Kirchliche Liegenschaften

Wenn die Scheune zum Gemeindehaus wird

08:44 Minuten
Im Vordergrund ist ein "liturgischer Garten" zu sehen, im Hintergrund, von Bäumen umgeben, die Kirche und ein Gemeindegebäude aus rotem Backstein.
Was tun mit ungenutztem Kirchenbesitz? Die evangelische Gemeinde Schönwalde in Ostholstein lässt die Dorfgemeinschaft die Gebäude des alten Pfarrhofs nutzen. © Brigitte Lehnhoff
Von Brigitte Lehnhoff |
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Auf die Mitglieder- und Finanzkrise reagieren die großen christlichen Kirchen mehr oder weniger gleich: Die Ausgaben müssen sinken, wenig genutzte Gebäude werden verkauft oder abgerissen. Außer – man wird kreativ. Wie eine Gemeinde in Ostholstein.
Große Aufregung im Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Schönwalde. Acht Viertklässler der örtlichen Grundschule besuchen in der Nachmittagsbetreuung einen Imkerkurs, angeleitet von Hobbyimkerin Claudia Kosfeld. Als alle mit weißem Anzug, Haube und Handschuhen geschützt sind, geht es raus zum Bienenstock im Pfarrgarten. „Schaut mal, hier tanzt die Biene“, freut sich Kosfeld. „Seht ihr das? Die hat was Tolles gefunden. Wenn die so wackeln mit dem Hinterleib, geben sie die Information weiter.“

Mit Kirchenbesitz die Gemeinschaft unterstützen

Die Kooperation zwischen Kirchengemeinde, Imkerverein und Schule geht bereits ins zweite Jahr. In ihr spiegelt sich das Selbstverständnis von Kirchenvorstand und Freundeskreis. Die Verantwortlichen fragen sich: Wie können wir mit dem, was wir haben, die Dorfgemeinschaft unterstützen und stärken? Diese Haltung fordern inzwischen auch die großen Kirchen ein, besonders deren Wohlfahrtsverbände. Die Schlagworte dazu lauten ‚Kirche im Quartier‘ oder ‚Gemeinwesenorientierung‘. Dafür erforderlich ist ein radikales Umdenken. Dazu fehlt aber letztlich vielen Kirchen- und Gemeindeleitungen der Mut – und oft auch die Fantasie.    
Der Pastor Arnd Heling führt über den Pfarrhof Schönwalde und zeigt den historischen Gebäudebestand: Eine Kirche, eine alte Pfarrscheune, ein ehemaliger Viehstall, der jetzt Gemeindehaus ist. „Sogar noch ein kleines Klohäuschen aus dem 19. Jahrhundert, das älteste Gebäude hier auf dem Gelände. Jetzt ist da eine Büchertauschbörse drin, liebevoll restauriert und der Renner hier. Es sind täglich Leute, die herkommen und sich begeistern für dieses kleine Projekt.“  

Viele Gebäude haben eine neue Bestimmung gefunden

Das Kirchenamt hatte zunächst geraten, das Klohäuschen abzureißen, erzählt der Pastor. Zu teuer sei die Sanierung, auch die der alten Leichenhalle. Doch auch sie hat eine neue Bestimmung gefunden, ist nun Gedenkort für Opfer von Krieg und Gewalt.
Heling geht weiter zum reetgedeckten ehemaligen Viehstall, heute ein Treffpunkt nicht nur für kirchliche Gruppen, sondern auch für den Frühstückstreff des Roten Kreuzes, eine Gymnastikgruppe oder Chöre. „Weil es hier im Dorf nicht so viel Platz gibt für kleine Gruppen“, wie der Pastor sagt. Man sei nun auch im Gespräch, „einen Flüchtlingstreff für ukrainische Flüchtlinge hier einzurichten, vormittags, auch mit Deutschkurs.“ Es würden aber auch private Festgesellschaften, Hochzeiten hier ausgerichtet, „dafür nehmen wir dann auch kleine Gebühren, um die Reinigungskosten zumindest wieder reinzukriegen und das klappt auch annähernd“, fügt er hinzu.  

Weniger Mitglieder bedeuten weniger Geld

Und trotzdem stellt sich die Frage, wie die Gemeinde den Erhalt der historischen Gebäude finanziert, wie sie es sogar geschafft hat, ein kleines Haus für Mensch-Tier-Begegnung neu zu bauen. Denn wie viele anderen Kirchengemeinden schrumpft auch Schönwalde. Das wiederum bedeutet für die 1900-Seelen-Gemeinde weniger Zuweisungen der Landeskirche.
Pastor Heling ist gut darin, zusätzliche Finanzquellen aufzutun: „Man muss einfach findig und kundig sein, welche Förderprogramme bei der Landesdenkmalpflege, bei den Aktivregionen, im Natur- und Umweltschutz und so anzuzapfen sind – natürlich mit vernünftigen und guten Vorschlägen. Aber wenn man sich das gut überlegt, dann denke ich, ist das nicht so wahnsinnig schwer.“  

Er spricht von jährlichen Fördermitteln im fünfstelligen Bereich. Was aber ist mit den laufenden Betriebskosten? Die übernehmen ja weder Denkmalpflege noch Stiftungen? Arnd Heling räumt ein: „Natürlich müssen wir auf lange Sicht uns Gedanken machen, da sind wir am Anfang.“  

220.000 Euro für „Ökoflächen“

Ideen gibt es schon. Ein Beispiel: Die Kinder der gemeindeeigenen Kita lieben den Kontakt zu den Schafen, Kaninchen und Hühnern auf dem Pfarrhof. Die tierpädagogische Arbeit will die Kirchengemeinde nun nicht mehr selbst improvisieren, sondern in professionelle Hände geben, um dann über das Kita-Werk und andere Nutzer kleine Einnahmen zu haben.
Größere Einnahmen für die fällige Kirchenrenovierung konnte die Gemeinde durch den Einsatz eigener Ländereien erzielen. Insgesamt gehören ihr 60 Hektar Grün- und Ackerland.
Heling erzählt, man habe schon etliche Hektar als „Ausgleichsflächen“ für Eingriffe in die Natur zur Verfügung gestellt. Damit könnten sogenannte Ökopunkte erworben werden, die man dann wiederum verkaufen könne.
Käuferin der Ökopunkte war in diesem Fall die Deutsche Bahn. Das Unternehmen baut die Fehmarnbelt-Querung und muss für notwendige Eingriffe in die Natur einen Ausgleich an anderer Stelle leisten. Für die renaturierten Flächen hat die Bahn 220.000 Euro gezahlt. Abzüglich der Kosten für die ökologische Aufwertung blieben der Gemeinde 120.000 Euro als Grundstock für die Kirchenrenovierung.
Die größte Ökopunktefläche, eine wiedervernässte Senke unmittelbar am Pfarrhof, ist über einen Holzsteg für jedermann zugänglich. Katrin Romahn, freie Biologin, die mit der Kirchengemeinde zusammenarbeitet, deutet vom Steg aus auf das Feuchtbiotop:
„Man sieht ein ausgedehntes Röhricht mit vielen verschiedenen Pflanzenarten und in der Mitte sieht man so kleine Wassertümpel, an denen sich Amphibien und Wasservögel tummeln. Und hier sehen Sie zum Beispiel die Sumpfdotterblume, die gerade sehr schön blüht, verschiedene seltene Seggenarten und das ist hier so ein Dorado für Feuchtwiesenarten, die ansonsten bei uns selten geworden sind.“  

Geld verdienen und der Natur etwas Gutes tun

Die Kirchengemeinde Schönwalde hat also aus der Not eine Tugend gemacht. Einerseits hat sie einen Teil ihrer Ländereien genutzt, um an Geld für notwendige Renovierungsarbeiten zu kommen. Andererseits hat sie damit etwas für Natur- und Klimaschutz getan. Und dazu will sie künftig auch alle ihre Pächter verpflichten. Den Vertrag bekommt nur noch verlängert, wer mehr für Biodiversität, Grundwasser- und Bodenschutz tut.
Jens Reese, Nebenerwerbslandwirt und einer der sieben Pächter, weiß: Nicht alle seiner Berufskollegen finden das gut. Er selbst hält den Schritt der Gemeinde für richtig und hat schon angefangen, sich umzustellen. Zum Beispiel will er bei der Ungräser-Bekämpfung vermehrt auf mechanische Bekämpfung setzen.
“Also, wir haben uns einen Striegel gekauft und wollen damit dann den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln schon mal zumindest in dem Bereich reduzieren. Wir wollen deutlich mehr für die Bodengesundheit tun, der Anfang ist jetzt die vierte Fruchtfolge.“  

Nicht nur der Preis zählt

Als fair empfindet es Reese, dass die Kirchengemeinde ihr Land ausdrücklich nicht nach dem Kriterium des höchsten Preises verpachtet. Denn bundesweit tobt der Kampf um Ackerflächen, Pachtpreise haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt, Kaufpreise sogar verdreifacht. Für Junglandwirte eine Katastrophe, sagt Jens Reese.
Von den 1000 Gemeinden in der evangelischen Nordkirche besitzen etwa 800 eigenes Land. Würden alle nach ökologischen und sozialen Kriterien verpachten, könnte das eine starke Signalwirkung haben. Das gilt auch bundesweit: In Kirchenhand sind etwa 500.000 Hektar Grün- und Ackerland, eine Fläche so groß wie das Saarland, Berlin, Hamburg und Bremen zusammen. Zwar verpflichten sich immer mehr Bistümer und Landeskirchen, die Artenvielfalt, das Grundwasser und den Boden besser zu schützen. Doch immer noch kommt aus vielen kirchlichen Finanzdezernaten der Druck, bei den Pachtverträgen vor allem auf hohe Einnahmen zu achten – und weniger auf Ökologie.

Ein liturgischer Garten erfreut die Besucher

Noch einmal zurück zum Pfarrhof, in den liturgischen Garten, eine runde Anlage mit Blumen in den liturgischen Farben Rot, Violett, Weiß und Grün. In der Mitte ein Taufstein. Am Garten vorbei führt ein Kreuzweg, rund um die Senke bis zur Kirche. Diese spirituellen Anregungen, die Fülle der Schöpfung und die Vielfalt der Arten erfreuen Besucher jeden Tag.
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