Kinderbücher

Einfühlsame Geschichten von Jon Klassen

Kinderbuchautor Jon Klassen
Der Kinderbuchautor Jon Klassen © NordSüd Verlag/ Foto: Autumn Le' Brannon
Von Georg Gruber · 03.02.2015
Seine Erzählung über einen Bären, der seinen Hut sucht, ist vor wenigen Jahren in den USA und England ein Verkaufsschlager geworden. Der Kanadier Jon Klassen gilt als neuer Star der Kinderbuchautoren. Jetzt ist sein Buch "Sam & Dave graben ein Loch" erschienen.
"Wir graben so lange, bis wir etwas ganz Besonderes finden" heißt es am Anfang des Buches – und dann sieht man, wie Sam und Dave immer an den Besonderheiten vorbeigraben, an kleinen, großen und riesengroßen Edelsteinen. Am Ende geschieht dann etwas völlig unerwartetes, erzählt Jon Klassen, Jeans, Basketballmütze, Dreitagebart, smart und selbstsicher im Auftreten, bei einem Berlinbesuch:
"At the end of the book there is sort of another dimension, and it has nothing to do with the beginning of the book, you don´t see it coming, and it is a surprise."
Es ist wirklich eine Überraschung: Sie graben sich durch die Erde, und auf einmal fallen sie und fallen – und landen schließlich vor einem Haus, das fast so aussieht wie ihr altes, die Unterschiede sind allerdings nur für aufmerksame Betrachter zu erkennen. Sam und Dave finden also doch etwas Besonderes. Die beiden heißen übrigens nicht zufällig Sam und Dave, sondern weil Jon Klassen die beiden Soulmusiker so schätzt, auch wenn das mit der Geschichte überhaupt nichts zu tun hat.
Illustriert ist die ungewöhnliche Grabungsgeschichte in jenem klaren und reduzierten Stil, der nach 60er/70er-Jahre aussieht und mit dem der 33-Jährige bekannt wurde: "Wo ist mein Hut" und "Das ist nicht mein Hut" heißen seine bekanntesten Bücher. Prämiert unter anderem mit dem bedeutendsten Preis für Bilderbücher in den USA, der Caldecott Medal und dem deutschen Jugendliteraturpreis. In der einen Geschichte sucht ein Bär seinen Hut, und am Ende ist das Kaninchen verschwunden, das den Hut stibitzte.
Aus der Perspektive eines kleinen Fisches
Im zweiten Buch, quasi der Fortsetzung, erzählt er die gleiche Geschichte nochmal, nur aus der Perspektive eines kleinen Fisches, der einem großen Fisch den Hut klaut – und auch damit nicht davon kommt. Beide schön anzuschauen, aber eigentlich grausam, und mit klarer Botschaft: Du sollst nicht stehlen, sonst gibt’s richtig Ärger. Doch ihm ging es gar nicht darum, eine Botschaft zu vermitteln, sagt Jon Klassen:
"I don´t know if there is a message, I mean there probably is, I don´t really believe in starting a book with a message. I don´t think it´s a good way to start a story for kids especially."
Moralische Aspekte würden ihn als Autor von Kinderbüchern nicht interessieren. Die Dramaturgie einer Geschichte schon. Und die Gesetze der Natur: Wer einem Bär etwas stiehlt, hat ein Problem, auch wenn er deshalb nicht gleich den Tod verdient hat.
"You don’t steel a bears hut. You might not deserve to die, but you stole the bears hut - it happens."
Das sei nicht unbedingt eine Lehre, die sich aufs echte Leben übertragen lasse,
"It is not a lesson you can apply necessarily to life, but its talks about it, because things happen, people don´t deserve all the time."
Aber: Vielen Menschen würden Dinge widerfahren, die sie nicht verdient hätten.
Geboren wurde Jon Klassen 1981 in Kanada, seine Eltern hatten eine Kerzenfabrik. Bilderbücher haben ihn schon als Kind fasziniert, sagt er, vor allem einfache Geschichten, mit gutem Ausgang. Wie die vom "Frosch und der Kröte" – einem Klassiker in den USA.
"... who were really good friends, all stories were just about them beeing friends, in a very simple way..."
Dass er selbst Bilderbücher macht, hat viel mit Walt Disney zu tun, vor allem mit den Filmen, die er in den 90er-Jahren sah:
"When I was little, Disney had a kind of renaissance a little bit, the movies were getting popular again."
Nebenbei begann er ein Kinderbuch zu illustrieren
"Das will ich auch machen“, dachte er sich damals, studierte Illustration in Oakville in der Nähe von Toronto und ging dann nach Los Angeles, wo er heute mit seiner Frau lebt und wo er an verschiedenen Animations- und Videofilmen mitwirkte. Nebenbei begann er ein erstes Kinderbuch zu illustrieren, über einen Jungen, der seine Angst vor der Dunkelheit überwindet.
"And then after my contract was over in the studio, I stopped working there and just tried to make books all the time, and that was about four years ago."
Seit vier Jahren ist er nun freier Kinderbuchautor und Illustrator. Anfangs arbeitete er vor allem digital, am Computer, auch bei den Hut-Büchern. Wie bei einem Puzzlespiel konnte er da auf dem Bildschirm zum Beispiel die Augen des großen Fisches verschieben bis er den richtigen Gesichtsausdruck gefunden hatte:
"The eyes are so important in these stories, I can’t do them with ink, it´s to fine work, and so you save that for digital, so you can get very detailed and get it just right."
Als nächstes möchte Jon Klassen seine hochmoralische Hut-Erfolgsgeschichte fortsetzen und zum Abschluss bringen. Die Geschichte solle nach ihrer eigenen Dramaturgie ablaufen, sagt er:
"If that means someone has to die, than someone has to die."
Und das heißt, wenn deshalb wieder jemand sterben muss, dann muss er sterben, aber vielleicht passiert das ja auch nicht.
"But I don´t know, it may not happen."
Jon Klassen: "Sam & Dave graben ein Loch"
NordSüd Verlag, Zürich, 2015
40 Seiten, 14,99 Euro