Kings of Convenience: "Peace or Love"

Liebe statt Frieden

12:58 Minuten
Die beiden Musiker des Duos Kings of Convenience mit Gitarre auf der Bühne.
Erlend Øye (li.) und Eirik Glambek Bøe (re.) freuen sich darauf, wieder auf Tournee gehen zu können. © Imago / Future Image
Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe im Gespräch mit Andreas Müller · 18.06.2021
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Wenn Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe als Band zusammenarbeiten, entscheiden sie sich für Liebe statt für Frieden, erzählen sie im Gespräch. Sie nehmen damit Bezug auf den neuen Albumtitel ihrer Band Kings of Convenience.
Auf ihrem neuen Album bleiben die Kings of Convenience ihrem Stil treu. Sie haben nicht das Gefühl, sich ständig neu erfinden zu müssen. "Wir sind wie weißer Spargel", sagen sie. Der wächst, wird geerntet und wolle im nächsten Jahr seinen Kopf auch nicht als grüner Spargel aus der Erde stecken. Alle freuen sich nach einem Jahr wieder über weißen Spargel. So ginge es ihnen mit ihrem neuen Album auch.
Andreas Müller: 12 Jahre sind seit dem letzten gemeinsamen Kings of Convenience Album vergangen. Viele Fans waren sich vermutlich unsicher, ob es noch ein Album ihrer Band geben würde. Wie war es bei Ihnen selber, waren Sie sich in der Zwischenzeit sicher, dass es noch ein Album in der Konstellation gibt?

Mit frischen Ohren an die Arbeit

Erlend: Es stimmt, unsere Fans konnten sich nie sicher sein, ob es jemals ein neues Album der Kings of Convenience geben würde. Und wir waren uns auch nicht sicher. Mal liefen die Dinge gut, mal schlecht. Wir haben 2015 angefangen, an dem Album zu arbeiten, zwei Jahre später steckten wir fest.
Ich habe dann gesagt: Eirik, wir brauchen eine Pause, eine lange Pause. Ein Jahr. Als wir danach wieder angefangen haben, hatten wir frische Ohren. Wir haben uns das Album angehört und konnten klar sagen, was gut war und was nicht. Dann hat uns unsere Freundin aus Kanada, Leslie Feist, besucht.
Die kanadische Sängerin Leslie Feist in pinkem Kleid mit Gitarre auf der Bühne bei einem Auftritt im Berliner Tempodrom.
Freundin der Kings of Convenience: Die kanadische Sängerin Leslie Feist. © IMAGO / POP-EYE
Sie wollte ein paar Aufnahmen mit uns machen. Wir spielten bei ihren Songs und sie bei uns. So haben wir zwei Songs mit ihr für das neue Album aufgenommen. Und das hat sehr viel ausgemacht! Das Album hat die Präsenz von jemand anderem gebraucht. Sie hat unserem Album, unserem gedeckten Tisch, ein ganz neues Gericht hinzugefügt – ein Dessert. Etwas, das es einfach gebraucht hat. Dann hat es angefangen, sich nach einem guten Album anzufühlen.

Liebe oder Frieden

Müller: Das Album heißt "Peace or Love", als ob Frieden und Liebe ein Gegensatz sind. Wieso haben Sie diesen Titel gewählt?
Erlend: Ich glaube, viele Menschen würden ein glücklicheres Leben führen, wenn dieses Klischee, mit dem wir alle aufgewachsen sind – "Peace and Love" – stattdessen Liebe oder Frieden heißen würde. Dann würden wir verstehen, dass es nicht normal ist, beides perfekt auf die Reihe zu kriegen.
Wenn du es schaffst, nur eines davon in deinem Leben zu haben, kannst du schon sehr glücklich sein! Aber trotzdem will jeder beides haben. Gleichzeitig hat dabei jeder das Gefühl, der Einzige zu sein, dem es nicht gelingt. In der Realität schließt eine Sache die andere oft aus.
Für mich ist Frieden der innere Frieden. Und Liebe kann auch Passion heißen, das muss nicht unbedingt an eine Person gebunden sein. Wenn du zum Beispiel eine starke Liebe zur Musik verspürst und unbedingt eine großartige Band und ein tolles Album haben willst, dann kann das bedeuten, dass dein Leben für ein paar Jahre nicht unbedingt friedlich ist.

Man muss sich neu erfinden

Müller: Ich habe in einem Interview gelesen, dass Sie sich auf dem Album auch sehr stark mit Beziehungen – auch der zwischen Ihnen beiden – auseinandersetzen. Ich zitiere: "Ich glaube, wir könnten jetzt ein Buch über Paartherapie schreiben", sagen Sie da. Das klingt nach intensiven, anstrengenden Zeiten, die letzten Jahre?
Erlend: Ja! Immer wenn Eirik und ich als Band zusammenkommen, entscheiden wir uns für Liebe statt Frieden. Wenn wir ein friedliches Leben führen wollten, dann gäbe es die Kings of Convenience nicht. Es wird immer anstrengender, je länger man in einer Beziehung ist. Das trifft auch auf uns zu.
Als Band ist es besonders am Anfang sehr einfach zusammenzuarbeiten. Man ist aufgeregt, neugierig auf den neuen Sound, den man erschafft. Je länger man zusammen Musik macht, umso schwieriger wird es, Wege zu gehen, die man noch nie gegangen ist. Man muss sich neu erfinden.

"Wir hören uns ziemlich gut zusammen an"

Und weil man viele Dinge schon weiß, fehlt auch manchmal die Motivation. Wir wissen, dass Eirik und ich uns, wenn wir zusammen singen, ziemlich gut anhören. Aber das ist mittlerweile nichts Neues mehr für uns. Wir können zum Glück noch eine andere Sache sehr gut: Dem anderen Zeit geben.
Wir arbeiten nicht ständig rund um die Uhr zusammen, sondern nur zwei bis drei Monate im Jahr. Das macht alles einfacher. Wenn wir dann zusammen sind, freuen wir uns richtig darauf. Ich freue mich jetzt schon riesig auf die nächsten Jahre, wenn wir auch wieder zusammen auf Tour gehen können.

Frisch aus dem Plattenladen

Eirik: (kommt etwas verspätet zum Interview hinzu) Hello! Erland? Ich muss dir was zeigen. Die neue Platte ist da! Ich bin in den Plattenladen gegangen und habe sie gekauft.
Erlend: Zeig mal, wie sieht sie von innen aus?
Eirik: Der Druck ist großartig. Super Qualität.
Erlend: Moment, warte mal. Ist das Bild da vorne wirklich in der Mitte?
Eirik: Was meinst du?
Erlend: Es sieht irgendwie nicht ganz genau zentriert aus, nicht ganz in der Mitte. Nein, es ist es nicht in der Mitte…oh nein.

Keine zeitliche Kontrolle

Müller: Dieses Jahr jährt sich das Jubiläum ihres Debüts "Quiet Is The New Loud". Der Titel klang zur Jahrtausendwende wie ein musikalisches Manifest oder Credo. Als ob Sie die lauten Rockgitarren der 90er hinter sich lassen wollten. War es ein Manifest?
Erlend: Ich glaube, da überschätzen Sie jetzt unsere Fähigkeit, Dinge im Vorhinein zu planen! Wir haben es nicht absichtlich gemacht. Eigentlich haben wir keinerlei zeitliche Kontrolle darüber, wann wir mit einem Album fertig sind. Wir sind einfach nur sehr froh, dass wir es irgendwie geschafft haben, uns über die Zielgerade zu schleppen. Mir war tatsächlich nicht bewusst, dass es schon 20 Jahre her ist. Aber jetzt, wo ich es weiß, ist das schon schön.
Müller: Es hat mehrere Jahre gedauert, bis das Album fertig war, obwohl da nur ungefähr zehn Songs drauf sind. Dieser Perfektionismus, den Sie offensichtlich beide haben, ist der ab einem bestimmten Punkt ungesund?
Eirik: Als Perfektionist muss ich Sie korrigieren, es sind eigentlich 11 Songs auf dem Album. Aber eigentlich sind weder Erlend noch ich besonders strenge Perfektionisten. Wir versuchen, etwas zu produzieren, das gleichzeitig einfach, aber auch von bestimmter Qualität ist.
Es ist aber gar nicht so leicht, etwas simpel und gleichzeitig gut zu machen. Das ist unsere tägliche Herausforderung im Studio: Etwas zu kreieren, dass sich natürlich, groovy anhört und einen bestimmten Flow, eine emotionale Präsenz hat. Ich glaube, das hat gar nichts damit zu tun, dass wir Perfektionisten sind, sondern liegt eher in der Natur der Sache. Dieser künstlerische Prozess erlaubt einfach keine Fehler.

Ein deutscher Vergleich

Müller: Der typische Sound der Kings of Convenience sind zwei akustische Gitarren, hier mal eine Geige, da mal ein Cello, auch mal ein Klavier. Da können sie keinen Fehler machen, weil der in so einer Besetzung natürlich auffällt. Reizt es Sie nicht auch, mal etwas ganz anders zu machen? Mehr Krach zum Beispiel?
Eirik: Nein. Definitiv. Viele Bands denken, dass alle nur darauf warten, von ihnen überrascht zu werden, indem sie mal etwas anderes machen. Aber in Wahrheit ist man als Band nur eine von hunderttausend anderen Bands. Das Publikum sucht sich einfach eine neue Band, wenn es andere Musik hören will.
Ich versuche es mit einem deutschen Vergleich: Wir sind wie Spargel. Weißer Spargel – und wir versuchen nicht, grüner Spargel zu sein. Wir sind total glücklich damit, weißer Spargel zu sein. Und jedes Jahr müssen wir wieder wachsen, ein neuer, wunderschöner Spargel werden, der Mitte Mai auf einem Berliner Teller landet. Den Rest des Jahres ist weißer Spargel allen egal. Aber jeden Mai wollt ihr uns wieder genauso haben, wie wir sind.
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