Kim de l'Horizon: "Blutbuch"
DuMont, Köln
336 Seiten, 24 Euro
Kim de l’Horizon: "Blutbuch"
Kim de l'Horizon wollte mit "Blutbuch" eine explizit queere Erzählform finden. © DuMont / Anne Morgenstern
Das Entweder/Oder verlassen
11:22 Minuten
Schon bevor das "Blutbuch" überhaupt fertig war, bezeichnete die Jürgen-Ponto-Stiftung den Roman als "Blitzschlag" und zeichnete ihn mit einem Preis aus. Jetzt ist das finale Werk erschienen und erfindet eine eigene, queere Erzählstruktur.
Als die Großmutter an Demenz erkrankt, begibt die non-binäre Hauptfigur von "Blutbuch" sich auf die Suche nach der weiblichen Blutlinie. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist dabei auch eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich.
Die Selbstfindung läuft nicht linear, sondern springt zwischen Erinnerungsfragmenten, inneren Monologen und Gedichten hin und her. Diese Erzählstruktur ist für Autor:in Kim de l’Horizon essenziell für das Blutbuch:
"Es sollte ein queerer Text sein. Und queere Körper wachsen eben nicht linear. Viele von uns haben so zyklische, wiederholte spiralförmige Entwicklungen, in denen sie eben erst hetero aufwachsen und sich dann in verschiedenen Anläufen davon entfernen. Und das war mir auch wichtig, diese Entwicklung formal abbilden zu können."
Das Schreiben als Metamorphose
Körperlichkeit ist allgemein ein wichtiges Thema in "Blutbuch". Figuren wie die Großmutter, aber auch die Hauptperson werden sehr körperlich beschrieben. Für Kim de l’Horizon war das ein Weg, sich einen eigenen Körper zu erschaffen:
"Die Körperlichkeit, die mir von der Gesellschaft angeboten wurde, das war immer so ein Entweder/Oder. Also entweder Mann oder Frau sein. In diesem Roman ging es mir darum, durch den Text, durch das Schreiben andere Wege zu finden, um zu einem Körper zu werden. Für mich war der Schreibprozess eine Art von Metamorphose, auch um eben eine Art von Körperlichkeit zu finden, die sich nicht in diesem Schwarz-Weiß-Denken befindet und aus dem Entweder/Oder herauskommt."
(hte)