Kinokolumne Top Five

Die besten Filme über Schwestern

05:25 Minuten
Szenenfoto der Schwestern Molly (Everlyn Sampi, r.) und Daisy (Tianna Sansbury), sowie ihrer Cousine Gracie (Laura Monaghan, l.), die sich im australischen Outback zusammenkauern.
In "Long Walk Home" von Phillip Noyce ist die Liebe zwischen den Schwestern eine Quelle der Kraft gegen die feindliche Welt. © picture-alliance / dpa / Film Arsenal
Von Hartwig Tegeler · 24.10.2020
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Die Beziehung zwischen Geschwistern, besonders die von Schwestern, ist ein altes Thema in der Filmgeschichte. Die Erzählungen reichen vom Albtraum bis zur Utopie. Diese fünf Filme sind besonders sehenswert.

Platz 5 - "Stolz und Vorurteil" von Robert Z. Leonard (1940)

Die Bennets – Wende zum 19. Jahrhundert – haben fünf Mädchen, und damit hat die Familie ein Problem, und deswegen ist der Jubel von Mutter Bennet am Ende auch Ausdruck für die Erlösung: "Drei Töchter unter der Haube. Drei! Und die anderen stehen auch dicht davor!" Man kann den dornigen Weg Lizzys zum angebeteten Mr. Darcy in diesem klassischen Jane-Austen-Stoff in dieser wunderschönen Verfilmung als historische wie romantische Schmonzette abtun. Doch hinter dieser Maske verbirgt sich nicht nur ein brutales sozioökonomisches Problem: Da die Bennets eben keinen Sohn haben, würde das Gut nach dem Tod von Vater Bennet an den Cousin fallen. Der makabre Schachzug nun gelingt: Eine der Schwestern heiratet Cousin Collins. Die Schwestern federn ihr Konkurrenz-Dasein liebevoll ab. Geht auch anders. Ganz anders.

Platz 4 - "Was geschah wirklich mit Baby Jane?" von Robert Aldrich (1962)

Von der Romantik unter den Schwestern zum brutalen Psycho-Horror. Konkurrenz und Rachegelüste prägen das Verhältnis der einen Schwester Blanche – Joan Crawford –, zur anderen, Jane, einst gefeierter Kinderstar – gespielt von Bette Davis. Im Gegensatz zu Blanche fand sie keine Anerkennung als erwachsene Schauspielerin. Ort des Familienkrieges: eine glamouröse Hollywoodvilla, wo Blanche im Rollstuhl sitzend vergangenen Zeiten hinterhertrauert, während sie die Grausamkeiten der Schwester aushält. Ein Krieg unter Schwestern, angetrieben von Ungerechtigkeiten aus der Kindheit. Blanche und Jane hassen sich gründlich. Geschwisterliebe? Schon abgeglitten in den Wahnsinn.

Platz 3 – "Das Schweigen" von Ingmar Bergman (1963)

Ester – Ingrid Thulin – und ihre Schwester Anna – Gunnel Lindblom – reisen im Zug zurück nach Schweden. Ester ist lungenkrank. Sie machen Station in einem ehemaligen Luxushotel. Ester begehrt ihre jüngere Schwester. Anna hat Sex mit dem Kellner aus dem Café gegenüber. Wenn wir ihr Gesicht dabei in dieser Mischung aus Verzweiflung und Lust sehen, wissend, dass die Schwester draußen an der Tür steht, dann wirkt die Intensität dieser Szene immer noch schockierend. Die Entblößung dieses Menschen in diesem Moment ist erschütternd. Sexualität als Ventil, mit der Einsamkeit, der Verzweiflung zu kommunizieren. Weil, so Bergmans Botschaft, "das Schweigen" Gottes ist in Allem anwesend, auch in der Lust. Keine Erlösung zwischen diesen Schwestern!

Platz 2 - "Die geliebten Schwestern" von Dominik Graf (2014)

Zwei Schwestern, ein Mann: Ménage à trois. Caroline, Charlotte und Friedrich. Friedrich Schiller. 1788, ein berauschender Sommer. Die eine Schwester liebt ihn, die andere auch, und er beide. Die Utopie einer herrschaftsfreien Beziehung scheitert am Ende an den Konventionen. Äußerlich. Im Innenverhältnis der Schwestern und des Mannes aber nicht. Eine frei von Eifersucht und Herrschsucht sich entfaltende Liebe, die Dominik Graf in einer wunderschönen Leichtigkeit inszeniert in einer Haltung von: Was wäre, wenn das wirklich möglich wäre? Liebe ohne Haben-, nur Gebenwollen? Auch zwischen Schwestern.

Platz 1 – "Long Walk Home" von Phillip Noyce (2002)

Molly und Daisy, die eine 14, die andere vielleicht fünf oder sechs, sind Kinder einer Aboriginal-Mutter und weißer Väter. 1931 werden die Halbschwestern von ihrer Mutter getrennt und weit entfernt von ihrer Heimat in ein Erziehungsheim gesteckt. Die kulturelle Vernichtung der weißen australischen Herren gegen die australischen Ureinwohner. Doch die beiden Schwestern fliehen 1500 Meilen durch die Weite des Kontinents, verfolgt von den staatlichen Häschern. Am Ende sehen sie ihre Mutter und Großmutter und die Heimat wieder.
Die Liebe der großen Schwester zu ihrer kleinen hat nichts Romantisches, sondern ist zunächst reines Handeln. Liebe ist hier vor allem urtümlicher Halt, Quelle der Kraft gegen die feindliche Welt. Am Ende, im Abspann sehen wir die realen Molly und Daisy als alte Damen, die in die Kamera lächeln, und die sich mit ihren alten, faltigen Gesichtern zulächeln. Uralte, ja, universale Schwesternliebe.
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