Kira Linn: "nature"

Naturimpressionen als Jazz-Improvisation

Die Saxofonistin Kira Linn
Die Saxofonistin Kira Linn © Simon Zimbardo
Von Ilka Lorenzen · 31.07.2017
Der Klang des Saxofons hat sie schon immer fasziniert und dabei vor allem die tiefen Töne – nur folgerichtig, dass Kira Linn beim Baritonsaxofon gelandet ist. Für ihr Debütalbum "nature" hat sie sich von Naturaufnahmen der Künstlerin Laura Wolf inspirieren lassen.
"Also, ich hab ja schon als Kind angefangen, Saxofon zu spielen, und ich hab tatsächlich angefangen mit Tenorsaxofon, was vielleicht auch schon mal eher untypisch ist, weil es ein sehr großes Instrument ist für kleine Kinder. Was mich fasziniert hat, ist auf jeden Fall der Klang - ich hab das Gefühl, der Saxofonklang ist der menschlichen Stimme sehr ähnlich, und ja, vor allem tiefe Klänge haben mich fasziniert, deswegen hab ich mich dann auch für das Baritonsaxofon entschieden."
Liebe auf den ersten Ton sei es allerdings nicht gerade gewesen, sagt Kira Linn. Das schwere Instrument wurde ihr eher aufgedrängt, als in ihrer damaligen Schulbigband ein Baritonsaxofon gesucht wurde. Ihr Lehrer bat sie, doch einfach mal rein zu pusten, was der damals schon sehr klangbewussten 16-Jährigen zunächst noch recht schwer fiel.
"Und dann hab ich irgendwann Gerry Mulligan gehört und der Klang von dem Baritonsaxofon hat mich total fasziniert und dann wollte ich auch so klingen!"

Keine weiblichen Vorbilder am Baritonsaxofon

Dass man das Baritonsaxofon auch als Soloinstrument spielen kann – befreit vom Bigband-Kontext – sei Kira Linn erst beim Hören von Gerry Mulligan bewusst geworden. Weibliche Vorbilder mit diesem Instrument fallen ihr spontan keine ein, gegenwärtig sei Tini Thomsen in den Niederlanden als Baritonsaxofonistin ziemlich angesagt.
Und sie selbst natürlich: Gleich drei verschiedene Saxofone sind in ihrem "Linntett" jeweils zu hören – eine außergewöhnliche Instrumentierung für das junge Sextett, dessen Besetzung Kira Linn aus einer Gruppe von befreundeten Mitstudenten an ihrer Nürnberger Hochschule für Musik rekrutiert hat – allesamt männlich.
"Ja, also ich hab beschlossen, eben diese Band zu gründen und ich hab beschlossen was für diese Band zu schreiben, und in Nürnberg gibt es jetzt nicht so viele Frauen, die Instrumente spielen, also ich bin die einzige Saxofonistin in Nürnberg – also es ist tatsächlich so, würde ich sagen, es gibt auf jeden Fall mehr Männer in der Jazzszene als Frauen, aber was nicht ist, kann ja noch werden…"
Der Albumtitel "nature" kommt natürlich auch nicht von ungefähr. Die Naturaufnahmen der Künstlerin Laura Wolf inspirierten Kira Linn zu einer sechsteiligen Suite, die nun das Herzstück ihres Debütalbums bildet. Sie ist extrem abwechslungsreich – von schnellem Swing, coolen Arrangements bis zu einfühlsamen Balladen ist alles dabei:
"Ja, ich war schon immer von Kunst fasziniert und ich bin auch von Natur fasziniert und deswegen hab ich gedacht, ich könnte das vielleicht zusammen bringen."
Ihr Vorhaben ist ihr durchaus gelungen. Die Emotionen, die das Betrachten der Naturfotografien auslösen, spiegeln sich hörbar in Kira Linns Kompositionen wider.

Die geballte Energie von drei Saxofonen

Gibt es in der Natur ein akustisches Äquivalent für den Ton des Baritonsaxofons? Spontan will ihr keines einfallen. Für den Titel "Hill" hat Kira Linn aber zum Beispiel versucht, Vogelgezwitscher musikalisch auf den Saxofonen nach zu empfinden.
Wie bei allen Stücken steht trotz dieser besonderen Naturanlehnung aber immer noch die Melodie im Vordergrund. Die geballte Energie von drei Saxofonen, aufgefangen von der Rhythmusgruppe, ist besonders hör- und auch spürbar.
Die Ballade namens "Far" ist wohl das charaktervollste Stück auf dem Album, bei dem das Baritonsaxofon eindeutig im Mittelpunkt steht.
"Das Bild dazu, das mag ich total gern, also die Bilder sind auch im Booklet zu sehen. Man sieht auf dem Bild eigentlich so ein Schiff in der Ferne und man sieht Wasser und ich hab mir so vorgestellt, ich selbst bin auch auf einem Schiff und fahre auf diesem weiten, riesengroßen Ozean und muss aber jemanden verlassen. Also es geht um Abschied, um Leere, aber auch Weite, ein bisschen Trauer vielleicht auch, das hab ich versucht, in dem Stück zu verarbeiten und ja, das liegt mir sehr am Herzen, dieses Stück."
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