie Brecht die herausgehobene schauspielerische Nummer genannt hat. Er steigert sich in einen wahren Rausch, dichtet dem Gold ungeahnte Eigenschaften an, fühlt sich durch dessen Besitz geadelt, erschaudert vor dem Gedanken von dessen Ausleiben; er jubelt, überschlägt sich, seufzt und stöhnt, grunzt und sabbert. Samuel Finzi macht den Gang des Cäsar zum Senat, dorthin, wo er ermordet werden wird, zu einer Glanznummer von chaplineskem Format: angstschlotternd und sich krampfhaft zu heldenhafter Größe zwingend. Wolfram Koch spielt allein Jagon und Othello, gestaltet intrigante Verführung und Ermordung der Desdemona mit den vergröbernd naiven Mitteln der Wanderbühnen des 18. Jahrhunderts.
Irgendwann aber spielt sich solches Verfahren einmal leer. Der Eindruck eines sich verselbständigenden Flickenteppichs entsteht – verstärkt noch dadurch, das Kunstlieder gesungen, Kalauer präsentiert werden und die mit schrillen Tönen begleitende Band um George Donchew Rocknummern in abendfüllender Breite spielt.
Simon Solbergs Adaption von Schillers Erzählung dagegen erscheint als wirkungssüchtiger Profilierungsversuch des Regisseurs. Er vertraut nicht dem Schillerschen Text und meint, ihn aufwerten zu müssen mit allerlei inszenatorischem Schnickschnack. Statt gemeinsam mit den Schauspielern die Vorlage nach dem ihr innewohnenden Potential für darstellerische Gestaltung zu untersuchen, überfrachtet er die 30 Seiten der Erzählung mit einem Chaos an Stilmitteln, Perspektiven und erkrampften Gegenwartsbezügen. Eine Wissenschaftlergruppe ist damit beschäftigt, anhand von Hirnquerschnitten die Anfälligkeit für Verbrechen nachweisen zu können. Sie beschließt, als Experiment Schillers Erzählung aufführen zu wollen, wählt einen der Ihren zum Darsteller des Verbrechers und produziert sich fortan mit den Mitteln der Kasperliade.
Nebenbei wird noch die wechselnde Geschichte des Zusammenhangs von Wirtschaftssituation und Verbrechen durch die Jahrhunderte durchdekliniert. Über der Szene eine Filmleinwand, auf der sich zwei Originalstraftäter äußern, die am Ende in leibhaftiger Gestalt ins Geschehen eingreifen und zusammen mit den Schauspielern eine Idylle vom freiheitlichen Leben auf einer norwegischen Gefängnisinsel vorspielen. Die interessanteste Szene jedoch ist unbestritten die von der Rückkehr des Helden aus dem Gefängnis und seiner Abweisung der früheren Angebeteten. Da werden Originaltexte von Schiller verwendet. Das müsste überehrgeizigen "Stückverbesserern" zu denken geben.
Informationen des Deutschen Theaters Berlin zu "Shakespeare. Spiele für Mörder, Opfer und Sonstige"und zu "Verbrecher aus verlorener Ehre"