Kinofilm

Moderne Familie im Porträt

Von Bernd Sobolla · 12.11.2013
Allmählich ändern sich Familienmodelle, Väter bringen sich aktiver bei der Erziehung ein. Auch Filmemacher betrachten das Thema Familie unter diesem Aspekt neu. Regisseur Robert Thalheim ist Vater zweier Kinder. "Eltern", so der prägnante Titel seines Films, handelt von einem Mann, der nach einigen Jahren der reinen Kindererziehung zurück zum Theater will, während seine Frau als Krankenhausärztin vor dem nächsten Karrieresprung steht.
"Ich war schneller. Christine, du bist raus! Du bist raus! Du bist raus! Du bist raus!"
"Gut. Gut. Kriege ich auch einen Trostpreis?"
"Ja, kriegst auch eine Kette. Danke schön, fürs Mitmachen."


Christine, gespielt von Christiane Paul, ist raus. Raus aus dem Kindergeburtstagsspiel, aber auch ein wenig raus aus dem Familienzentrum. Denn Papa Konrad, alias Charly Hübner, managt schon seit einigen Jahren die beiden Kinder Emma und Käthe und den Haushalt. Das Ganze mit Ruhe, Humor, Ausdauer und Verständnis. So dass die Kinder auch gar nicht mehr auf die Idee kommen, nach Mama zu brüllen. Und andere Mütter beneiden Christine.

"So ein toller Mann."
"Danke."

"Unsere Männer… klar, mal Sonntagvormittag auf dem Spielplatz. Aber weißt du, der ganze Rest, der bleibt dann an uns hängen."

Doch die Zeiten ändern sich. Konrad bekommt das Angebot, wieder ein Theaterstück zu inszenieren. In weiser Voraussicht - Papa ist künftig weniger präsent - holen sich die beiden zur Entlastung ein Au-pair-Mädchen. Zumindest für die Kinder scheint ein Ersatz gefunden.

"Papa, Musik!"
"Nein, jetzt nicht, lasst doch Isabell erst einmal ankommen."
"Musik! Musik! Musik!"
"Musica?"


So lebendig die Charaktere miteinander in Kontakt treten - egal ob innerhalb der Familie oder in der Arbeitswelt - der Film zeigt nur wenige Bilder, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Am ehesten ist das noch im Theater der Fall, wo Konrad mit sich selbst und dem Ensemble zu kämpfen hat.

"'… ich trüge ihn heraus - auf meinen Armen. Und glückt es nicht, so würden zwei verkohlt.' Und in deiner Fassung: 'Nun!' Nichts weiter, nur das: 'Nun!'"
"Ja, ist vielleicht ein bisschen flach gestrichen."
"Na, siehst du, und zu solchen Halbseidenen kommt es durch diesen Lindenstraßenrealismus."


Auch sonst gerät das Familienleben arg durcheinander: Christine wird in der Klinik stark gefordert, das Au-pair-Mädchen ist schwanger, der Hamster stirbt, und Käthe will nicht auf ihre kleine Schwester aufpassen. Robert Thalheim, der auch das Drehbuch zusammen mit Jane Ainscough schrieb, zeigt - auch aus eigener Erfahrung - wie unberechenbar der ganz normale Alltag einer Familie sein kann.

Thalheim: "Von Anfang an wollte ich beide Seiten zeigen, die man auch aus der Familie kennt, dass das Chaos und die tragischen Momente rasant schnell abwechseln mit total lustigen und herzlichen Momenten. Und Familie passt in kein Genre. Deswegen war es für mich schwer, bei dem Film zu sagen, das ist eine Komödie oder ein Drama, weil es beide Elemente immer haben sollte und auch hat."

Konrad fällt der Rollenwechsel schwerer als angenommen. Er fordert, dass Christine ihm endlich den Rücken freihält.

"Na super, jetzt stehe ich wieder in dieser Ecke oder was? Das hier ist nicht nur einfach ein verdammter Karriere-Egotrip. Das ist auch harte Arbeit, mit der ich übrigens das Geld für die Familie verdiene."

"Ah … Du klingst wie eine frustrierte Ehefrau aus den 50ern."
"Dann bin ich eben eine frustrierte Ehefrau aus den 50ern. Aber dann bist du der passende Mann dazu."
"Sehr witzig."
"Ein Mann, der Angst hat vor seinen eigenen Kindern."
"Ich habe doch keine Angst vor meinen Kindern."


Konrad zieht die Notbremse: Um sich auf das Stück konzentrieren zu können, zieht er kurzerhand ins Theater. Denn er droht, wie der Protagonist Charly Hübner erläutert, an den logistischen Aufgaben der neuen Familien- und Arbeitssituation zu scheitern.

"Der wäre am liebsten mit den Kindern den ganzen Tag allein zusammen und würde mit denen Quatsch machen. Und nur dieses kleine Fitzelchen Ego - dass er ein Theaterregisseur ist - da wurde ihm eine Wunde geschlagen vor zehn Jahren. Und diese Wunde hat eine Narbe hinterlassen. Und die würde er gerne wieder wegkriegen. Und das ist so ein Antrieb für diesen Ehrgeiz wieder in diesen komplizierten Theaterberuf hineinzugehen."

Der Film "Eltern" zeigt ein Familienleben, das oft aus dem Ruder läuft zwischen Karrierestreben und Selbsterfüllung, Harmoniebedürfnis und Alltagsüberraschungen. Dabei beweist Regisseur Robert Thalheim ein sicheres Gespür fürs timing, und er treibt seine Geschichte kontinuierlich voran, wobei die Charaktere eine schöne Ensembleleistung liefern. Ein Werk, das gleichermaßen Zeitgeist, Witz und Melancholie in sich trägt.
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