Kirsten Boie: "Bestimmt wird alles gut"

Eine zutiefst menschliche Geschichte

Zahlreiche Flüchtlinge warten in Wegscheid (Bayern) vor einer Notunterkunft.
Hunderttausende Geflüchtete sind bereits in Europa - die meisten von ihnen haben Schreckliches erlebt auf ihrer Flucht © dpa-Bildfunk / Armin Weigel
Von Kim Kindermann · 03.03.2016
Rahaf und Hassan fliehen mit ihren Eltern aus Syrien. Stets dabei sind Hunger, Durst und Angst. Kirsten Boie erzählt mit viel Einfühlungsvermögen die Geschichte ihrer schrecklichen Reise - ein Buch mit Sogwirkung.
Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses kleine Buch ist groß, ganz, ganz groß! Einfach weil es den richtigen Ton trifft, weil die Geschichte so simpel wie universell gültig ist, weil hier Menschen in Not ein Gesicht gegeben wird und ihre Erlebnisse, ihre Verluste und ihre Hoffnungen so nachvollziehbar sind, dass sich alles andere als Mitgefühl verbietet.
"Bestimmt wird alles gut" hat viel von Frau Merkels "Wir schaffen das"! Denn angesichts der hier erzählten Flüchtlingsgeschichte kann man nicht anders, als diesen Menschen eine neue Heimat anzubieten.
Es geht um die zehnjährige Rahaf und ihren neunjährigen Bruder Hassan, die über den Krieg in Syrien erzählen, über den Versuch der Menschen dort, trotz Angst, Tod und Zerstörung eine Art Alltag aufrecht zu erhalten: ein Jahrmarktbesuch, eine Übernachtungsparty mit der besten Freundin und ein Fußballspiel zwischen Ruinen. Ein Alltag, der zerbricht, als die Eltern beschließen zu fliehen.
Zurück bleiben die Großeltern, die Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen, Freundinnen und Freunde. Und es folgt eine schreckliche Reise mit dem Flugzeug, einem viel zu kleinen Schiff und in einem übervollen Zug. Stets mit dabei Hunger, Durst und Angst – auch die Angst, nicht willkommen zu sein.

Gedanken ungeschönt aufgeschrieben

Rahaf und Hassan halten das alles aus. Auch wenn sie zurück nach Hause wollen. Sie sind stark und tapfer, in einer Art, wie es nur Kinder sein können und die umso bestürzender ist. Etwa als Rahaf ihre Puppe Lulla verliert – ohne die sie gar nicht weg gehen wollte aus Homs und die von Schleusern aus dem Boot geworfen wird. Das bricht einem das Herz. Vor allem dann, wenn Rahaf selbst sagt, eine Puppe hat kein echtes Leben.
Hat sie nicht, klar, aber die eine Puppe, die jedes Mädchen in ihrer Kindheit so innig liebt, ist eben mehr: Sie ist und bleibt ein Leben lang der Inbegriff der geschützt-behüteten Kindheit. Ihr Verlust ist umso bitterer. Bitter auch, dass Rahaf mit zehn Jahren schon über so etwas wie echtes Leben nachdenken muss, es in den Vergleich zu ihrem eigenen setzen muss. Unfassbar.
Kinderbuchautorin Kirsten Boie zu Besuch im Deutschlandradio Kultur.
Kinderbuchautorin Kirsten Boie zu Besuch im Deutschlandradio Kultur.© Deutschlandradio - Andreas Buron
Aber genau das macht dieses Buch so wichtig. Toll, dass Kirsten Boie den beiden Kindern so aufmerksam zugehört hat, deren Gedanken so ungeschönt aufgeschrieben hat – und ins Arabische hat übersetzen lassen. Ihr Kinderbuch entfaltet einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann, ach was entziehen soll!
Denn erst, wenn der letzte versteht, wovor Rahaf, Hassan und ihre Familien fliehen und was sie durchlitten haben, verstummt das dumme Geschrei nach Obergrenzen und das hole Geschwätz von Überfremdung. Gut also, dass es sie gibt, diese zutiefst menschliche Geschichte. Nur so schaffen wir das. Bestimmt!

Kirsten Boie/ Jan Birck, Bestimmt wird alles gut
Übersetzt ins Arabische von Mahomoud Hassanein
Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2016
48 Seiten, 9,95 EUR

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