Kirchentag

Homosexualität erhitzt fromme Gemüter

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Im Südwesten nicht erwünscht? Ein homosexuelles Paar auf einer Kundgebung. © picture alliance / dpa / Olivier Douliery
Von Kirsten Dietrich |
Die Trauungen von homosexuellen Paaren sind nicht in allen Landeskirchen unumstritten. Gerade im pietistisch geprägten Südwesten der Republik haben es gleichgeschlechtlich Liebende schwer, ihren Glauben und ihre Sexualität zu leben.
"Willkommen hier bei unserer Veranstaltung zum Kirchentag. Ich darf Sie herzlich begrüßen, sehr geehrte Damen und Herren, Inter- und Transmenschen, Genderfluid, Cis-Women, Two Spirit LSBTTIQ. Sie wissen vielleicht nicht, was sich hinter diesen Bezeichnungen verbirgt? Dann sind Sie vielleicht in Baden-Württemberg in die Schule gegangen. Wo bis heute ..."
... wo bis heute über einen Bildungsplan gestritten wird, mit dem sich eine größere Vielfalt an sexuellen Orientierungen im Schulstoff spiegeln soll. Kein Konflikt ist zur Zeit wohl geeigneter, um zu zeigen, welches Potenzial zum Sprengstoff das Thema Homosexualität in den Kirchen hat. Gegen den Bildungsplan protestierten theologisch-konservative Kreise: Nach ihrer Interpretation sollen so Kinder zur Homosexualität umerzogen werden. Mitten im Konflikt: die Württembergische Kirche. Kirchenvertreter saßen mit in der beratenden Kommission für den Bildungsplan, und die Gegner des Plans zählen sich auch größtenteils zur Landeskirche. In dem Konflikt hat die Kirche mit ihrer unentschiedenen Haltung keine gute Figur gemacht, sagt der württembergische Kultusminister Andreas Stoch:
"Und was mich dann da sehr betroffen gemacht hat, das war eine Mitteilung der Kirchen, katholisch wie evangelisch, in der sich die Kirchen Teile der Diktion zu eigen gemacht haben und plötzlich von Ideologisierung durch einen Bildungsplan gesprochen haben. Und da ging mir die Gänsehaut nicht mehr weg."
Baur: "Der Kirche geht's um Einheit, um diese Einheit müssen wir ringen, und ich glaub, diese Einheit kann uns auch geschenkt werden."
Werner Baur ist Bildungsreferent der Württembergischen Kirche. Kontakt zum Beispiel zu schwulen Pfarrern und lesbischen Pfarrerinnen seiner Kirche hat er erst seit dem Konflikt, gibt er offen zu. Da habe er viel gelernt. Wenn jemand diskriminierende Äußerungen gegenüber Menschen mache, sagt Baur:
"Dann müssen wir natürlich das Gespräch suchen. Aber wenn es eine theologische Auseinandersetzung ist, und das ist auch evangelische Vielfalt, dann heißt es, dass die Pfarrerin und der Pfarrer selbst ein Höchstmaß an Verantwortung hat, mit seiner Theologie umzugehen. Ein reglementierendes Eingreifen der Kirchenleitung im evangelischen Kontext gibt es höchst, höchst, höchst selten."
Resolution für mehr Gleichstellung wurde nicht verabschiedet
In dieser Debatte beim Kirchentag konnte die Landeskirche nicht überzeugen. Aber es war auch ein Podium, das von der Zusammensetzung her nicht kontrovers war. Und dennoch, bei aller Zugewandtheit: Die geplante Resolution für mehr kirchlichen Einsatz für Gleichstellung konnte nicht verabschiedet werden – es fehlten 50 an den benötigten 500 Stimmen, zum Entsetzen der Veranstalter. Homosexualität – weiter ein Randthema nur für Engagierte?
"Ich persönlich war erschrocken am Anfang, dass so ein Andrang, so ein Run auf dieses Zentrum ist, weil wir jetzt eben offiziell im Programm stehen und die ganzen Veranstaltungen gute Referenten haben – ich bin einfach nur glücklich."
Paul Raschka von der Arbeitsgemeinschaft Homosexualität und Kirche, einer der Verantwortlichen fürs Zentrum Regenbogen.
"Ich denke, so zehn Prozent sind aus Neugierde da, und der Rest kommt einfach, weil er sich da wohlfühlt, weil er sich angenommen fühlt. Und darauf kommt's ja an: friedlich miteinander umzugehen, sich auszutauschen und vielleicht auch Ängste abzubauen."
Denn grad wenn man es ernst meint mit dem Glauben, tun sich die Kirchen und die Kirchenmitglieder immer noch schwer mit Homosexualität.
Sarah: "Ich bin jetzt an der evangelischen Hochschule, ich selbst hab jetzt eine Freundin, und ich selbst sehe, dass einige doch immer noch sehr schockiert sind: Oh, bloß nicht vor den Kindern, lieber vorsichtig, lieber Abstand nehmen – da könnte man in der heutigen Zeit offener werden."
Die Kirchen sind weiterhin kein Ort, an dem Homosexuelle sich uneingeschränkt angenommen fühlen - auch das wurde beim Kirchentag deutlich. Am klarsten wohl bei einer Veranstaltung im Zentrum Regenbogen, bei der es um sogenannte Umpolungsversuche an Homosexuellen ging. Also um den Versuch, durch Gebet und geistige Begleitung das zu schaffen, was die Psychologen längst als vergebliches Bemühen verstanden haben: aus sündigen Homosexuellen bibeltreue Heteros zu machen. Auch in frommen Kreisen fällt das einfache schwarz-weiß inzwischen schwerer, sagt Günter Baum. Er wollte mit der Organisation Wüstenstrom sich und andere Evangelikale vom Schwulsein heilen – bis er merkte, dass das nicht geht.
"Aber mir hätte das nicht geholfen, wenn irgendeine offizielle Stellungnahme der Kirche gesagt hätte, die Bibelstellen sind so und so zu interpretieren, du bist nicht sündiger Mensch. Für mich war es wichtig, dass ich von Gott das gehört hab, aus meinem Herzen: Günter, du Schwuler, du bist mein geliebter Sohn."
Noch immer glauben konservative Christen an Umerziehung
Fromm ist Günter Baum immer noch, nur dazu eben offen homosexuell. Aus der Welt ist der Gedanke an Umpolung damit längst nicht. Etliche U-Bahn-Stationen entfernt vom Zentrum Regenbogen, in den Zelthallen des Marktes der Möglichkeiten, am Stand der sexualethischen Beratungsstelle Weißes Kreuz:
"Wenn jemand kommt mit 17 Jahren, 'ich hab die Neigung', dann würd ich sagen: Mensch, unsere Erfahrung ist, dass sehr viele homosexuell Empfindende eine schwierige Vaterbindung hatten, eine starke Mutterbindung, wenig Selbstbewusstsein, und wir stellen fest, wenn sie an ihrer Identität arbeiten und darüber nachdenken, dass auch diese Gefühle – nicht bei allen, aber doch bei vielen - doch sich verändern und sie durchaus aus dieser Teenagerkrise heraus sie fähig sind, eine gute heterosexuelle Beziehung aufzubauen."
Rolf Trauernicht, Leiter des Weißen Kreuzes, betont: diese Beratung sei ein Angebot, kein Zwang. Aber für ihn ist doch deutlich klar, was an sexueller Orientierung gewünscht ist und was nicht.
"Wir sind Verfechter dafür, dass die Ehe ein Begriff ist, der für die Ehe von Mann und Frau ist. Von daher sind wir nicht so glücklich drüber, dass jetzt die Homosexuellen, die wir kennen, schätzen und lieben, diesen Begriff jetzt auch für sich in Anspruch nehmen."
Schwesig: "Ich verstehe nicht, warum ein Paar, wie ich es aus Bekanntenkreis kenne, zwei Frauen, die sich lieben, verantwortungsbewusst miteinander umgehen, die zwei Kinder großziehen, warum die irgendwie besser oder schlechter sein sollten als meine Partnerschaft mit meinem Mann."
Familienministerin Manuela Schwesig bei einer Diskussion übers evangelische Familienbild. Auch das ist Kirchentag: gegenläufige Meinungen in friedlichem Nebeneinander. Und manchmal begegnet man sich sogar im Gespräch:
"Erst durch das Erleben meiner lesbischen Partnerschaft hab ich verstanden, was Liebe wirklich ist, und was Gottesliebe für mich ist, und mein Gottvertrauen, meine Beziehung zu Gott hat sich dadurch erst als solche gut angefühlt. Ich bin dadurch ich selber geworden, ich bin auch frommer geworden."
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