Hubert Wolf: Krypta - Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte
C.H. Beck Verlag München, 21. Januar 2015
232 Seiten, 19,95 Euro
Machtspiele der Kurie
Die Krypta im Vatikan enthüllte es symbolisch: Dort unten, wohin jeder päpstliche Nachfolger steigt, um das Grab von Petrus zu besuchen, fand der Historiker Hubert Wolf Hinweise darauf, wie kirchliche Traditionen erstarken und verblassen. Oftmals geht es dabei um Macht.
Zwei Jahre lang habe Papst Franziskus hervorragend und sympathisch auf der Ebene der Symbolpolitik gehandelt. Nun sei es an der Zeit, die angekündigten Reformen an Haupt und Gliedern durchzusetzen, meint Hubert Wolf.
Auf erste Schritte, die Rolle der Kurie, die Kollegialität unter Papst und Bischöfen sowie die Verantwortung der Laien zu verändern, hofft er noch in diesem Jahr – und fragt, warum Franziskus nicht eine zu groß geratene vatikanische Kurie verkleinere und warum er nicht nach dem katholischen Subsidiaritätsprinzip Kompetenzen nach unten an die nationalen Bischofskonferenzen und an die einzelnem Bischöfe weiterreiche.
Die Vollmacht dazu habe er aus der einzigartigen Stellung des Jurisdiktionsprimats. Wenn er aber nicht aus der Kirche massive Unterstützung erhalte, werde der Papst kaum die Kraft haben, sich gegen die Beharrungskräfte in der Kurie durchzusetzen.
Zu den Ursprüngen zurückgekehrt
Vieles von dem, was mit dem Wert der Ewigkeit daher komme, habe diesen Wert historisch gesehen nicht. Es sei eben in der katholischen Kirche nicht immer schon so gewesen, wie es heute praktiziert wird, so als ob sich nichts entwickelt hätte. Strukturen könnten sich ändern.
Hubert Wolf ist für sein neues Buch symbolisch in die "Krypta" des Petersdoms abgestiegen, dorthin, wo jeder päpstliche Nachfolger das Grab von Petrus besucht, um zu den Ursprüngen zurückzukehren. Dabei fand er heraus, dass sich manche Traditionen überlebt hätten, manche dagegen bewusst unterdrückt worden seien, weil andere Konzeptionen oder Machtfragen die Sache dominiert hätten.
Alternative Modelle zum heutigen Kirchenrecht
Ursprünglich hätten Gemeinden ihre Bischöfe selbst gewählt. Das sei ein alternatives Modell zum heutigen Kirchenrecht, nach dem der Papst Bischöfe frei ernennen dürfe. Erst im 19. Jahrhundert seien Fürst-Äbtissinnen auf das Maß von frommen Frauen reduziert worden. Zuvor hätten sie über 800 Jahre bischöfliche Vollmachten besessen, seien auch ähnlich gekleidet gewesen. Ebenso wenig wäre es ein Dogma, dass Laien nicht Kardinal werden, oder dass sie nicht die Kompetenz erlangen könnten, Sünden zu vergeben.
Hubert Wolf teilt die Empfehlung Joseph Ratzingers, des abgedankten Benedikt XVI., die Tradition des Konzils von Konstanz (1414-1417) wiederzuentdecken und den Stuhl Petri stärker in die kollegiale Kontrolle der Kardinäle und Bischöfe einzubinden.
Es habe das große Schisma dreier konkurrierender Päpste mit der Wahl eines neuen Kirchenoberhaupts beendet. Dass der Vatikan anschließend wieder zur "Monarchie" zurückgekehrt sei und das Prinzip der Kollegialität wieder zurückgenommen habe, sei schließlich der Grund für die Kritik Martin Luthers am Papsttum gewesen.