Kinderliteratur

"Er hat das Kinderbuch erst nobilitiert"

Undatiertes Archivbild eines nachdenklichen Erich Kästners. Er war ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist, der vor allem für seine Kinderbücher (z. B. "Emil und die Detektive", "Das doppelte Lottchen")bekannt wurde.
"Eine große Integrationsfigur der 50er Jahre": der Schriftsteller, Journalist und Drehbuchautor Erich Kästner © picture alliance / dpa
Sven Hanuschek im Gespräch mit Joachim Scholl · 29.07.2014
Über 80 Jahre sind seine Werke zum Teil schon alt, aber noch immer sind Erich Kästners Kinderbücher ein Umsatz-Dauerbrenner. Das liege vor allem an Kästners zeitlosem Stil - und daran, dass es immer wieder Neuverfilmungen gebe, meint der Germanist und Kästner-Biograf Sven Hanuschek.
Kästners Stil habe "eine große Leichtigkeit, eine Eleganz, auch eine Einfachheit", sagte Hanuschek.
"Der Wortschatz ist einfach angemessen, aber er ist auch frech. Es hat auch eine Kürze, eine Lakonie, eine große Präzision."
Hier und da setzten die Texte zwar Patina an, was Jugendsprache angeht, räumte der Münchener Germanist ein.
"Heute sagt man auch in Berlin, nehme ich an, nicht mehr 'knorke'."
Aber es seien nur wenige Stellen.
Seine Bücher erschienen immer zu Weihnachten
Kästner habe das Kinderbuch "eigentlich erst nobilitiert, zu einem ernsthaften Genre gemacht", betonte Hanuschek.
"Er wusste immer, wie sich das anfühlt, ein Kind zu sein."
Dabei habe Kästner eigentlich einen "eher professionellen Zugang" zum Kinderbuch-Schreiben gehabt:
"Eine Verlegerin hat ihn gefragt, ob er denn nicht mal ein Kinderbuch schreiben wolle, weil ihm das doch liegen müsste."
Als eine der bekanntesten Kinderbuchverlegerinnen habe Edith Jacobson auch die entsprechenden Möglichkeiten gehabt, um für Verbreitung des Buches zu sorgen:
"Auch damals: jede Kästner-Neuerscheinung kam rechtzeitig fürs Weihnachtsgeschäft, auch nicht unwichtig."
Eine Integrationsfigur der 50er-Jahre
In den 50er-Jahren sei Kästner, der trotz Schreibverbot in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland geblieben war, dann eine "große Integrationsfigur" gewesen: Lange Jahre sei er PEN-Präsident gewesen und habe in dieser Zeit auch den Büchner-Preis bekommen. Literarisch habe er jedoch nicht an die Zeit davor anschließen können. Er habe sich immer weiter an der Erfahrung des Dritten Reichs abgearbeitet und eigentlich auch seinen Erwachsenenroman "Fabian" als einen "Sittenroman" des Dritten Reichs fortschreiben wollen .
"Das ist ihm nicht gelungen, aber auch, weil er erkannt hat, dass das nicht funktioniert. Man kann keinen Sittenroman über den Holocaust schreiben, mit ein paar Erotika drin."
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